Trudeau plant 100 Millionen Dollar Entschädigungszahlung für Diskriminierungsopfer

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Wenn Justin Trudeau sich heute bei den Opfern antischwuler  „Säuberungsaktionen“, wie sie zwischen den 1950er und 1990er Jahren im kanadischen Militär, bei der Polizei und unter Staatsbeamten üblich waren, entschuldigt, wird davon nicht weniger als der umfassendste Wiedergutmachungsakt erwartet, den es je von Seiten einer Regierung im LGBTIQ*-Bereich gab. Vor allem aber wird es nicht nur bei demütigen Worten bleiben. Wie die Canadian Press berichtet, hat das Kabinett Trudeau über 100 Millionen Kanada-Dollar Entschädigungszahlungen vorgesehen (circa 66 Millionen Euro). Hinzu kommen 250.000 Kanada-Dollar (circa 165.000 Euro), die Antihomophobie-Projekten zugute kommen sollen.

Foto: pm.gc.ca

Erst am Samstag rührte Justin Trudeau seine Zuhörer mit einer offiziellen Entschuldigung zu Tränen, die den  „kulturellen Genozid“, der bis in die 1960er Jahre im Namen der kanadischen Regierung an den Ureinwohnern des Landes begangen wurde, als  „historischen Fehler“ verurteilte. Dabei gestand Trudeau ein, dass die Entschuldigung viel zu spät kam und das Leid der Betroffenen nicht mindern könne. Aber sie markiere hoffentlich den Beginn eines „neuen Kapitels in unserer Geschichte - eines Kapitels, in dem wir das Leid, das wir Euch angetan haben, nie vergessen werden, aber schwören, unsere Beziehung zu erneuern“. Ähnlich könnte auch die Rede für diskriminierte schwule Staatsbeamte klingen, denn auch sie ist überfällig und erreicht viele Betroffene nicht mehr, weil sie bereits tot sind. Trudeau hatte die Entschuldigung am 19. November für den 28. November angekündigt. Sie soll heute Nachmittag (kanadischer Zeit) im House of Commons in Ottawa verlesen werden.

Zu den Hintergründen: Unter den Vorzeichen des Kalten Krieges zwischen westlicher Welt und Ostblock wurden von Anfang der 1950er bis 1992 kanadische Staatsbedienstete, die in den Verdacht kamen homosexuell zu sein, systematisch bespitzelt, diskreditiert und damit nicht selten ruiniert. Unter dem Vorwand, schwule Angestellte wären korrumpierbar und damit eine Gefahr für die innere Sicherheit (eine Unterstellung, die bis heute durch keinen einzigen Fall nachzuweisen ist) wurden Beamte gefeuert und demütigenden Verhören unterzogen. Für besonderes Aufsehen sorgte nach Enthüllung der Praktiken ein  „Homosexualitätsdetektor“, den Eingeweihte „The Fruit Machine“ nannten. Dabei wurden Verdächtige auf einer Art Zahnarztstuhl fixiert und mussten Fotos ansehen. Weiteten sich ihre Pupillen bei Motiven mit homosexuellem Inhalt, galt ihr Schwulsein als nachgewiesen und sie wurden (unehrenhaft) entlassen. 

Dass neben der Entschuldigung auch eine staatliche Entschädigungszahlung von über 100 Millionen Dollar geplant ist, kommt nicht von ungefähr. Es ist die Folge eines gerichtlichen Vergleichs, der das Resultat einer Sammelklage noch lebender Opfer der „Säuberungsaktionen“ war. Die 250.000 Dollar für Antihomophobieprojekte sollen unter verschiedenen Organisationen, die sich für LGBTIQ* einsetzen, aufgeteilt werden. Zudem hat die kanadische Regierung für 2019 eine Gedenkzeremonie anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der gesetzlichen Entkriminalisierung von Homosexualität in Kanada angekündigt.

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