Let’s make Hip-Hop gay again!

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Foto: Andreia Guedes, Illustration: Lucy-Sophie Witthoff

Der an der Mannheimer Popakademie studierende Ash M.O. alias Trashmaster Ash hat’s faustdick hinter den Ohren: Mit einer ordentlichen Portion queerem Selbstbewusstsein ist er der erste offen schwule Rapper der deutschen Hip Hop-Szene – und hält mit seinem Debutsong „Fatherfucking Hollywood“ samt deftigen Lyrics damit nicht hinterm Berg. Seine Botschaft: „Let’s make Hip Hop gay again“ – mit Betonung auf „again“. Ein Gespräch über Haltung und Realness.


Macho-Attitüde, Heterosex-Geprotze bis hin zu handfester Homophobie: Hast du als queerer Rapper jemals befürchtet, in deinem Genre nicht ernst genommen zu werden?

Nein, nicht wirklich. Ich muss sagen, dass es mir ziemlich egal ist, wer mich wie ernst nimmt. Ich mach mein Ding mit meinen Homies und Homettes. Diejenigen, die es stört, dass ich über Dicks rappe, sollten definitiv mal einen ausprobieren. Lifechanger! 

Dieses ganze Machogehabe von wegen “Frauen sind bitches, Homos und Transmenschen sind eklig” ist mittlerweile nur noch lächerlich. Kleine unsichere Jungs, die überkompensieren. Na, herzlichen Glückwunsch, dass du dir für dein Musikvideo nen Lambo mieten kannst und wahrscheinlich nen Faustkampf gegen mich gewinnst. Dafür schickt mir dein Bruder seine Nudes per Direct Message. I win!

Man muss dazu aber auch sagen, dass die Rap-Szene sowohl international als auch in Deutschland nicht nur aus Gangster Rapper*innen besteht. Gerade in den letzten Jahren hat sich einiges getan und es gibt viele Künstler und Fans, die wesentlich reflektierter und positiver mit dem Thema umgehen. Es muss grundsätzlich zwar noch eine ganze Menge passieren, aber mein Slogan heißt nicht ohne Grund: „Make Hip Hop gay again“. Die Zukunft des Rap ist queer. Isso. Und wenn ich dafür jedem einzelnen Rapper meine Twerk-Skills persönlich vorführen muss, opfere ich mich halt für’s Team.

Du sagt richtig, dass die Ursprünge des Rap und Hip-Hop ähnlich wie die queere Bewegung in einer unterdrückten Community lagen; warum gibt es heute immer noch so wenig geoutete Rap-Musiker?

Ich bin kein Kulturwissenschaftler, Sozio- oder Psychologe, deshalb kann ich darauf jetzt keine finale, wissenschaftlich fundierte Antwort geben. Es ist dennoch naheliegend, dass ein wichtiger Faktor die Ausgrenzung und Demütigung von queeren Menschen ist, die vor allem seit den frühen 80ern – irgendwann zwischen Old School und New School – im Hip Hop aufkam. In der ganz frühen Phase der Hip-Hop-Kultur ging es musikalisch mehr um Party und um das Entfliehen des Alltags, nicht um „Homo oder nicht Homo“. 

Als Rap angefangen hat sich zu politisieren und gesellschaftskritisch zu werden, ist Queerphobie leider ein Nebenprodukt gewesen. Nicht weil sie eine intrinsische Eigenschaft des Hip Hops ist, sondern weil Hip-Hop ein Spiegel der Gesellschaft ist. Battle-Rap hat in der Hinsicht sicherlich auch nicht sonderlich geholfen.

Dass ausgegrenzte und unterdrückte Minderheiten sich gerne andere Minderheiten zum Unterdrücken und ausgrenzen suchen, um sich ein Stückchen Status zurückzuholen, ist ja auch kein Geheimnis. Das findet man ja leider auch in der queeren Community wieder. 

Im Hip-Hop war die Rolle von queeren Menschen lange Zeit auf Punchlines oder Punchingbags zum Zweck der Überlegenheit reduziert. Dadurch haben sich wahrscheinlich nicht nur zahlreiche potenzielle zukünftige Rapper*innen abgekehrt, sondern auch viele potenzielle queere Rap-Fans.

Ich selbst bin Beispiel für jemand, der Hip-Hop immer über alles geliebt hat. Als ich angefangen habe Musik zu machen, habe ich nicht einmal daran gedacht, dass ich auch rappen könnte. Ich glaube, dass mir mein Unterbewusstsein suggeriert hat, dass dies keine Option für jemanden wie mich sei, auch ohne, dass ich bewusst darüber nachgedacht habe. 

Es ist dennoch auch wichtig zu sagen, dass ich zwar anscheinend der erste und derzeit einzige offen schwule Rapper in Deutschland bin, aber es international eine kleine, sehr feine und stetig wachsende Szene an schwulen Rappern gibt. In der Oberkategorie queere Rapper*innen gibt es da nochmal mehr. Eine Handvoll auch hier in Deutschland. 

Man sollte auch nicht vergessen, dass es in anderen Bereichen unserer Gesellschaft nicht anders aussieht. Ich musste überhaupt erst auf meinen Plan B, den Rap, zurückgreifen, weil mein Plan A, Spieler-Mann eines Fußballnationalspielers, aus Mangel an geouteten Kandidaten nicht umsetzbar war. 

