KOMMENTAR - QUO VADIS CSD?

© Christian Knuth

Während die strategisch denkenden Teile der Community schon danach rufen, im nächsten Jahr wieder einen gemeinsamen CSD organisieren zu wollen, wobei sie den Kreuzberger erstaunlicherweise nicht zu zählen scheinen, sind einige noch damit beschäftigt, möglichst viele Argumente für die Niederlage der jeweils anderen Parade zu suchen.

Dass die gewohnte Route den größten Teil der Teilnehmer anziehen würde, kann niemanden ernstlich verwundern. Von daher wird nun mit dem Begriff des „Party CSDs“ versucht, die Mehrheit die Paradenteilnehmer zu diskreditieren. Das Gleiche passierte vorher mit dem demagogischen Begriff vom „Regierungs-CSD“. 

Längst scheint sich der Konflikt von der ursprünglichen Fragestellung, ob die Entscheidungsstrukturen des CSD e.V. die Community ausreichend repräsentieren, abgelöst zu haben. In erstaunlicher Eintracht streitet eine große Koalition aller Parteien und die von ihr finanzierten Vorfeldorganisationen, gegen den Rest der Community um die Deutungshoheit, wie es mit der Gleichstellung in diesem Land bestellt ist.

Während die einen es für ausreichend halten, schwule Vielfalt öffentlich in einem bunten Umzug zur Schau zu stellen, müssen die anderen die Notwendigkeit expliziter gesellschaftlicher Forderungen betonen, da sie ansonsten ihre eigene Existenzberechtigung verlieren.

Die Frage ist, muss das so sein oder noch wichtiger, muss das so bleiben? Der Versuch der Parteien, die Parade zu kapern, ist fehlgeschlagen und wird wohl kaum wiederholt werden. Gleichzeitig begann ein Wettlauf um die kreativsten politischen Botschaften versehen mit symbolischen Aktionen, der zu begrüßen ist. Wieso besinnt man sich im nächsten Jahr nicht darauf, was man am besten kann? Der CSD e.V. beschränkt sich darauf, die Parade bestmöglich zu organisieren und die Parteien und Vereine entwickeln im CSD-Forum Aktionen, die auf die politischen Probleme in unserem Land, und insbesondere auch darüber hinaus, aufmerksam machen. Das kann von hochkarätig besetzten Podien bis ihn zu Guerilla-Aktionen gegen Menschenrechtsverletzer reichen, die über einen Vorbeizug an geschlossenen Botschaften deutlich hinausgehen. Während der Pride Week darf sich der russischen Botschafter gar nicht mehr aus dem Haus trauen, aus Angst vor Regenbogenattacken!

Es wäre zu begrüßen, wenn sich die besonders radikal denkenden Stimmen in der Community zu radikal agierenden Stimmen entwickeln. Dann würden sie feststellen, dass ihnen sehr viel Solidarität von der als unpolitisch herabgewürdigten Mehrheit begegnet und dass immer eine Drag-Queen zur Stelle ist, wenn man einen Stöckelschuh braucht! •Olaf Alp

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