Interview • Sven Ratzke ist Hedwig

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Endlich. Jetzt, nach 28 Jahren, ist Hamburg endlich reif für „Hedwig and the Angry Inch“. Am Broadway vor zwei Jahren noch einmal mit vier Tony Awards ausgezeichnet, wird das Stück jetzt von Sven Ratzke an die Reeperbahn gebracht. hinnerk erreichte den „Starman“ zwischen Tür und Angel in Amsterdam, wo er gerade kurz Luft holte, denn inzwischen ist er weltweit auf Tour, unter anderem im renommierten Sydney Opera House, beim Edinburgh Festival, in Joe’s Pub in New York, De Kleine Komedie in Amsterdam oder beim Adelaide Cabaret Festival, um nur einige zu nennen.

Foto: Dennis Veldman

WER IST HEDWIG?

Sie kommt aus Ost-Berlin, genauer ist sie ja keine sie, sondern ein Zwischenwesen, weil die geschlechtsumwandelnde OP misslingt. Sie zieht kurz vor der Wende mit einem Amerikaner in die USA. Dort wird sie betrogen, lernt aber einen neuen jungen Mann kennen, mit dem sie Musik schreibt. Wie es die Dramatik will, wird er damit zum Rockstar, und ihr bleibt nur, mit ihrer abgeranzten Punkrockband hinter ihm herzureisen. Dabei erzählt sie ihre Lebensgeschichte. Das Publikum erlebt also ein Rockkonzert mit ihrer Geschichte zwischen Mann und Frau und Rock und Cabaret.

IST DAS THEMA TRANS* UND INTER FÜR EUCH DER GRUND, DAS STÜCK ZU BRINGEN?

Nein. Das Gesellschaftspolitische ist für uns nicht das zentrale Thema. Es geht eher um die emotionale Seite der Geschichte. Um die Suche nach Liebe, so kitschig und schlagermäßig das klingen mag. Das macht, glaube ich, unter anderem den weltweiten Erfolg des Stückes aus. Dass es nicht nur die Queercommunity bewegt, sondern sich sogar Hausfrauen „Hedwig“ auf den Arm tätowieren. Ich denke, dass die besondere Form der Produktion sowohl das Publikum als auch mich als Perfomer reizt. Es ist kein Theater, es ist aber auch keine Show. Um noch mal auf die Frage zu kommen: Natürlich ist das Thema inzwischen nicht mehr unter dem Tisch, sondern sogar auf Covern von Vogue oder Vanity Fair. Das ist aber tatsächlich erst nach 2013 passiert, also nachdem wir mit Hedwig angefangen haben.

WELCHEN EINFLUSS HAT DAS STÜCK AUF DICH ALS KÜNSTLER?

Einen großen. Ich erkenne einerseits sehr viel von Hedwig in mir, andererseits sehr viel gar nicht. Ich habe in New York John Cameron Mitchell getroffen, der das Stück geschrieben, als Bühnenstück kreiert und gespielt hat. So wie man bei der Rocky Horror Picture Show an Tim Curry denkt, denkt man bei Hedwig and the Angry Inch an John und fragt sich: Wer könnte das besser machen?

UND?

Hedwig hat mir ganz neue Wege eröffnet. Ich habe vorher eher Brecht und Weill gespielt.

DU WARST ABER MIT EINER BOWIE-HOMMAGE LETZTES JAHR IN HAMBURG …

Ja. Viele wissen gar nicht, dass Mitchell ursprünglich ein Stück über Hedwig mit der Musik von Bowie machen wollte, was dann aber an den Musikrechten gescheitert ist. Ich liebte natürlich Patti Smith und Bowie schon vor Hedwig. In meinem Kopf schwirrte die Idee des Bowie-Stücks schon herum. Aber ich wusste nicht, dass ich das auch kann. Inzwischen bin ich mit Starman weltweit unterwegs, insofern hat Hedwig da wirklich etwas in mir freigesetzt.

•Interview: Christian Knuth

8. – 13.11., Hedwig and the Angry Inch, Schmidts Tivoli, Spielbudenplatz, Hamburg, U St. Pauli, www.tivoli.de

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