Eine Außenseiterin bei Hofe

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Foto: Birgit Hupfeld

Am Schauspiel Frankfurt ist Regisseurin Mateja Koležnik eine bildgewaltige, klug durchdachte Inszenierung der Tragikomödie „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ von Witold Gombrowicz geglückt; im November gibt es an drei Abenden die Möglichkeiten, das abgründige Werk zu erleben.

Jede Gesellschaft definiert sich über Konventionen, Gebote und Tabus, durch die innerer Zusammenhalt und Identität geschaffen wird. Ä ußere Einflüsse gefährden die Stabilität der Gesellschaft und werden entweder akzeptiert und integriert oder abgelehnt und bekämpft. Die Ankunft einer jungen Frau am Hofe von König Ignaz ist ein solcher äußerer Einfluss, mit dem es umzugehen gilt. Denn im Regelwerk der höfischen Etikette h at sie keinen Platz, passt in keine Schublade. Sie sagt und tut nichts, sie ist einfach nur da, und stößt damit durch ihre bloße Existenz jeder Person vor dem Kopf. Prinz Philipp unternimmt den Versuch, der Frau eine Identität überzustülpen, nennt sie Yvonne, fühlt sich sogar derart herausgefordert, dass er sich mit der „Burgunderprinzessin“ verlobt. Doch vergebens: Yvonne lässt sich weder freundlich, noch mit Gewalt ins gesellschaftliche Korsett zwingen. Im makrokosmischen Organismus bleibt sie ein ärgerlicher, gar gefährlicher Fremdkörper, der ausgerottet werden muss, um die Ordnung wiederherzustellen.

Mateja Koležnik kleidet die märchenhaft anmutende Handlung in eine bewusst überzeichnete, abstrahierende und damit zeitlose Bildwelt. Die markante Bühnenkonstruktion von Raimund Orfeo Voigt mit zwei sich ineinander drehenden Ellipsen steht isoliert im sonst nackten, schwarzen Raum – Sinn- und Spiegelbild einer abgeschotteten Gesellschaft, die nur um sich selbst kreist. Hier gibt es nichts als geordnete Leere und grellen Schein, dem jede Wärme fehlt. An der blitzblanken Oberfläche wird geknickst, stolziert und geplaudert, Komplotte werden indes im finsteren Abgrund geschmiedet, wohin man rattengleich dem Ausgeliefertsein entflieht. Bei Hofe folgt alles der Etikette, dementsprechend uniformiert und choreografiert wird stets der eitle Schein bewahrt – Matija Ferlin entwarf punkig-barocke Unisex-Roben und tänzelnde, fast schwerelose Bewegungschoreografien, die famos mit der Exaltiertheit des Textes korrespondieren.

Foto: Birgit Hupfeld

Alle Stilmittel greifen sinnvoll ineinander und ergeben ein geschlossenes Ganzes, Koležnik bietet dem Publikum durch diesen sehr abstrakten Zugriff genug Projektionsfläche zur eigenen Analyse, ohne durch zu eindeutiges Psychologisieren eine klare Wertung vorzunehmen. Denn obwohl keine der Figuren sympathisch ist oder zur Identifikation einlädt, findet man sich durchaus wieder in den ambivalenten Reaktionen auf die Taten – oder vielmehr Unterlassungen – der Außenseiterin Yvonne.

Die Distanz zu den handelnden Personen, am Schauspiel Frankfurt durchweg glänzend besetzt und dank bühnentechnisch notwendiger Verstärkung stets gut zu verstehen, erleichtert es dem bissig-groteken Humor, sich zu entfalten. „Yvonne“ ist freilich keine ausgesprochene Komödie, vielmehr ein absurdes Drama, doch dank der leichtfüßigen Inszenierung und der dankbaren Laufzeit bleibt der Abend auch für jene unterhaltsam und grimmig-amüsant, die weniger Lust auf eine intellektuelle Aufarbeitung als vielmehr auf einen packenden Theaterabend haben.

6.11., Schauspiel Frankfurt, Willy-Brandt-Platz, Frankfurt, 19:30 Uhr, weitere Vorstellungen: 15. und 26.11., 19:30 Uhr, www.schauspielfrankfurt.de

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