Immer innovativ sein

by

Foto: Vero Bielinski

„leonid matthias“ nennt sich das Frankfurter Modelabel, das seit 11 Jahren detailverliebte Bekleidung und Accessoires für Damen und Herren schneidert. Die Macher sind Leonid und Matthias, die zwar beide Maßschneider sind, für ihr Label aber eine Arbeitsaufteilung pflegen: Leonid ist der Designer, Matthias der Organisator. Wir haben die beiden in ihrem Fashion-Store in Sachenhausen zum Interview getroffen.


Leonid, deine Entwürfe sind lebendig und verspielt – wie würdest du deine Kollektionen selbst beschreiben?

Leonid: Wir sind sehr detailreich. Die Mode liegt nicht nur in der Silhouette sondern auch in den liebevollen Details. Die entdeckt man vielleicht erst auf den zweiten Blick, eine versteckte Tasche oder eine kleine Asymmetrie im Kragen. Dieser Überraschungseffekt muss immer dabei sein. Lovely Details! Wir machen alles außer Basics. Denn Basics kannst du überall bekommen. Und wir machen auch keine Büromode, obwohl wir hier in Frankfurt sind.

Mein Dozent hat immer gesagt, wenn man Mode machen möchte, soll man entweder neue Lieder singen – oder gar keine. Man soll versuchen, immer innovativ zu sein.

Matthias: Unsere Sachen sind vom Schnitt sehr anspruchsvoll. Das wirkt auf dem Bügel oder an der Schaufensterpuppe nicht, sondern wenn man sie trägt. Erst dann kann man spüren, wie wunderbar sich das anfühlt, wie unsere Kreationen wirklich sind.

Leonid: Wir machen sehr durchdachte Schnitte, die dem Körper auch schmeicheln!

Foto: Igor Solovoy

Foto: Igor Solovoy

Gut zu wissen!

Leonid: Ja, wir haben immer wieder Kunden, die sagen, oh ja, ich habe ja einen echten Knackarsch in der Hose! Und da haben wir auch monatelang am Schnitt gearbeitet, bis wir das so hinbekommen haben!

Ihr macht ganz bewusst Damen- und auch Herren-Mode?

Leonid: Wir haben beides gelernt. Und wir sind ja auch beide Männer, und das ist unsere Leidenschaft. Von daher haben wir von vorneherein gesagt, wir wollen nicht nur Damenmode machen, auch wenn das einfacher ist. Bei Männermode kann man viel spielen. Eine Herrenhose ist viel schwieriger zu konstruieren als zum Beispiel ein Damenrock. Aber wir nähen so gerne, das macht uns gar nichts aus!

Matthias: Wir haben beide Damenmaßschneider gelernt. Es gibt ja auch den Herrenmaßschneider, was aber ein ganz anderes Fach ist. Aber wir haben die Grundlagen natürlich auch gelernt. Herrenmaßschneiderei ist eine höhere handwerkliche Kunst, schon allein, weil da sehr viel mit der Hand gearbeitet wird. Das denkt man gar nicht, weil man bei Damenmode immer an aufwändige Abendgarderobe denkt. Was auch ganz wunderbar ist, aber dennoch ist ein klassischer Herrenanzug noch immer die Meisterarbeit.

Foto: Vero Bielinski

Heute ist es ja wieder so, dass Labels oft wichtiger sind als die Mode an sich. Ist das noch die Idee von Mode?

Leonid: Das ist sehr schade. Denn keiner braucht Namen, man braucht einfach Stilsicherheit und Selbstbewusstsein. Man definiert sich ja durch die Persönlichkeit, die man in sich trägt, und Mode sollte die Persönlichkeit unterstreichen. Ich kann mich damit ausdrücken oder ich kann damit auffallen, aber man braucht eben keinen Labelnamen um ein Statement zu setzen.

Neben eurer eigenen Mode macht ihr auch viele Kollaborationen.

Leonid: Ja, wir machen sehr viel, weil ich denke, dass Mode allem obliegt. Egal ob das Kultur, Kunst oder Philosophie ist. Das hat alles mit Mode zu tun. Und wir machen viel, weil uns das Networking sehr wichtig ist. Man bekommt neue Eindrücke, lernt andere Personen kennen, und das tut auch unserer Arbeit gut. Wenn man immer nur sein Ding macht wird das langweilig, von daher sind wir immer gerne für alles offen.

Kannst du ein paar Beispiele nennen?

