KOMMENTAR – CSD IST, WAS IHR DRAUS MACHT

© Christian Knuth

Dem CSD-Streit sei Dank. Anstatt wie in den letzten Jahren fern zu bleiben, raffte ich mich auf und mischte mich unter das bunte Volk. Meine bisherige Kritik an dieser Massenveranstaltung muss ich überdenken.

Seit ich denken kann, stören mich die immer gleichen Bilder in den Mainstream-Medien. Nackte Körper, bunte Transen und Prosecco-Gläser sind das, was vom Tage übrig bleibt. In diesem Jahr ist das etwas anders. Die Tagesthemen berichteten über den einen CSD als „den politischen“ und den anderen als den der „Partyfraktion“. Unfairer als je kommt mir aber diese Betrachtungsweise vor, denn obwohl natürlich Parteien und Gewerkschaften mit ihrem Aktionsbündnis weitaus mehr Plakate und Fahnen bei sich trugen, wirkte der große CSD viel mehr auf die Berliner Bevölkerung und animierte Hunderttausende „dabei“ zu sein.

Ich selbst bin keine Wagentyp, mich nervt die Drängelei, ich fühle mich auf dem Präsentierteller nicht wohl. Dennoch sind es vor allem die bunten und lauten Wagen, die die Zuschauermassen bei Laune halten. Das merkt man, wenn man die Strecke zu Fuß abläuft. Da wird geschunkelt, getanzt und angestoßen. Spätestens dann passiert, was der eigentliche Sinn und Zweck des CSDs sein sollte. Man kommt mit den Menschen in Berührung, man wird gefragt, warum man hier ist, es „sei doch alles geregelt, ihr dürft doch heiraten“ oder „warum wird da eine iranische Fahne getragen, da ist schwul sein doch verboten“.

Liebe Politiker, ihr wisst genau, was wir noch von euch fordern. Liebe Medien, lest die Broschüre „Schöner schreiben über Lesben und Schwule“. Für euch brauchen wir keinen CSD. Homophobie ist in diesem Land ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es wird nicht durch moralinsaure Reden beseitigt. Eine Veranstaltung, die aber hunderttausende Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen anlockt und die zeigt, wie viele- und vielseitig die queeren Communitys sind, die schafft es, Brücken zu bauen und Mauern in den Köpfen einzureißen. Zumindest bei einigen, aber dafür lohnt sich der Spaß!

Liebe Berliner Communitys. Dieses Rumgestänkere ist bekloppt. Sehen wir lieber zu, dass der CSD e. V. reformiert wird und im kommenden Jahr Politschwestern, Parteien, Unternehmen, Partyhäschen und all die anderen individuellen Ausprägungen unserer vielfältigen Gesellschaft wieder gemeinsam zeigen, wie glücklich sie in diesem Land frei Lieben und aufzeigen, was ihnen nicht gefällt. Jeder auf seine Weise, aber alle gemeinsam. •Christian Knuth

Internet: DEINE MEINUNG ZUM CSD? DIE UMFRAGE - MITMACHEN UND TEILEN!

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