#Interview: Lutz Johannsen zu 35 Jahre AIDS-Hilfe Hamburg

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Foto: Mohammad Alzabadi Photography

Das Jubiläum der HIV-Selbsthilfeorganisation wurde im Sommer ausgelassen mit einer großen Party gefeiert. Dass selbst Hamburgs 1. Bürgermeister Peter Tschentscher (Foto) mit dabei war, ist Indiz dafür, was die Aids-Hilfe Hamburg in den 35 Jahren seit Gründung alles erreicht hat und welchen Stellenwert ihr Tun in der Stadt genießt.

Wir sprachen mit Lutz Johannsen, Mitglied des Aufsichtsrats der AIDS-Hilfe Hamburg e.V. und Vorstandsvorsitzender der Hamburgischen Regenbogenstiftung über die Vergangenheit und was aktuell getan wird, um den massiven Veränderungen in der HIV-Prävention gerecht zu werden.

Warum bist du vor 30 Jahren bei der Aids-Hilfe gelandet?

Viele meiner Freunde sind damals krank geworden, sehr viele auch gestorben. Ich hatte sehr viel Glück und wollte etwas tun. Die Politik hat uns damals im Stich gelassen und es war klar: Wenn wir den Arsch nicht selber hochbekommen, wird uns keiner helfen. Also bin ich zur damals fünf Jahre alten Aids-Hilfe und habe als Buddy Menschen mit HIV begleitet.

Es gab 1989 noch keine Antiretrovirale Therapie. Was konntet ihr überhaupt tun?

Wir haben versucht Informationen zu sammeln und zu verbreiten. Das Internet gab es noch nicht, also haben wir gefaxt, kopiert und Informationen über HIV so überhaupt ersteinmal unter die Leute gebracht: Was ist das für eine Krankheit, wie bekommt man die, wie kann man sich schützen. Gleichzeitig haben wir Betroffene unterstützt: Behördengänge mit ihnen gemacht, Arztbesuche und leider auch in vielen, sehr vielen Fällen die letzten Wochen und Tage ihres Lebens geplant und erlebt.

Beide Schwerpunkte eurer Tätigkeit habt ihr in eigene Projekte professionalisiert …

… ja. Ich hatte den Verein „Big Spender“ gegründet, um Gelder für Prävention und Versorgung zu sammeln. Mit 100.000 D-Mark Anschubfinanzierung konnte so unser Projekt Hamburg Leuchtfeuer als Sterbehospiz für HIV-Positive unterstützt werden, das später als Verein eigenständig wurde. Hein & Fiete mit dem Schwerpunkt Prävention für schwule und bisexuelle Männer ist auch aus der Aids-Hilfe hervorgegangen. Insgesamt haben wir damals mit „Big Spender“ über eine Million D-Mark akquirieren und nutzen können.

Gibt es etwas, was du mit einem besonderen Gefühl betrachtest rückblickend?

Dass Menschen mit HIV heute teilweise nur noch eine Tablette am Tag nehmen müssen und ein annähernd normales Leben führen können. Es gab Zeiten, da gab es keinerlei Therapieoption, dann eine lange Zeit, in der HIV-Positive bis zu 30 Tabletten täglich nehmen mussten, die auch noch nach einem strickten Zeitplan getaktet. Wir haben damals als Buddys zur Seite gestanden, damit das überhaupt funktioniert. Ja. Der medizinische Fortschritt ist der größte Segen, wenn ich so zurückschaue.

Foto: Mohammad Alzabadi Photography

Was ist denn zurzeit das wichtigste Thema bei euch?

Die Bildung zu sexuellen und geschlechtlichen Themen bei Jugendlichen und Migranten ist unser aktueller Hauptfokus. Die Verstetigung und Verbesserung des Wissens dazu betrifft aber alle Alters- und Bevölkerungsgruppen. Das wird uns weiter begleiten.

Was meinst du konkret?

Wir haben trotz HIV und Aids vor 35 Jahren freier gelebt. Ich empfinde den Rolleback, den Rechtsruck in der Gesellschaft als drängendstes Problem, auch in der HIV-Prävention. Wir werden weiter gegen Stigmatisierung und für sexuelle wie geschlechtliche Selbstbestimmung eintreten müssen und dies auch tun. Auch unabhängig von HIV gab und gibt es für uns viel zu tun, um sexuelle Gesundheit für alle Menschen zu erreichen.

*Interview: Christian Knuth


NEU!

Foto: Valery Pearl

Wegen des starken Interesses an der PrEP hat die Aids-Hilfe Hamburg einen PrEP-Check eingerichtet. Ohne Anmeldung und anonym kannst du dich montags und dienstags zwischen 17 und 19 Uhr ausführlich beraten lassen. Für 35 Euro können sogar alle notwendigen Untersuchungen vor Ort vorgenommen werden (HIV-Test, Syphilis-Test,

Chlamydien- und Gonokokken-Test, Nierenfunktionscheck). Auf Wunsch werden die Untersuchungsergebnisse in einem PrEP-Check-Heft dokumentiert, um mit der verschreibenden Ärzt*in alles Weitere besprechen zu können.

AIDS-Hilfe Hamburg, Lange Reihe 30 – 32, Bushaltestelle Gurlittstraße, www.aidshilfe-hamburg.de

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