Foto: Andreia Guedes, Illustration: Lucy-Sophie Witthoff

Dein Debütsong „Fatherfucking Hollywood“ hat auf den ersten Blick keine „Fight for your rights“-Parolen – oder steckt der gestreckte Mittelfinger im Detail? Immerhin ist dein Text wichtig, denn du hast ihn als Lyric-Video veröffentlicht.

Wer sich ein wenig mit Hip Hop und insbesondere Rap beschäftigt hat und sich dann „Fatherfucking Hollywood“ anhört, der wird die Frage denke ich sehr schnell für sich selbst beantworten können. Ich sag nur soviel: Es war eine sehr bewusste Entscheidung genau diese Single als erstes zu veröffentlichen.

Wer sind deine Helden?

Das ist bei mir tatsächlich tagesformabhängig. Aber ein paar meiner „Alltime Faves – I want to be you when I grow up“-Kandidat*innen im Hip-Hop-Bereich, zu denen ich immer zurückkomme, sind: Beyoncé – wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich lieber der deutsche Jay-Z, Kanye & Drake des Rap-Games werden wollte, oder die männliche Beyoncé, wäre die Antwort ganz klar: „Sorry boys: To the left, to the left!”. Tic Tac Toe sind OGs und der Grund, warum ich als Kind angefangen habe Hip Hop zu hören, das gleiche gilt für Sabrina Setlur – plus: „Go Frankfurt!“. Nicki Minaj – Queen! Keine Diskussionen! Lizzo – thank goddess she exists! K. Flay – Bad Ass, Lauryn Hill – Queen! Chika – Newcomer, aber jetzt schon Perfection af. Quay Dash – Killer! Und Brooke Candy – Perfection, plus Queer Idol!

Was hat es mit deinem Nickname „trashmaster Ash“ auf sich?

Das ist eine Frage, die sich meistens von selbst erledigt, wenn man mal etwas Zeit mit mir verbracht hat. Sagen wir mal so: „A classy Lady I am not“, und ich würde mich wundern, wenn ich noch im Testament meiner Eltern stehe. 

Privat war ich schon immer für viele der „naughty Friend“. Der, mit dem es definitiv nicht langweilig wird, aber den man lieber nicht mit auf Familienfeiern nehmen sollte. Außer man will, dass Opa nen Lapdance bekommt.

Was Ash M.O. angeht, bevorzuge ich eine hochwertige Sound- oder Bild-Ästhetik, aber inhaltlich muss schon eine ordentliche Portion Trashy-Goodness mit rein. So nach dem Motto: Twerken auf ner Beerdigung, im Anzug! Ist es angemessen? Fuck no! Ist es unterhaltsam und kann sich sehen lassen? You bet your ass!

Zusätzlich ist der Nickname an Grandmaster Flash angelehnt, einen der Pioniere des frühen Hip Hops. Er hatte einen fast wissenschaftlichen Ansatz, war Vorreiter und hat damals das DJing revolutioniert. Ein wahrer Meister in seinem Feld. Ich finde egal was man macht, man muss den Anspruch haben es voll und ganz zu machen. Deshalb gilt für mich, warum nur slightly trashy sein, wenn man ein Trashmaster sein kann?

Deine Botschaft an die Community?

Es wird Zeit, dass endlich endgültig zusammenkommt, was zusammengehört. Die ersten Schritte sind schon längst von dopen Künstler*innen und deren Fans getan, aber es fehlen noch einige. Hip-Hop-Kultur und queere Kultur basieren in vielen Punkten auf den gleichen Prinzipien: Mensch macht aus Unterdrückung und einer Scheißsituation etwas Schönes, Eigenes, Neues. Die Kultur der Mehrheitsgesellschaft will uns nicht, also formen wir unsere eigene. Mit eigener Sprache, eigener Kunst, eigenen Ausdrucksformen. Wir sind Euch zu tuntig? Wir machen’s noch tuntiger! Ihr findet uns zu Ghetto? Wir zeigen euch Ghetto! Ballroom Kultur, Drag, Throwing Shade auf der einen Seite, Block Partys, überspitzte Männlichkeitsbilder, Rap Battles auf der anderen. Es gibt unzählige Parallelen.

Was die queere Kultur und Historie für mich so wunderschön und einzigartig macht ist vor allem der Humor und positive Kampfgeist trotz oft unmenschlicher Behandlung und Zustände. Beispiel Stonewall: Cancan-Tanz auf der Christopher Street während gewaltsamen Ausschreitungen mit der Polizei. Von dieser genialen Selbstironie kann Rapmusik an einigen Stellen noch viel mehr gebrauchen. 

Also Boys, Girls, Non-Binary and Gender Nonconforming Friends: Join my Gayborhood and let’s do it! Let’s Make Hip Hop Gay again and have a trashy ass time doing it.


Ash M.O.s Debut und Lyricvideo „Fatherfucking Hollywood“ ist auf allen gängigen Plattformen erhältlich. Mehr Infos über www.trashmasterash.comoder unter dem Nickname „trashmasterash“ auf Instagram, Facebook und Twitter.

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