Erste offen homosexuelle Abgeordnete in Taiwan

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Die 31-jährige Huang Jie, die erste offen homosexuelle Abgeordnete im taiwanesischen Parlament, freut sich in einem Interview mit der AFP über ihre „unglaubliche“ Wahl trotz aller Hindernisse und hofft, der LGBTIQ*-Community Taiwans Zuversicht geben zu können.

Taiwan, eine der liberalsten Gesellschaften Asiens, wird als Hochburg der LGBTIQ*-Rechte gesehen, weil es in der Region eine Vorreiterrolle bei der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2019 einnimmt. „Ich hoffe, dass (meine Wahl) vielen Menschen Mut macht, denn ich habe gezeigt, dass ich es geschafft habe, indem ich an vorderster Front eingestiegen bin“, betont Huang Jie, die am vergangenen Donnerstag vereidigt wurde.

Ihr Weg ins Parlament der von China begehrten autonomen Insel war jedoch nicht einfach: Sie war Ziel diskriminierender Angriffe aufgrund ihrer LGBTIQ*-Identität und musste auch gegen Vorurteile über ihre Jugend kämpfen.

Dass sie am 13. Januar gegen etabliertere Rivalen gewählt wurde, um die Stadt Kaohsiung im Süden zu vertreten, war eine Überraschung. „Ich finde das unglaublich. Ich denke, dass die Politik voller Überraschungen ist und dass es viele unerwartete Veränderungen gibt“, sagt die Politikerin in einem Telefoninterview.

Die ehemalige Journalistin und parlamentarische Assistentin trat 2018 in die Politik ein, als sie auf der Liste der bescheidenen Partei der Neuen Macht in den Stadtrat gewählt wurde.

Nachdem sie 2022 als unabhängige Stadträtin wiedergewählt wurde, trat sie im August letzten Jahres der regierenden Progressiven Demokratischen Partei bei. Dann wurde sie angeworben, um einen Abgeordneten zu ersetzen, der nach einem Skandal im Zusammenhang mit einer außerehelichen Beziehung zurückgetreten war.

„Ich hatte nach meiner Ernennung nur 70 Tage Zeit für den Wahlkampf und musste viele Herausforderungen meistern“, sagte sie. „Ich kandidierte nicht in meinem eigenen Wahlkreis und es wurden Fragen zu meinem jungen Alter und meiner erst fünfjährigen politischen Karriere gestellt“.

Foto: Yasuyoshi Chiba / AFP

„Misstrauen“

Einige Kommentatoren gaben ihr aufgrund der Mehrheit religiöser und schwulenfeindlicher Gruppen in ihrem Wahlkreis „eine sehr geringe Chance“ zu gewinnen. Huang Jie erklärte, während ihres Wahlkampfes in Tempeln und auf Märkten in Kaohsiung habe sie ihre sexuelle Orientierung „nicht betont“.

Obwohl bereits einige offen homosexuelle Vertreter auf kommunaler Ebene gewählt worden waren, wertet sie ihren Sieg im Parlament als „positives Ergebnis“ und stellt „gewisse Fortschritte in der taiwanesischen Gesellschaft“ fest.

Als sie mit 25 Jahren in die Politik ging, wurde sie nach eigenen Angaben von einigen Wählern „wie ein Kind betrachtet“. „Mein Alter war den Leuten unangenehm und erweckte Misstrauen“.

Im Jahr 2021 wurde Huang Jie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zum Ziel ständiger Angriffe, doch sie schaffte es, eine Abstimmung zu überleben, mit der sie aus dem Stadtrat verdrängt werden sollte. „Die Gruppen, die meine Absetzung forderten, verteilten Flugblätter, um mich zu verleumden und sich über mich lustig zu machen. Die Online-Kommentare waren noch extremer, z. B. dass schwul zu sein so sei, als wäre man geisteskrank“, erklärte sie. Während des Parlamentswahlkampfs blieb die Kritik an ihrer sexuellen Identität weitgehend online.

„Viel zu tun“

Huang Jie ist eine von 47 Frauen, die fast 42 Prozent der 113 Sitze im Parlament stellen, ein Verhältnis, das im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode in etwa gleich geblieben ist. Trotz dieser ermutigenden Zahl gibt es für die Parität in der Politik noch viel zu tun, meint sie.

„Die Politik ist eine Männerwelt und unser Geschlecht ist ein Nachteil, weil (...) es für Frauen schwieriger ist, andere zu überzeugen“, stellt sie fest. „Einige Wähler haben mir gesagt, dass ‚die Rechte der Frauen jetzt zu wichtig sind‘, das zeigt, dass sie in ihrem Herzen nicht akzeptieren, dass Frauen die gleichen Rechte haben“.

Als jüngste Abgeordnete im Parlament will sie die Gleichstellung der Geschlechter und die Menschenrechte, „Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit“ für junge Menschen fördern, die sich aufgrund niedriger Löhne und eines wachsenden Wohlstandsgefälles zwischen den Generationen zurückgelassen fühlen.

Auch nach der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen muss ihrer Meinung nach noch viel getan werden, um die LGBT+-Rechte voranzubringen, wie etwa die Überarbeitung des Gesetzes zur assistierten Reproduktion, um auch alleinstehende Frauen und gleichgeschlechtliche Familien einzubeziehen. *Amber Wang/AFP/sah

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