Interview • 25 Jahre AIDS-Seelsorge Hamburg

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Ein Vierteljahrhundert evangelisch-lutherisches Engagement für HIV-Positive und an AIDS Erkrankten. Das feiert das Projekt „positiv leben&lieben – AIDS-Seelsorge“ dieser Tage. hinnerk sprach mit dem aktuellen „AIDS-Pastor“ Thomas Lienau-Becker über seine Arbeit.

Du bist jetzt ein gutes halbes Jahr der – vor 25 Jahren noch AIDS-Pastor genannte – für die AIDS-Seelsorge verantwortliche Pastor. Kannst Du schon ein erstes Resümee ziehen?

Ich finde es klasse, hier zu arbeiten. Ich bin ja mit der Szene vor Ort vertraut und finde die Menschen hier großartig. Natürlich testen einige erst mal etwas vorsichtig an, ob der Neue auch vertrauenswürdig ist und was man mit dem so bereden kann. Das ist denke ich völlig normal. Ich erlebe aber auch unglaublich viel Interesse an unserer Arbeit aus der Szene und dem Stadtteil. Es macht einfach Spaß.

Die AIDS-Seelsorge ist Dir aber nicht neu, Du kanntest das Projekt vorher schon?

Ich kenne das Projekt schon seit seiner Gründung, habe aber eine Zeit lang nicht in Hamburg gelebt.

Hat sich die Arbeit, hat sich die Zielgruppe in den 25 Jahren verändert? Das Bild von HIV hat sich ja glücklicherweise enorm verändert.

Anfangs war es eine Krankheits- und Sterbebegleitung. Rainer Ehlers hat viele, sehr viele Trauerfeiern gehabt. Nachdem die gut wirksamen Medikamente kamen, heißt es jetzt, Menschen mit HIV zu begleiten. Deswegen haben wir auch den neuen Namen „positiv leben&lieben“. Wir wollen nicht mehr die Unterschiede zwischen Infizierten und Nichtinfizierten herausstellen, sondern bemühen uns, dass sich Positive und Negative gemeinsam und gegenseitig unterstützen. Was ich toll finde ist, dass die Kirche diese Stelle zu einer Zeit geschaffen hat, als viele Menschen mit HIV sehr schnell erkrankten und starben, aber diese Stelle jetzt, wo man mit HIV fast unbeeinträchtigt leben könnte, aufrechterhält. Denn das Leben mit HIV ist leider nach wie vor nicht so einfach, wie es sein könnte. Dabei zu helfen, ist jetzt unsere Aufgabe.

Foto: AIDS-Seelsorge Hamburg

Kannst Du das vielleicht anhand konkreter Beispiele anschaulicher machen? Gibt es sozusagen ein typisches Problem?

Foto: AIDS-Seelsorge Hamburg

Ganz viele HIV-Positive haben finanzielle Probleme. Deswegen, weil sie wenig fürs Alter vorgesorgt haben, wenn sie schon lange infiziert sind. Sie haben in ihren jungen Jahren ihr Leben einfach nicht planen und gestalten können oder es einfach nicht gemacht, weil sie gar nicht damit gerechnet haben, dass sie überhaupt jemals Mitte dreißig oder vierzig werden. Viele haben eine ausgesprochen schlechte soziale und Altersvorsorge. Das ist leider ein wirklich großes Problem – verursacht durch HIV. Ein weiteres großes und problematisches Thema ist die psychische Verfassung, sind Depressionen. Leider erfahren HIV-Positive immer noch in hohem Maße Ablehnung und Ausgrenzung, also das Gegenteil von dem, was wir hier machen.

Hast Du eine Idee oder einen Wunsch für die kommenden 25 Jahre?

Ich wünsche mir sehr, dass Menschen mit HIV im Alter eine gute Wohnsituation und Betreuung finden. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe für uns – wir haben bereits Wohnprojekte, mit denen wir kooperieren. Wir hoffen, viele Menschen mit Wohnraum unterstützen zu können. Ein anderer Schwerpunkt ist und wird die Begleitung HIV-positiver Geflüchteter, die teilweise auch aus ihren eigenen Communitys besondere Diskriminerungserfahrungen erleiden.

*Interview: Christian Knuth

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