Leonid: Ja, zum Beispiel ist die 1912 in Offenbach am Main gegründete Fahrradmarke „Frischauf“ an uns herangetreten. Sie wollten die Fahrradmarke wieder ins Leben rufen. Es gab neben der ehemaligen Fahrradmarke auch Bekleidung, und nun sie brauchten eine komplette Modelinie, die sich an die historischen Schnitte anlehnt und gleichzeitig modern und tragbar sein soll und vom Jetzt lebt. Das war hochinteressant, diese historischen Skizzen umzusetzen und zu entwickeln. Wir haben den Zeitgeist von damals aufgegriffen und in den heutigen Zeitgeist übersetzt.

Zur Kommunalwahl haben wir ein Kleid aus Wahlzetteln gemacht, das wurde im Römer ausgestellt und später auch im Museum für Kommunikation Frankfurt. Für die Aktion des Grüne Soße Festivals zur Unterstützung in der Coronazeit für Frankfurter Künstler haben wir Masken entworfen und genäht und die kompletten zweitägigen Umsätze an das Unterstützungsprojekt gespendet. Das war uns wichtig, weil wir Kunst sehr schätzen – und das ist auch ein Teil unseres Netzwerks. Wir haben auch ein Teil unserer Aufträge während der Coronazeit an andere Ateliers weitergegeben, denen es nicht so gut ging, um sie zu unterstützen. Das ist auch Teil unseres Netzwerks. Und das macht ja auch Spaß und bringt Abwechslung.

Matthias: Aber unsere Mode bleibt unser Kerngeschäft, das ist uns wichtig!

Foto: Vero Bielinski

Im Sommer kommt die Fashion Week nach Frankfurt, ein großes Mode-Ereignis für die Region. Seid ihr dabei?

Matthias: Ja, für uns ist das eine wunderbare Sache. Wir hatten uns ursprünglich überlegt, nach Berlin auf die Messe zu gehen. Das wäre unser erstes Mal gewesen und mit einem Riesenaufwand verbunden gewesen. Und jetzt kommt die Modemesse zu uns! Das ist natürlich gigantisch!

Leonid: Die Idee, dass man so etwas in Frankfurt machen kann, gab es ja schon vor Jahren, und wir waren am Anfang auch bei den Vorbesprechungen der Stadt dabei. Wir haben schon ein bisschen gehofft, dass es irgendwann passieren wird. Und jetzt haben wir uns sehr gefreut.

Matthias: Wir werden voraussichtlich nicht nur in den Messehallen sein, sondern auch hier im Laden und an anderen Orten.

Leonid: Geplant ist, dass wir an drei Spots vertreten sein werden, mal schauen was daraus wird, weil noch niemand genau sagen kann, was zur Fashion Week passieren wird. Nicht nur wegen Corona. Wir sind in Kontakt mit der Stadt Frankfurt und sind als Locals beim Runden Tisch der Stadt Frankfurt dabei.

Mich wundert es trotzdem, dass die Fashion Week nach Frankfurt kommt, weil Frankfurt nicht primär für Mode steht – oder wird Frankfurt da mal wieder unterschätzt?

Leonid: Frankfurt hat eine Modegeschichte. Frankfurt war früher die Pelz-Stadt, wir hatten Toni Schiesser in den 50ern, die mit Haute Couture die High Society eingekleidet hat und eine der maßgebenden deutschen Designerinnen war. Wir hatten auch immer die Textilmessen in Frankfurt. Und es gab in letzter Zeit viele tolle Modeausstellungen in Frankfurt, wie die Jil Sander Ausstellung. Kostas Murkudis, Muslim Fashion oder zuletzt „Michelle Elie wears Comme des Garçons“ im Museum Angewandte Kunst.

Wir haben ganz tolle Sachen hier in Frankfurt, und wir merken bei den Ausstellungen und Events, dass das Interesse da ist. Und dort sieht man dann auch viele Leute, die richtig gut angezogen sind.

Natürlich ist Frankfurt nicht mit Berlin zu vergleichen, aber Berlin ist auch total übersättigt. Wir hatten uns deswegen früher gegen Berlin als Standort entschieden. Wenn wir dort zu Besuch waren und gezielt Jungdesigner shoppen gehen wollten, das war so viel, so unübersichtlich und leider auch teilweise sehr austauschbar. Frankfurt hat eine kleine Modeszene, ein paar sehr interessante Modelabels, die auch was zu sagen haben. Für Frankfurt wird das eine Riesenchance werden und es wird die Stadt in vielerlei Hinsicht beleben. Wir müssen jetzt als Frankfurter 100 Prozent geben, damit die Fashion Week gut läuft. Wir haben da echte napoleonische Pläne (lacht)!


leonid matthias, Walter-Kolb-Str. 5 –7 (Eingang Schulstraße), Frankfurt, www.leonidmatthias.com

Back to topbutton