Großbritannien nimmt jetzt schwule Blutspenden

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Großbritannien hat das jahrelange teilweise Verbot der Blutspende für schwule und bisexuelle Männer aufgehoben. In einer am 14. Dezember veröffentlichten Pressemitteilung kündigte das Ministerium für Gesundheit und Soziales an, dass alle Männer, die Sex mit Männern haben und in einer monogamen Langzeitbeziehung leben oder länger als drei Monate mit ihrem Sexualpartner zusammen sind, ab Sommer 2021 Blut spenden dürfen.

Damit berücksichtigte das Ministerium alle Empfehlungen der Lenkungsgruppe „For Assessment of Individualised Risk“, kurz FAIR. Der 2019 gegründete Zusammenschluss von britischen Blutspendediensten und LGBTIQ*-Organisationen hatte die Änderungen auf Grundlage der neuesten Erkenntnisse hinsichtlich Blutspende und sexueller Gesundheit ausgearbeitet und den Behörden vorgelegt. 

Individuelle Verhaltensweisen statt pauschale Annahmen

Die neuen Kriterien der Spendergesundheitsprüfung sind geschlechtsneutral angelegt und konzentrieren sich viel stärker auf individuelle Verhaltensweisen als auf pauschale Annahmen.

Die Richtlinie aus dem Jahr 2017 hatte noch alle Männer, die Sex mit Männern haben, von der Blutspende ausgeschlossen, wenn sie nicht bereit waren, drei Monate lang auf oralen und analen Sex zu verzichten – auch verheiratete queere Männer und solche in monogamen Beziehungen.

Da aber auch heterosexuelle Männer und Frauen potenzielle Träger von Infektionen sein können, wird nach der neuen Regelung jeder Mensch, der in den letzten 3 Monaten denselben Sexualpartner hatte, zur Spende zugelassen – unabhängig vom Geschlecht oder der Geschlechtsidentität des Spenders und unabhängig vom Geschlecht bzw. der Geschlechtsidentität des Partners. Außerdem soll es keine Aufforderung zur Offenlegung der sexuellen Orientierung mehr geben. Männer werden also nicht mehr dazu genötigt, vorher anzugeben, ob sie Sex mit einem anderen Mann hatten. 

Im Rahmen des neuen Auswahlverfahrens werden alle Spender denselben Gesundheitscheck durchlaufen, unabhängig von Geschlecht oder Sexualität. Ein geänderter Fragebogen zur Gesundheitsprüfung des Spenders soll dabei helfen, potenzielle Risiken individuell zu bewerten.

Einige Einschränkungen wird es jedoch auch in Zukunft geben. So dürfen Spender, die in den letzten drei Monaten mehr als einen Sexualpartner oder einen neuen Partner hatten, nur dann Blut spenden, wenn kein Analsex im Spiel war. Das Advisory Committee on the Safety of Blood, Tissues and Organs (SaBTO), ein Expertenausschuss des Departments of Health and Social Care sieht in Analsex nämlich weiterhin ein „Sexualverhalten mit hohem Risiko“. Drogenkonsum beim Sex wurde ebenfalls als riskantes Verhalten eingestuft. Chemsex gilt demnach als Ausschlusskriterium.

Darüber hinaus bleiben auch Menschen, die das HIV-vorbeugende antivirale Medikament PrEP oder die Postexpositionsprophylaxe PEP einnehmen, weiterhin von der Blutspende ausgeschlossen.

Ära des Generalverdachts geht zu Ende

Ethan Spibey, Gründer von FreedomToDonate, begrüßte die neue Regelung. Sechs Jahre lang hatte FreedomToDonate für die Aufhebung der Beschränkungen für Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, gekämpft. „Nur ein Mann zu sein, der Sex mit Männern hat, ist noch lange kein Grund, jemanden von der Blutspende auszuschließen“, so Spibey. Deshalb sei er „außerordentlich stolz darauf, dass jetzt mehr Menschen als je zuvor dieses lebensrettende Geschenk geben können“.

Die auf die Anfangsjahre der HIV-Krise zurückgehende Politik des Generalverdachts ist nicht mehr zeitgemäß. In den USA wurden die Kriterien bei der Blutspende schon im Frühling gelockert (wir berichteten), auch Brasilien, Ungarn und Kanada haben ihre Bestimmungen überarbeitet (wir berichteten). Nun geht auch Großbritannien diesen wichtigen Schritt und bewertet Einzelpersonen eher für ihre Handlungen als für ihre sexuellen Vorlieben. Wann wird Deutschland diesem Beispiel folgen?

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