Anspruch, Leidenschaft und Leuchtturmkultur

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Foto: Martin Grothmaak Photography

Seit 37 Jahren leitet Rainer Pudenz die Kammeroper Frankfurt und beweist in seinem Programm ein Händchen für zu Unrecht selten gespielte Opern. Für das 25. Bühnenjubiläum im Musikpavillon im Palmengarten hat Pudenz wieder eine rare Opernperle auf die Bühne geholt: Rossinis Opera Buffa „Die verkehrte Braut“. Die schöne Ernestina ist in den klugen und armen Lehrer Ermanno verliebt, allerdings dem reichen, aber intellektuell anspruchslosen Buralicchio versprochen. Um die Hochzeit zu verhindern, streut Ernestina das Gerücht, sie sei in Wirklichkeit ein als Frau verkleideter Kastrat, der dem Wehrdienst entgehen wolle. Dumm nur, dass Buralicchio nun den vermeintlichen Fahnenflüchtling festnehmen lässt. Jetzt ist Ermanno gefragt ... Die Oper wurde in ihrem Entstehungsjahr 1811 wegen ihrer „niederträchtigen, plebejischen Skurrilität“ verboten – klingt doch wie gemacht für die Kammeroper! Ein Gespräch mit Rainer Pudenz über Anspruch, Leidenschaft und Leuchtturmkultur.

Für diese Saison hast du mit Rossinis „Die verkehrte Braut“ wieder eine rare Perle der Operngeschichte auf die Bühne zurück geholt..

Ja, die Oper ist ein richtig heißes Teil! Der Text ist sehr vulgär, wird teilweise echt homophob wenn dieser Kerl sich aufregt, mit einem Mann ... das ist schon der Hammer. Es ist auch das erste Mal, dass mir das in der Geschichte der Opera Buffa begegnet.

Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Deswegen wurde die Oper verboten?

Ja, weil die Sprache für diese Zeit sehr rüde war. Damals wurde gut ein Drittel des Textes gestrichen und dann wurde sie nicht mehr gespielt. Es gibt aber Partien, die in späteren Opern von Rossini wieder auftauchen. Das hat er immer so gemacht. Es gibt vier Opern von Rossini, die haben alle die gleiche Ouvertüre wie der „Barbier von Sevilla“. Rossini war ein fauler Kerl. Aber auch ein Schnellschreiber. Den „Barbier von Sevilla“ hat er in zwei Wochen geschrieben.

Wird „Die verkehrte Braut“ modern inszeniert?

Nein, wir machen das zeitlos. Ansonsten bekommt das so was von Agitation und Propaganda. Das wollte ich nicht, ich wollte es leicht und frei halten. Und Zeiten zu definieren mag ich nicht. Der Maßstab ist eher, dass ich in die Figuren reingehe und schaue, wie die Figuren reagieren. Wie hier, wie der Mann reagiert, wenn er einem anderen Mann versprochen wird. Und das ist ja durchaus ein zeitloses Thema. Das brauche ich nicht modern zu machen.

Wie immer kommt die Oper in deutscher Sprache, eine Eigenart der Kammeroper ...

Das war mir schon immer wichtig. Erstens kann ich anders gar nicht inszenieren, und zweitens finde ich wichtig, dass man den Text versteht. Nicht nur der Zuschauer, sondern auch die Sänger. Wenn die italienischen Sprachkenntnisse wie meistens eher schlapp sind, wissen sie nicht, was sie singen! Es ist auswendig gelernt und die Inhalte fehlen. Aber die Emotion muss direkt vom Sänger kommen, auch direkt im Wort. Ansonsten wird das nie intim oder persönlich.

Wir legen viel Wert auf die Übersetzungen. Thomas Peter, der jetzige Hauptdarsteller, hat diesen Text übersetzt. Es gibt ja auch alte Übersetzungen aus den 50er und 60er Jahren, aber die sind der Horror!

