Interview: Dr. Tim Kümmerle über PrEP, STI und Chemsex

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Dr. Tim Kümmerle, Infektiologe in der Praxis am Ebertplatz in Köln, über die Neuigkeiten aus der Schwerpunktpraxis am Ebertplatz.

Foto: Steven Zeh

Die Schwerpunktpraxis am Ebertplatz weitet ihr Angebot aus. Was ist geplant?

Unsere Patientenzahlen steigen kontinuierlich. Wir freuen uns sehr darüber und sehen dies als Bestätigung unserer Arbeit. Wir haben auf diese Zunahme mit der Einstellung von zusätzlichem Personal und weiteren Ärzten reagiert. Aktuell platzen unsere Räumlichkeiten aus allen Nähten. Wir hatten das Glück, auf der gegenüberliegenden Treppenhausseite der gleichen Etage zusätzliche Räume anmieten zu können.

Was wird sich an der Praxis ändern – organisatorisch und inhaltlich?

Aufgrund unserer zentralen Innenstadtlage und aufgrund der Tatsache dass wir viele Sprechstunden parallel anbieten sehen wir täglich eine sehr hohe Anzahl an Patienten ohne Termin mit akuten Problemen. Wir möchten diesem offensichtlichen Bedarf gerecht werden und haben uns deshalb entschlossen, eine separate Akutsprechstunde neben der organisierten Terminsprechstunde anzubieten. Diese findet in den neuen Räumen statt.

Natürlich werden für akut erkrankte Patienten Wartezeiten unterschiedlicher Dauer entstehen, da eine solche Sprechstunde naturgemäß nicht planbar ist. Wir bemühen uns aber mit unserer neuen Organisation, die Wartezeit so kurz wie möglich zu halten.

Wir werden damit einem zunehmenden Trend in der medizinischen Versorgung in den Städten gerecht – Patienten mit akuten gesundheitlichen Sorgen sollen nicht zweitrangig betreut werden und lange in den Ambulanzen der Krankenhäuser warten müssen. Auch das Gesundheitsministerium fordert deshalb mehr Akutsprechstunden bei Hausärzten.

Selbstverständlich können Patienten auch weiterhin feste Termine bei Ihrem gewohnten Arzt vereinbaren – diese finden dann weiterhin in den Räumen der Terminsprechstunde statt.

Gibt es also künftig zwei Praxen am Ebertplatz?

Nein, wir haben lediglich die Sprechstunde in zwei organisatorische Einheiten aufgeteilt. Unsere Patienten werden weiterhin vom gewohnten, gemeinsamen Team betreut.

Eine Krankenkasse erstattet zwar die Kosten für die PrEP-Medikamente, nicht aber die Behandlungskosten. Welche Strategie fährt die Praxis am Ebertplatz zum Thema?

Wir bemühen uns, die Kosten für die PrEP-Anwender möglichst niedrig zu halten. Aktuell liegen die Medikamentenkosten bei ca 40 Euro im Monat, dazu kommen noch Laboruntersuchungen und je nach Aufwand ein gesetzlich vorgeschriebenes ärztliches Beratungshonorar. Hier gibt es aber sehr gute Nachrichten: ab der zweiten Jahreshälfte (voraussichtlich Herbst 2019) werden die Kosten für die PrEP komplett von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Das entsprechende Gesetz ist verabschiedet, es steht jetzt nur noch die konkrete Umsetzung aus. Diese Maßnahme wird voraussichtlich zu einer weiteren Steigerung der PrEP-Nutzer führen – und wahrscheinlich auch helfen, die Zahl der HIV-Neudiagnosen in Deutschland zu senken.

Neben der HIV-Prophylaxe ist die Praxis auch in Studien involviert. Welche sind dies und besteht die Möglichkeit, über eine dieser Studien Empfänger der PrEP zu werden?

Wir führen aktuell mehrere parallele Studien zu verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der HIV-Infektion durch. Wir freuen uns über die große Anzahl an teilnehmenden Patienten, welche durch Ihre Mitarbeit helfen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Leider wird in den Kölner Behandlungszentren aktuell keine Studie angeboten, welche für HIV-negative Personen mit PrEP-Wunsch offen wäre. Aber die PrEP ist wie gesagt bald für alle mit entsprechendem Bedarf kostenneutral verfügbar!

Welche aktuellen medizinischen Probleme sehen sie in der schwulen Community in Köln?

Wie in den anderen Großstädten sehen wir aktuell eine weitere Zunahme der sexuell übertragbaren Infektionen (STDs). Dies betrifft vor allem Fälle an Syphilis, Tripper,  und Chlamydien, aber auch Hepatitis C-Infektionen. Dazu kommen Problemkeime wie bestimmte Mycoplasmen.Wir empfehlen deshalb allen Männern, die Sex mit Männern haben, regelmäßige Tests auf STDs durchführen zu lassen. Nur so kann sichergestellt sein, dass man  nicht infiziert ist und andere anstecken kann. Die Kosten für diese Untersuchungen werden bei Krankheitsverdacht vollständig übernommen. Sie können diese im Checkpoint der AIDS-Hilfe Köln, dem Gesundheitsamt oder den Kölner Schwerpunktpraxen durchführen lassen. Ein weiteres Problem ist die Häufigkeit des problematischen Drogenkonsums. Gerade die weite Verbreitung der neuen synthetischen Drogen und von Crystal Meth macht uns große Sorgen. Die Schwerpunktärzte und die AIDS-Hilfe Köln bieten eine kompetente Beratung zum Thema an.

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