Lizzo: Loud and proud

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Foto: Warner Music

Die Rapperin, Sängerin und Aktivistin ist zum Weltstar und einer der wichtigen Stimmen ihrer Generation gereift. Mit ihrem neuen Album „Special“ sorgt Lizzo jetzt aber erst einmal für den Soundtrack zu einem hoffentlich herrlichen Sommer.

Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass Lizzo die äußeren Insignien ihres monumentalen Erfolgs der vergangenen drei Jahre unter den Teppich kehren würde. Als wir zum Video-Interview verabredet sind, sitzt die – natürlich fabulös gelaunte – Künstlerin vor einer Schrankwand, aus der links des Kopfes drei Grammy-Awards hervorlugen. „Ich bin gerade im Haus von Quincy Jones“, scherzt Lizzo zwar in Anspielung auf den legendären Superproduzenten von Michael Jackson und vielen anderen, der es in seiner Karriere auf bislang 28 Grammys brachte. Aber das stimmt natürlich nicht. Lizzo hockt in ihrem Eigenheim in den Hollywood Hills, und die Auszeichnungen, es sind ihre eigenen – und die soll ruhig jeder sehen. „Ich hatte es zu Anfang meiner Laufbahn nicht darauf angelegt, auch nur einen einzigen Grammy zu gewinnen“, sagt sie. „In mir loderte der Ehrgeiz, Musik zu machen, hinter der ich selbst absolut stehe und mit der ich anderen Menschen ein Supergefühl geben kann. Die Auszeichnungen sind eher das Symptom meiner Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit und Entschlossenheit.“

Foto: Warner Music

Lizzo, geboren vor 34 Jahren als Melissa Viviane Jefferson in Detroit, als Kind klassisch ausgebildete Flötistin, später Mitglied in R&B- und Rap-Gruppen und nach Umzügen nach Houston und Minneapolis nun also in L.A. residierend, hat seit 2019 eine der atemberaubendsten Pop-Karrieren der letzten Jahrzehnte hingelegt. Jahrelang rannte sie – ambitioniert, talentiert aber oft glücklos – gegen geschlossene Türen im Showgeschäft. Um dann, 2019 mit ihrem Album „Cuz I Love You“ sowie den Singles „Juice“ und insbesondere „Truth Hurts“ zu realisieren, dass die Türen plötzlich alle offenstehen. Also rannte sie durch. „Unsere Gesellschaft“, so Lizzo, „hat lange nicht dazu tendiert, dicken, schwarzen Mädchen besonders viel zuzutrauen. Ja, es hat Kraft erfordert, mich durchzusetzen. Die Wahrscheinlichkeiten standen nicht auf meiner Seite. Ich denke, ich konnte einige Stereotypen beseitigen. Aber am Ziel einer gleichberechtigten Gesellschaft sind wir noch lange nicht angekommen.“

Lizzo ist längst nicht nur eine verdammt begabte Sängerin, Songschreiberin und Rapperin, sie ist auch eine der wichtigsten Aktivistinnen weltweit für Vielfalt, Gleichberechtigung, Body Positivity, Mental Health und – sich selbst keiner festen sexuellen Identität zuschreibend – die Interessen der LGBTIQ*-Gemeinde. - Das „Time“-Magazin hat Lizzo sogar auf der Titelseite seiner „Frauen, die die Welt verändern“-Ausgabe gedruckt. Wie, aus deiner Sicht, hat du denn die Welt verändert, liebe Lizzo?  „Indem ich mich nicht habe aufhalten lassen, meine Bedürfnisse zu befriedigen. Und du darfst dich nicht abspeisen und dir deine Visionen nicht von sogenannten Entscheidungsträgern kaputtreden lassen. Ich brauche kräftige Mädchen für meine TV-Casting-Show „Lizzo’s Watch Out for the Big Grrrls“? Also überzeugte ich Amazon Prime, meine Vision umsetzen zu können. Ich bin überzeugt, dass jede Körperform sexy ist? Ich ließ nicht locker, bis ich eine Bekleidungsfirma fand, die meine Shapewear-Philosophie teilt. Ja, ich bin laut, ich bin stolz, ich habe eine Stimme, und diese Stimme will ich nutzen, um Menschen zu inspirieren und zu ermutigen, ihr Leben zum Positiven zu verändern.“ Auch auf dem neuen Album „Special“ klingt Lizzo ungemein inspirierend und motivierend. Die erste Single „About Damn Time“ holt die Menschen mit frischem Discosound auf die endlich wieder geöffneten Tanzflächen. Und der neueste Hit „Grrrls“ (Lizzo ist offenbar vernarrt in diese Schreibweise, ihr zweites Album hieß 2015 „Big Grrrl Small World“) bietet kross gebrutzelte Frauenpower auf exakt zwei Minuten Länge. „Die Songs auf der Platte sind sehr unterschiedlich, aber eines haben sie gemeinsam“, sagt Lizzo. „Ich will unbedingt, dass sie den Menschen Freude bringen.“  *Interview: Steffen Rüth

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