Wolfgang Fuhrmannek

Du hattest immer den Anspruch, Oper anders zu machen. Was ist dein Anliegen?

Ich will einen anderen Blickwinkel einnehmen. Ich will nicht diese Leuchtturmkultur, diese großen, bombastischen Geschichten. Wir wollen die Kammeroper klein halten, nie mehr als 400 Zuschauer, mit einer Transparenz im Orchester und mit den Sängern. Diese Intimität ist eigentlich das wesentliche Anliegen.

Du hast ja ganz anders angefangen, in großen Häusern …

Ja, ich bin seit meinem 15 Lebensjahr beim Theater. Mein erster Job war Garderobier in der Oper Frankfurt. Das habe ich so bis 19, 20 gemacht und habe dann als Regieassistent gearbeitet. Das war gerade die Zeit, als man angefangen hat, die Opern auf Italienisch zu bringen. Vorher war es noch üblicher, übersetzte Texte zu singen. Aber von damals weiß ich eben, wie das für die Sänger war. Ich habe die Chorleute oder Solisten gefragt, ob sie wissen, was sie da singen. Die meisten wussten es nicht.

Ich dachte immer, dass Sänger sich schon mit dem was sie singen auseinandersetzen, also auch inhaltlich …

Ja, aber meistens nur so grob. Es gibt natürlich diese und jene, aber die meisten haben das damals nicht getan. Der Text wird anders gelernt, über die musikalische Linie, aber nicht inhaltlich. Aber das ist ja genau das, was mich interessiert! Das Kleinteilige! Und wenn das nicht Grundlage des Spiels ist, ärgert mich das! Ja, und dann dieses Herumstehen auf der Bühne! Die stehen da manchmal wie am Busbahnhof und warten auf ihren Einsatz! Ich versuche die Handlung immer auch musikalisch zu rechtfertigen. Die musikalische Dramaturgie in einem Stück enthält das alles, da sind Pausen drin und Gänge, und das hat alles seinen Sinn.

Foto: Wolfgang Fuhrmannek

Hattest du jemals das Gefühl, mit der Kammeroper nicht ernst genommen zu werden? Oder spielt das überhaupt eine Rolle für dich?

Nein, ich habe es ja ernst genommen! Und meine Ensembles und meine Zuschauer auch. Es gibt immer Leute, die sehr abschätzig über Komödien reden, die denken, dass das genau wie Boulevardtheater ist. Ist es aber nicht, es hat im Gegenteil eine sehr kunstvoll gemachte Struktur in der Musik.

Ich gebe auf solche Kritik nicht so viel, aber ja, es verletzt einen natürlich schon irgendwie.

Ich mag an den großen Häusern die Show drum herum. Also die Pause!

Foto: Kutschera

Oh ja, es gibt ein Stück, das handelt nur von Theaterpausen. Aber das stört mich halt total. Und auch dieses Drumherum was im Foyer abgeht, wenn da die goldene Schuhparade ist. Das ist mir zu blöd. Ich bin auch schon lange nicht mehr da gewesen. Ich bin ja nicht dagegen, aber ich lebe einfach in einer anderen Welt. Die großen Häuser sind zu groß für den Anspruch der Intimität den ich habe.

Das hört sich alles sehr idealistisch an. Kann man sich sowas heute noch leisten?

Finanziell brauchen wir da gar nicht drüber reden! Man kann Opern nicht mit Geld rechnen. Aber es geht ja um die Sache, es geht um die Oper. Und im Ensemble haben alle dieses Fieber, Oper zu machen. Und diese Energie kommt dann auch auf der Bühne rüber. Das ist dann so eine direkte Peng-Peng-Situation!

Die verkehrte Braut“ ist noch bis 17.8. im Musikpavillon Palmengarten, Palmengartenstr. 11, Frankfurt, zu sehen, www.kammeroper-frankfurt.de

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