Konversionsverfahren auf dem Rückzug: und Österreich?

Was nach einem Thema designiert für die Zeit vor der Jahrhundertwende klingt, ist bis heute in vielen Ländern noch erlaubt: Versuchen, queeren Menschen ihr raison d'être zu nehmen. Auch, wenn medizinisch bewiesen ist, dass das nicht funktioniert, dauerte es auch in Deutschland bis 2020, bis sogenannte Konversionsverfahren verboten wurden. Ein besorgter Blick nach Österreich.

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Auch wenn homosexuell zu sein, seit fast drei Jahrzehnten von der WHO (World Health Organization) schon nicht mehr als Krankheit deklariert wird, überlebte das Denken – besonders gerne im klerikalen und evangelikalen Umfeld – bis heute.

Die Idee 

Foto: Daniel Tobias/ flickr.com / CC BY-SA 2.0. / wikimedia.org

Die allgemein als Konversionstherapie bekannte Praxis, sind verschiedene Verfahren, die darauf abzielen nicht-heteronormative und nicht-cisgeschlechtliche Menschen von ihrer Andersartigkeit zu erlösen und sie dahingehend zu „heilen". Wichtig klarzustellen ist, dass queer sein keine Krankheit ist, somit kann man die Queerness auch nicht heilen. In diesem Zusammenhang lässt sich die Bezeichnung Therapie nur schwer rechtfertigen, denn die Verfahren sind allesamt pseudowissenschaftlich und oft religiös beeinflusst. Einen legitimen medizinischen Ursprung oder Nutzen lassen sie sich nicht zuschreiben. Stattdessen wird von sogenannten Konversionsverfahren oder Reparativverfahren gesprochen, letzteres leider wieder mit wahrnehmungsbeeinflussender Konnotation.  

Die Methoden 

Foto: Mandel Ngan / AFP

In einem ausführlichen Artikel des Global Citizen wird das Bekehrungsverfahren genauer unter die Lupe genommen. Es wird angegeben, dass die UN das Konversionsverfahren in drei relevante Kategorien unterteilt: Die jeweilige Therapieform folgt dem Ansatz der Psychotherapie, dem Ansatz des Medizinischen oder dem  glaubensbasierten bzw. religiösen Ansatz.

So spricht sich Jessica Stern, Geschäftsführerin von OutRight Action International, gegenüber Global Citizen klar gegen diese Behandlungen aus:

„Man kann die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität eines Menschen nicht ändern, ob man jemandem nun eine Pille gibt, sie wegbetet oder mit einem Zauberstab wedelt. Wir sind, wer wir sind. Wir können uns nicht ändern – die Welt um uns herum muss sich ändern."

Die Rechtslage

Grafik: Stinger20 / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org

In vielen Ländern wurden in den letzten Jahren Gesetze beschlossen, durch die sich das Praktizieren solcher Pseudotherapien verbieten lassen (männer* berichtete). Jedoch nicht in so vielen Ländern, wie man es sich wünschen würde . Auch In Deutschland wurde erst 2020 das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verabschiedet, welches nun jene Behandlungen an Minderjährigen strafbar macht, aber auch das Werben dafür verbietet. Auch hier war der Weg länger als er hätte sein sollen, doch ein wichtiges Zeichen wurde gesetzt:

„Homosexualität ist keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend. Wir wollen sogenannte Konversionstherapien soweit wie möglich verbieten. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund. Und ein Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: es ist ok, so wie du bist."

Jens Spahn, ehemaliger Bundesgesundheitsminister 2020

Die Neben- und Nachwirkungen

Sie reichen von physischen Schäden durch Gewalt, Schläge und Elektroschocktherapien bis hin zu langanhaltenden mentalen und psychischen Schäden durch Demütigung, Erniedrigung, forciertem Minderwertigkeitsgefühl und fehlender Liebe und Unterstützung im Umfeld. Nicht von ungefährist die Suizidrate unter LGBTIQ* signifikant höher, als bei ihren heteronormativen Mitmenschen. Angewendet wird das alles legal unter anderem immer noch in unserem südlichen Nachbarland. 

Die Lage in Österreich

Foto: Michal Cizek / AFP

Ein derart weitreichendes Gesetz konnte in Österreich bislang nicht beschlossen werden. Obwohl gewollt, scheint es unüblich lang in den Startlöchern zu stehen, bevor das Gesetzgebungsverfahren endlich stattfindet. Schon zwei Mal beschlossen alle Mitglieder des Nationalrates einstimmig über einen von der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) eingereichten Verbotsantrag. Mit Zustimmung. Doch auch 2023 vermisst besagter Antrag noch das damit einhergehende Gesetz, bzw. den Entwurf dazu. 

Foto: Helmut / Fohringer / APA / AFP

Yannick Shetty, LGBTQIA*-Sprecher der Neos (Das neue Österreich und liberales Forum), forderte sowohl Justizministerin Alma Zadić von den Grünen als auch den grünen Gesundheitsminister Johannes Rauch dazu auf, die Verzögerung aufzuklären. Zwischen den Zeilen des sonst sehr hochgestochenen und verwirrenden Parlamentsdeutsch lässt sich aus der Antwort herauslesen, dass der Koalitionspartner ÖVP (Österreichische Volkspartei) das Gesetz wohl blockiert. 

Die konservative ÖVP

Die Anschuldigung, die eigene Partei würde ein Gesetz absichtlich blockieren, kann Nico Marchetti von der ÖVP nicht so stehen lassen. Er führt gegenüber dem Nachrichtenportal der Standard an, dass es triftige Gründe für die Verzögerung gebe, denn in der Begriffsklärung des Wortes Konversionstherapie und was dies beinhaltet müsse noch entschieden werden. Ebenso sei noch nicht eindeutig, wie die rechtliche Verortung von Strafen gehandhabt werden soll.

Auch wenn das Einigen und Verabschieden von Gesetzen ein langwieriger Prozess ist, gibt es argumentativ wohl kaum einen Grund, nach Antragsannahme mehr als zwei Jahren zu benötigen, um sich über Definitionsfragen einig zu werden. Der bevölkerungsweiten Empörung zustimmend äußert Shetty seinen Standpunkt zu den Geschehnissen, oder eher zu den nicht-Geschehnissen gegenüber dem Standard: 

„Es ist wirklich ungeheuerlich, dass nach mehr als drei Jahren grüner Führung im Justizressort immer noch kein gesetzliches Verbot von menschenunwürdigen Konversionstherapien an Jugendlichen vorliegt. Die Grünen wurden auch für den Schutz von Menschenrechten gewählt. Dass sie dermaßen auslassen, ist enttäuschend. 

Tatsache ist: Nach drei Jahren fehlt ein gesetzliches Verbot immer noch. Was bedeutet das für die betroffenen Jugendlichen, die solche Therapien über sicher ergehen lassen mussten?" 

Yannick Shetty, LGBTQIA*-Sprecher der Neos

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