Bulgarien verwehrt Kind lesbischer Eltern die Staatsbürgerschaft

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Behörden in Bulgarien haben sich geweigert, einer bulgarischen Mutter eine Geburtsurkunde für ihr in Spanien geborenes Baby auszustellen mit der Begründung, dass Bulgarien lesbische Paare nicht anerkennt und ein Kind nicht zwei Mütter haben könne. Das Kind ist jetzt staatenlos, die Mutter hat Anklage erhoben.

Seit 9. Februar wird der Fall vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg verhandelt – er gilt als wichtiger Präzedenzfall für viele andere „Regenbogenfamilien“ in Europa, die vor ähnlichen Problemen stehen.

Foto: Wikimedia Commons / Cédric Puisney / CC BY 2.0

Der Hintergrund

Kalina ist Bulgarin, also EU-Bürgerin. Ihre Frau Jane stammt aus Gibraltar, das seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr zur EU gehört, weil Gibraltar Teil des Vereinigten Königreichs ist. Das Paar lebt in Barcelona.

Im Dezember 2019 bekamen Kalina und Jane Nachwuchs. Baby Sara wurde geboren und erhielt nach der Geburt eine spanische Geburtsurkunde, in der Kalina und Jane als Mütter angeführt sind. 

Da keine der beiden Frauen die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, konnte das Paar nicht um die spanische Staatsbürgerschaft für ihre Tochter ansuchen. Jane ist britische Staatsbürgerin, denn Gibraltar an der Südspitze Spaniens ist britisches Überseegebiet. Da Jane nicht in Großbritannien geboren wurde, sondern ihre Staatsbürgerschaft ausschließlich durch Abstammung ihrer Eltern erhalten hat, kann sie ihre britische Staatsbürgerschaft nach britischem Recht nicht weitergeben.

Als sich die bulgarische Mutter Kalina in Bulgarien eine Geburtsurkunde für ihre Tochter beantragte, damit sie die bulgarische Staatsbürgerschaft für das Kind beantragen kann, sagten ihr die Beamten, dass ein Baby nicht zwei Mütter haben kann. Die bulgarische Verfassung definiert die Ehe als die Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau.

„Das hat uns sehr aufgewühlt. Diese Diskriminierung fühlt sich sehr persönlich an und hat uns schockiert“, sagte Kalina gegenüber der Thomson Reuters Foundation. Sie reichte vor dem Obersten Gerichtshof in Luxemburg Klage ein.

„Ich möchte [dem Gericht] sagen, dass ich ihre Mutter bin, egal in welchem Land ich mich befinde. Es ist sehr bedauerlich, dass ich in Spanien ihre Mutter sein kann ... aber in meinem eigenen Heimatland kann ich nicht ihre Mutter sein.“

Präzedenzfall für Regenbogenfamilien

Wenn Sara staatenlos bleibt, kann sie nicht aus Spanien ausreisen und hat kein Anrecht auf Sozial- und Bildungsleistungen. Das heißt, sie erhält keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu staatlichen Leistungen, später kann sie möglicherweise nicht zur Schule gehen usw.

Nun verhandelt der in Luxemburg ansässige EuGH den Fall. Der EuGH, dessen grundsätzliche Aufgabe darin besteht, sicherzustellen, dass die einzelnen EU-Länder die Gesetze der Union einhalten, muss in diesem Fall klarstellen,

„ob ein in einem Mitgliedstaat ausgestellter Abstammungsnachweis EU-weit anerkannt werden muss. Insbesondere muss der EuGH entscheiden, ob die Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen durch einen Mitgliedstaat als ‚nationale Identität‘ angesehen werden kann, die eine Verletzung einer der vier Grundfreiheiten der EU rechtfertigt – des Rechts auf Freiheit der Bewegung“,

so die klare Meinung von Anwälten der renommierten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP auf Lexology, einem Portal für internationale juristische Analysen. In der Einschätzung von Freshfields Bruckhaus Deringer LLP heißt es weiter:

„Mitgliedstaaten können die in einem Mitgliedstaat anerkannte Abstammung nicht aufheben, insbesondere um nicht die Ungleichheit aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu fördern.“

Kalinas Anwältin Denitsa erklärt im Podcast The Frontline, dass der Fall von Baby Sara kein Einzelfall ist, viele homosexuelle Paare in Europa würden in der gleichen Lage stecken. „Ihre Kinder sind von Staatenlosigkeit bedroht, weil die EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa ihren Familienstatus nicht anerkennen“, so Lyubenova. Deshalb sei dieses Urteil „für viele Menschen wichtig“.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat in ihrer Rede zur Lage der Nation im September 2020 versprochen, sich im Rahmen einer neuen Strategie zur Stärkung von LGBTIQ*-Rechten für die gegenseitige Anerkennung familiärer Beziehungen in der EU einsetzen zu wollen (wir berichteten). Sie sprach von LGBTIQ-freien Zonen 

„And to make sure that we support the whole community, the Commission will soon put forward a strategy to strengthen LGBTQI rights. As part of this, I will also push for mutual recognition of family relations in the EU. If you are parent in one country, you are parent in every country.“

(Ursula von der Leyen)

Ob die Worte der Präsidentin der Europäischen Kommission Wirklichkeit werden, muss sich erst zeigen. Bislang wurde über die „Rechtssache C-490/20“ noch nicht endgültig entschieden.

Foto: gemeinfrei / CC0

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