Cancel Culture: E-Scooter

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Foto: Gemma Evans / Unsplash / CC0

Das war wirklich ein grandioser Fehlstart. Kein Wunder, es war ja auch ein Herzensprojekt von Pannenminister Andreas Franz Scheuer von den Christsozialen der Unionsfraktionsgemeinschaft. Die Einführung der überall auf der Welt schon erfolgreich rollenden E-Scooter in Deutschland war so chaotisch, dass sie beinahe eine Totgeburt wurde und den Ruf der kleinen Flitzer nachhaltig zerstörte. Zu unrecht, meint unser Autor.

Auf einmal waren sie überall. Nachdem wochenlang über Helmpflicht und Höchstgeschwindigkeiten gestritten wurde, glich es einer Invasion. In den Großstädten machten alienartige, langhalsige und mit seltsam leuchtenden Organen auf Menschenbrusthöhe ausgestattete Stolperfallen, binnen weniger Stunden Spaziergänge zu einem Hürdenlauf. Bereits nach wenigen Tagen dieses Masseneinfalls in die gentrifizierten Innenstädte, hatte die Spezies Mensch sich der Eindringlinge aber bemächtigt und besonders ihre Ausprägung des Partytouristen lief zu halsbrecherischer akrobatischer Höchstform auf, beim Versuch, die von Zauberkraft angetriebenen Metall- und Plastikfolen zu bändigen.

Foto: BMVI / CC BY-ND 2.0 / Flickr


Jede Nacht dann das gleiche gespenstische Schauspiel: Eine Armee von Kleintransportern sammelte die E-Scooter genannten Gegenstände ein und spuckte im Tausch neue aus. Besoffene wie besorgte Bürger erklärten dem Treiben umgehend den Krieg, immer wieder sah man schrecklich malträtierte Exemplare der Sorten TIER oder Lime am Straßenrand, in Brunnen oder gleich auf Mülleimern liegen. In der Folge entbrannte über die doch eigentlich ganz unschuldig wirkenden Wesen ein Shitstorm sondergleichen und der Autor dieses Textes stimmte munter mit ein. Ökobilanz, Billiglöhner, Wegwerfgesellschaft – die Kapitalismuskritik einer ganzen Gesellschaft wurde auf dieses unnütz erscheinende und von Andy B. Scheuer(t) geförderte Vehikel projiziert.

Foto: Kumpan Electric / Unsplash / CC0


Vieles davon ist im Grunde auch korrekt, denn ökologisch nachhaltig werden E-Scooter wohl kaum laufen, wenn dieselgetriebene Kleinlaster sie einsammeln und mit konventionellem Kohlestrom füttern. Die Fahrer der Kleinlaster ihren Dienst am Share-Economy-Hype als Soloselbstständige für Centbeträge verdingen zu lassen, ist ebenfalls eine Pervertierung des Gedankens Nachhaltigkeit. Aber. Nein, nicht so ein Aber. Es kam ja Corona. Und da in jeder Krise ... es muss dieser Satz nicht zu Ende geschrieben werden. 

Die zweite Chance

Weil der öffentliche Nahverkehr schon im Wortsinne zu  Volksseuchenzeiten noch unattraktiver erscheint, als er es in Autodeutschland eh ist, fingen besonders die eben noch laut fluchenden E-Scooter-Verächter – der Autor wieder inkludiert – an, sich noch mal etwas eingehender mit dem/den kleinen Gefährten zu befassen.

Foto: Marek Rucinski / Unsplash / CC0


Und was soll man sagen: 20 Kilometer pro Stunde ist ungefähr das, was ein geübter Radler in der Stadt schafft, nur, dass jener ziemlich verschwitzt am Ziel ankommt. Zudem ist so ein Rad viel pflegebedürftiger, als zum Beispiel so ein TIER von Roller, das mit rund 600 Euro aus dem zerstörerischen Ausleihzirkus herausgekauft werden kann und dann mit gesundem Ökostrom aufgepäppelt, seine Dienste nur noch einem Herrn (m/w/d) andient und dies nahezu unkaputtbar. Mit einer Reichweite von rund 30 Kilometern ist eigentlich jedes innerstädtische Ziel gut errollerbar und zumindest der Autor tut exakt dies inzwischen täglich – mit steigender Freude. Probiert es mal aus. 

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