Versprochen, gehalten: Gesetz zum Verbot von gefährlichen Pseudotherapien vorgelegt

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„Schon der Begriff Therapie ist irreführend. Wir wollen sogenannte Konversionstherapien soweit wie möglich verbieten. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund. Und ein Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: es ist ok, so wie du bist.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn


Eine gute Nachricht aus dem Bundestag: Gesundheitsminister Jens Spahn hat wie versprochen vor dem Winter einen Gesetzesentwurf zum Verbot sogenannter Konversionstherapien vorgelegt.

26 Seiten umfasst der Referentenentwurf für das „Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz“, das von Spahns Gesundheitsministerium nun vorgelegt wurde*. Es orientiert sich maßgeblich am Gutachten der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, das im September fertig wurde und geht weiter, als viele erwartet hatten. 

Grafik: Stinger20 / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Idendität

Die Wortwahl ist entscheidend, denn zunächst hatten vorallem Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität oder die Bundesvereinigung Trans* nach diesbezüglichen Äußerungen Spahns befürchtet, dass das Gesetz ausschließlich den sogenannten Schwulenheilern das gefährliche Quacksalberhandwerkwerk legt. Der vorliegende Entwurf stellt aber neben „Heilungsversuchen“ der sexuellen Orientierung auch Versuche unter Strafe, die sogenannte geschlechtliche Identität zu „heilen“, die einem Willensmangelunterliegen, was bedeutet, durch Täuschung, Irrtum, Zwang oder Drohungen beeinflusst sind. Diese Bedingung gilt für Personen ab einem Alter von 16 Jahren, davor werden Konversionsverfahren grundsätzlich verboten.

Strafrecht statt Berufsrecht

Eine wichtige Forderung queerer Menschen war die Art der Bestrafung. Nur berufsrechtliche Maßnahmen würden im Zweifel ohne nennenswerte Folgen für die Behandler und ohne gesellschaftliche Folgen bleiben. Dem genügt der Gesetzesentwurf, indem er Haftstrafen von bis zu einem Jahr vorsieht, die nicht nur für Ärzte und Therapeuten gelten, sondern in Ausnahmefällen sogar für Eltern, die die Homosexualität ihrer Kinder nicht akzeptieren und schädlich zu beeinflussen suchen. 

Verbot von Werbung

Einen zweiten Ansatz zur Verhinderung der Konversionsverfahren macht Spahns Entwurf mit einem Werbeverbot. Gegenüber Jugendlichen ist jegliches Bewerben, Anbieten und Vermitteln untersagt, bei allen anderen die öffentliche Werbung sowie ebenfalls die Vermittlung. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann. Ausführende Instanz für diese Verfahren soll die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung werden. 

Ausnahmen: Transsexualität, Exhibitionismus und Pädosexualität

Behandlungen gegen Störungen der Sexualpräferenz wie Exhibitionismus und Pädophilie bleiben von dem Gesetz ausgenommen, genauso wie Therapien zur biologischen Angleichung des Körpers an das selbst wahrgenommene, eigentliche Geschlecht.

Kritik und Lob (wird fortlaufend aktualisiert)

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

In ersten Reaktionen meldeten sich unter anderem die Grünen zu Wort, die schon 2013 einen ersten Entwurf zum Verbot der Verfahren in den Bundestag einbrachten. Die Sprecherin für Queerpolitik der Grünen, Ulle Schauws lobte unter Verweis das langjährige und bis jetzt erfolglose parlamentarische Verfahren den Entwurf, mahnte aber auch Nachbesserungen an: 

„Bei 16- bis 18-Jährigen soll das Verbot nicht greifen, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: Die/Der Behandler/in muss den Nachweis erbringen, dass die behandelte Person die notwendige Einsichtsfähigkeit über Tragweite und Risiken der Behandlung verfügt. Da in der Praxis Jugendliche u.a. von ihren Eltern unter enormen Druck gesetzt werden könnten, würde eine solche Regelung an der Realität vorbei gehen. Daher muss der Gesetzentwurf im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens nachgebessert und diese Ausnahme gestrichen werden. Als Grüne sagen wir unsere konstruktive Mitarbeit in den Ausschüssen des Bundestages zu.“


Foto: https://jbrandenburg.abgeordnete.fdpbt.de

Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion mahnte eine schnelle parlamentarische Befassung an, hatte er doch erst am 24. Oktober eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, wann mit dem versprochenen Gesetzesentwurf zu rechnen sei:

Der versprochene Zeitplan lässt sich jetzt schon nicht mehr halten.  Jens Spahn muss den Referentenentwurf jetzt endlich vorlegen und die parlamentarischen Beratungen schnellstmöglich anstoßen. Die menschenverachtenden Konversionstherapien müssen noch Anfang 2020 verboten werden. Konversionsverfahren sind ein schwerer Eingriff in die persönliche Selbstbestimmung. Was keine Krankheit ist, kann man nicht heilen."


Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. (ATME) bemängelt vorallem die im Gesetz fortgeschriebene Definition von Geschlecht als Idenditätsfrage, die bestehende Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung festigen. Skeptisch sehe man 

„die mögliche Verengung medizinischer Hilfe auf ein psychiatrisches Gatekeeping-System, das an sich selbst bereits Umpolung darstellt, da beispielsweise Mädchen vermutlich nur dann medizinische Hilfe erhalten sollen, wenn sie dem Tenor der Gender-Identitäts-Lobby folgen und bereit sind, sich zu biologischen Jungs erklären zu lassen. ... Menschen [sollen] in ihrem Geschlecht anerkannt werden und sich nicht anhören müssen, das was sie hätten, sei eine vom 'biologischen Geschlecht' abweichende Geschlechtsidentität! Wir wollen freie Arztwahl und ein Ende des psychiatrischen Gatekeeping-Systems!"


*die Verlinkung wurde nachträglich eingefügt, der Artikel beruhte auf einer bis dahin nicht offiziellen Gesetzesvorlage

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