YARED DIBABA: Interview im Café Gnosa

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Unser hinnerk Covermodel Yared Dibaba ist nicht nur als Moderator (NDR) und Schauspieler (Ohnsorg-Theater) bekannt, sondern singt auch leidenschaftlich. Und das gerne auf Plattdeutsch. Im September erscheint sein neues Album „Land in Sicht“. Wir sprachen mit dem als Kind aus Oromia/Äthiopien geflohenen Familienvater über Vielfalt, Heimat und Chancen von Zuwanderung.

Foto: Andrea Frahm

Was und wo ist für dich Heimat?

Heimat hat ganz viele Gesichter. Heimat ist nicht nur ein Ort. Heimat ist ein Geruch, das sind Menschen, das sind Freunde, das ist Essen, Trinken, Musik. Es gibt viele Bereiche, in denen ich mich zu Hause fühle, wo ich mich geborgen fühle und sagen kann, das ist meine Heimat. Ich hab eine musikalische Heimat, eine kulinarische Heimat und selbst diese sind wieder sehr vielfältig. Ich sage immer, ich sitze nicht zwischen zwei Stühlen, sondern ich sitze auf zwei Stühlen. Mindestens. Ich habe das Glück, dass ich von mehreren Heimaten zehren kann.

Vielfalt beruht auf Gegensätzlichkeit. Du sagst, du sitzt auf zwei Stühlen, nicht dazwischen. Es gibt Strömungen in der deutschen Gesellschaft, die gerne alles geordnet in ihren Schubladen haben möchten. Auf dem Cover dieser Ausgabe sehen wir dich, einen schwarzen Mann, mitten im verregneten Sommer im Friesennerz. Wie kam es zu dieser Idee?

Ich liebe den Friesennerz. Ich hatte ihn schon als kleiner Junge, als wir in der Nähe von Cuxhaven zur Kur waren. Damit verbinde ich das. Es ist typisch norddeutsch, freundlich gelb wie die Sonne, auch wenn es regnet. Beim Shooting habe ich nicht so die Gegensätzlichkeit im Sinn gehabt. Ich bin einfach so aufgewachsen, genauso wie ich mit Plattdeutsch groß geworden bin. Das sind alles Dinge, die ich selbstverständlich in mir trage. Bezogen auf die aktuelle Zeit, in der vieles zusammenkommt an Kulturen, an Mentalitäten, an Religionen und an Lebensarten, ist es, glaube ich, gut, einfach mal zu zeigen, dass das alles ganz wunderbar unter einen Friesennerz passt. Alles lässt sich miteinander vereinen. Wir essen ja auch nicht jeden Tag graues Brot mit Käse. Wir essen mal eine Banane, wir trinken mal ein Bier, mal einen Rotwein aus Frankreich, mal einen aus Chile. Wir sind schon vielfältig. Wir müssen uns das nur bewusst machen und müssen wissen, dass in dieser Vielfalt eine ganz große Chance liegt.

Vielfalt ist also keine Gefahr …

Nein! Vielleicht gibt es mal hier und da einen Gegensatz, aber da kann man dann genau hinschauen und die Chancen darin erkennen. Vielfalt ist für mich eine absolute Bereicherung. In jeder Hinsicht.

Foto: Andrea Frahm

Dein Album heißt „Land in Sicht“. Ein Ausdruck der Hoffnung.

Mit dem Begriff kann man viel verbinden. Einerseits die Seefahrerromantik, andererseits ist die Seefahrt heute alles andere als romantisch. Da geht es ums nackte Überleben. Und viele überleben es nicht. Wenn jemand in so einer Situation sagen kann „Land in Sicht“ und das Land erreicht, der ist dann voller Hoffnung. Mich selber hat die Einstellung, die Hoffnung nie aufzugeben, durchs Leben getragen. Und so ist es auch beim Gedanken an Vielfalt. Viele haben Angst. Alle sprechen von besorgten Menschen. Wenn wir uns bewusst machen, dass jeder positive und negative Seiten hat, sowohl ich selber als auch mein Gegenüber, und dass wir voneinander lernen könne, dann lebt es sich viel entspannter. Ich habe die Hoffnung, dass die Menschen nach der gegenwärtigen Lernphase, die sicher noch ein Weilchen andauert, merken, dass das ein ganz großer Schatz ist, aus dem wir schöpfen können. Wir sprechen über Menschen, die hierher geflohen sind, besser gesagt vertrieben worden sind aus ihrer Heimat. Flucht klingt so nach Zeche prellen oder sich vom Acker machen. Diese Menschen wurden vertrieben. Dass sie es geschafft haben, durch zerbombte Orte, durch die Wüste und über das Meer hierherzukommen, zeugt davon, dass sie eine unglaubliche Energie, eine Vision haben. Das ist ein Schatz für unsere Gesellschaft! Wenn diese Menschen sich einmal hier zu Hause fühlen und sagen, das ist meine Heimat, dann leisten sie mit Sicherheit einen großen Beitrag für unsere Gesellschaft.

