Ein Gespräch über Musik mit Sven Ratzke

by

Foto: H. Wetzer

Foto: H. Wetzer

Ab März – nach zwei Tagen im Berliner Renaissance-Theater mit „Hedwig and the Angry Inch“ – tourt der queere Künstler mit seinem „20th Century Songs“ durch Deutschland. Wir sprachen mit Sven Ratzke über die Künstler*innen, die er ehrt.

Inwiefern hat dich Annie Lennox beeinflusst?

All die Künstler*innen, von denen ich Lieder singe, sie neu interpretiere, haben mich begleitet. Sie und eben auch Annie Lennox waren sehr eigen, haben vieles erneuert. Und Annie hat auch etwas Androgynes an sich, was mich sehr interessiert hat.

Du stehst seit Jahren als David Bowie auf der Bühne.

Es fühlt sich an, als sei er ein Familienmitglied für mich, als ob Bowie immer über mich wacht. Ein Beispiel für Künstler, die wirklich gut Songs geschrieben haben, Lieder, die man auch neu interpretieren kann. Seine Songs sind oft wie Mini-Dramen, was ich sehr mag, wie kleine Filme oder Romane. David Bowie ist einer DER Künstler des 20. Jahrhunderts, der unheimlich viele Menschen beeinflusst hat. Seine Charaktere wie Major Tom werden immer wieder zitiert oder thematisiert.

Nick Cave ist eine Legende, aber unsere jungen Leser werden ihn kaum kennen. Warum sollte man sich mit seiner Musik beschäftigen?

Er ist ein großer Poet. Er kam aus der Punkszene, ist aber einer der wichtigsten Künstler überhaupt, wenn es um tiefgründige Musik geht.

Foto: Ascot Elite Film

Grace Jones sagte einst recht unverblümt, dass Lady Gaga sie kopieren würde. Wie siehst du das?

Kopien interessieren mich persönlich gar nicht, ich kann mir vorstellen, was Grace Jones da meint, ohne schlecht über Lady Gaga zu sprechen. Ich habe einmal Gagas Tribute zu Bowie gesehen, das fand ich nicht interessant, meins war das nicht. Etwas zu INTERPRETIEREN ist eine ganz andere Geschichte, das ist sehr spannend, kann aber auch mal schief gehen.

Hast du auch schon mal ein Lied aussortiert, weil es einfach nicht klappte?

Ja, das gehört dazu. An so einem Programm arbeitet man lange, das ist wochenlange Arbeit. Einmal versuchte ich mich an „Total Eclipse of the Heart“ von Bonnie Tyler, das wurde nichts. (grinst)  

Lou Reed: Was kann man von ihm lernen?

Dass er sich nie angepasst hat. Solche Leute gibt es kaum noch, oder sie haben keine Chance auf Erfolg mehr. Ich kenne seine Witwe und war auch bei ihr zu Hause, privat war er ohnehin ein ganz anderer Mensch.

Joy Division, eine recht tragische Bandgeschichte. Was für Vibes gibt dir deren Musik?

Wir alle sind an Tragik interessiert, denk mal an Hildegard Knef oder Judy Garland. Die meisten Künstler sind Menschen, die einen Therapeuten brauchen, die viel Ballast mit sich rumtragen. Aber sie geben Kraft! „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Division ist sein so wunderschönes Lied, das auch Kraft gibt.

Aber es gibt bei „20th Century Songs“ auch eigene Musik von dir.

Ja, zusammen mit dem Sänger Gregory Frateur von der Popgruppe Dez Mona aus Belgien habe ich das Lied „Madame of the Night“ über eine Pariser Dragqueen in den 1960ern geschrieben. Die natürlich akzeptiert wird, aber ohne Schminke auch mal schief angeguckt wird. Für mich exemplarisch für viele Künstler*innen, die auf der Bühne der Schmetterling sind.

*Interview: Michael Rädel  

Die „20th Century Songs“-Tour macht unter anderem in Berlin in der Bar jeder Vernunft, in Hamburg im Schmidt Theater, in Oldenburg in der Kulturetage und in Wilhelmshaven im Pumpwerk musikalische Station. Alle Tourdaten bekommst du auf sven-ratzke.com

Back to topbutton