Interview: Super-Tripper, Aids-Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen

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Die Infektiologie, also die Wissenschaft von den Infektionskrankheiten, zu denen auch alle sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) gehören, ist oft in den Schlagzeilen. Das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) mit seinem Ambulanzzentrum bietet umfangreiche Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten. Wir sprachen mit dem ärztlichen Leiter Dr. Olaf Degen.

Fotos: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Herr Dr. Degen, auf den Münchner AIDS- und Hepatitis-Tagen im Frühjahr dieses Jahres berichtete Dr. Stocker von aktuell vier Patienten mit Aids-definierenden Erkrankungen. Wie sieht es im UKE aus?

Grundsätzlich sind die Behandlungsmöglichkeiten für eine HIV-Infektion sehr gut geworden. Unsere Patienten haben eine weitgehend normale Lebenserwartung. Leider sehen wir weiterhin aber stabile Patienten mit schweren sogenannten opportunistischen Infektionen oder Aids-Erkrankungen. Es gibt für die HIV-Infektion eine anonymisierte Meldepflicht, nicht aber für die opportunistischen Infektionen. Wir kennen also genaue bundesweite Zahlen nicht. Auf unseren Stationen liegen im Monat im Schnitt vier bis fünf Patienten. Wir sehen dort alles, was bei der unbehandelten und insbesondere unerkannten HIV-Infektion passieren kann.

„Ärzte weiter schulen, um Indikatorerkrankungen zuverlässig zu erkennen.“

Welche Gründe hat das? Ist es nur „Testfaulheit“ oder spielt es auch eine Rolle, dass HIV bei Behandlern und bestimmten Patienten einfach nicht im Fokus steht, weil die junge Frau, der Familienvater nicht zur Risikogruppe gehören?

Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen gibt es immer noch Menschen aus den Risikogruppen, die zu spät zum Test gehen. Patienten, die das Risiko der HIV-Infektion nach wie vor verdrängen und es rausschieben, bis sie den Test dann leider viel zu spät machen. Auf der anderen Seite wissen wir aus den von Ihnen angesprochenen Berliner Daten von Dr. Stocker, dass von den Menschen, die sich mit den besagten Erkrankungen in einem Krankenhaus vorstellen, ein erheblicher Anteil vorher schon Kontakt zum medizinischen System gehabt hat – zum Beispiel mit einem Pilz im Mund beim Zahnarzt war, oder mit einer Gürtelrose bei einem Hautarzt, wo dann leider nicht die richtigen Schlüsse gezogen worden sind. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass Ärzte weiter geschult werden, um diese sogenannten Indikatorerkrankungen zuverlässig zu erkennen.

Fotos: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

„Mangel an Infektiologen in Deutschland“

Was tut das UKE in dieser Hinsicht?

Wir sind infektiologische Ausbildungsstätte – aus unserem Team haben vier Fachärzte die infektiologische Ausbildungsberechtigung. Und wir haben kontinuierlich mehrere Weiterbildungsassistenten. Das ist wichtig, weil wir in Deutschland einen Mangel an Infektiologen haben. Auch wichtig sind aber regelmäßige Fortbildungen für Ärzte, die keine Infektiologen sind – Zahnärzte, Hausärzte, Hautärzte. Hamburg liegt da auf einem sehr hohen Niveau. Die verschiedenen HIV-Einrichtungen, und damit auch wir, sind in dem Bereich sehr aktiv und führen diese Fortbildungen regelmäßig durch.

Supertripper, Antibiotikaresistenzen – die Medien greifen diese Themen immer gerne auflagensteigernd auf. Wie sieht es tatsächlich mit Resistenzen aus und wie mit der Verschreibungsmoral der Behandler?

Glücklicherweise sehen wir bei der Syphilis bisher keine Resistenzen, sodass Penicillin weiter verwendet werden kann. Wir machen uns bei der Gonorrhö (Tripper) Sorgen. Es gibt inzwischen weltweit resistente Bakterien. Wir machen uns aber auch nach wie vor darüber Sorgen, dass – auch in Deutschland – Patienten nicht leitliniengerecht behandelt werden. Die Therapie der Syphilis zum Beispiel sieht vor, dass die Patienten eine kurze Infusion bekommen und ein Antibiotikum in Tablettenform gleichzeitig. Dieses wird nach wie vor – das erlebe ich täglich – nicht durchgeführt.

Foto: Gemeinfrei / CC0

Eine Frage zum Schluss: Wenn ich an UKE oder Charité denke, denke ich an Notfälle, nicht so sehr an meinen HIV-Test oder die Tripper-Behandlung. Ist das noch zeitgemäß?

Wir sind hier im Ambulanzzentrum mit vielen Fachbereichen organisiert. Wir können dadurch Leistungen anbieten, die auch ein Fachärztezentrum anbietet, und betreuen Patienten kontinuierlich und langjährig. Die schwule Schwerpunktpraxis ist sicherlich die erste Wahl für die schnell erreichbare, wohnortnahe Versorgung. Unser Vorteil liegt vielleicht darin, dass wir in einem so großen Klinikum interdisziplinär arbeiten können. Als Beispiel sitzt die Mikrobiologie, die die Proben auf HIV und die STI untersucht, direkt im Nebengebäude. Die Röntgenabteilung ist ebenfalls im Nebengebäude. Wir können direkt kommunizieren und zusammenarbeiten und dadurch sehr schnelle Labordiagnostik anbieten.

www.uke.de

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