Wie siehst du in diesem Kontext deine eigene Fluchtgeschichte und das Ankommen hier in Deutschland?

Dass ich heute hier so in Deutschland lebe, Teil dieser Gesellschaft bin, habe ich vielen Faktoren zu verdanken: meinen Eltern, vielen äußeren Einflüssen, natürlich auch Glück. Ich glaube, es hilft denjenigen, die hier ankommen, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Besonders wichtig ist es, die Sprache zu lernen. Sie ist der Schlüssel zur Teilhabe. Durch das Glück, mehrere Kulturen zu kennen, kann ich durchaus vermitteln, weil ich für mich erklären kann, warum der eine so tickt, der andere so.

Hast du selbst Diskriminierungserfahrungen, Ausgrenzung erlebt?

Ich glaube, jeder kennt das in einer Form. Wenn man irgendwo neu hinkommt, oder irgendwie anders ist als die anderen …

deswegen die Frage, weil wir als Homosexuelle auch unsere Ausgrenzungserfahrungen machen ...

Ja klar. Ich hab es schon erlebt, dass die Wohnung, die ich mir anschauen wollte, plötzlich weg war. Es gibt auch Gegenden, in die ich als schwarzer Mann lieber nicht gehe, weil ich ganz genau weiß, ich bin in dieser Ecke unerwünscht. Ich sage jetzt bewusst nicht, welche Ecken das sind, weil das wiederum zur Ausgrenzung der Menschen dort führen würde, die verallgemeinert als rassistisch eingestuft würden.

Foto: Andrea Frahm

Danke. Wir haben in der Szene gerade ähnliche Diskussionen. Rechtskonservative Kreise möchten gerne Stadtteile als No-go-Areas für Homosexuelle zur Stimmungsmache gegen den Islam instrumentalisieren. Da mache ich auch nicht mit in dieser Form.

Wer einmal ausgegrenzt wurde, weiß, was das bedeutet. Selbst wenn man von einem Ort in den anderen zieht, neu in einer Klasse oder Firma ist, weiß man, was es bedeutet, fremd zu sein. Wenn es dann ein Merkmal gibt, das einen tatsächlich unterscheidet, und dieses zu Ausgrenzung führt, ist das ein schreckliches Gefühl. Das ist verletzend, das ist kränkend. Es führt auch zu Aggressionen. Nach Trauer kommt Wut und dann Aggression. So entstehen Dinge, die nicht mehr kontrolliert werden können. Das ist gefährlich.

Wie kam es denn zu der Idee, deine erste Single „St. Pauli“ zu nennen und mit Olivia Jones ein Video zu drehen?

Das Stück geht um St. Pauli, das ich wegen seiner Vielfältigkeit sehr schätze. Ich finde, der Kiez ist die Welt: musikalisch, kulinarisch, von der Mischung der Menschen her. Olivia ist für mich die beste Botschafterin des Stadtteils. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich präsentiert, beeindruckt mich. Sie ist als gerader Mensch aus dem Dschungelcamp rausgekommen. Das zeugt von Charakter. Wir kennen uns schon lange. Ich habe gefragt, ob wir im Laden drehen können, und so kam das eine zum anderen.

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Foto: Andrea Frahm

Mehr dazu dann bei uns auf hinnerk.de mit einem Making-of. Ihr habt für uns ein kleines Fotoshooting gemacht auf dem anderen, dem schwulen Kiez in St. Georg …

Ja, das ist eine so schöne Verbindung. Es gibt diese zwei Stadtteile, die einen Heiligen als Namenspatron haben …

die beide auch ähnliche Historien als eher verrucht haben. Was machst du gerne auf St. Georg?

Ich habe, als ich nach Hamburg kam, in der Innenstadt gewohnt. In der Springeltwiete. Abends tote Hose, bis auf das schwule Café Spund. Da war’s immer ganz nett. Aber meistens bin ich dann halt nach St. Georg. Total nett, im Gnosa mal einen Apfelstrudel zu essen oder im Uhrlaub zu frühstücken. Thomas Stoess hatte da seinen Laden …

der damalige Ausstatter von Olivia …

Genau. Ich bin ein paarmal auf Modenschauen für ihn gelaufen. Außerdem kann man wunderbar bummeln auf der Langen Reihe. Die Alster ist direkt nebenan, die man dem Besuch zeigen kann. Und es gibt mit Vasco da Gama meines Erachtens einen der besten Portugiesen der Stadt. Ich mag den Stadtteil. Ein bisschen schmutzig, ein bisschen edel und wiederum durch seine Bevölkerungsstruktur extrem vielfältig.

• Interview: Christian Knuth

Mehr über und mit Yared im Netz unter unter www.facebook.com/OfficialYaredDibaba!

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