Kriegswaffe Schwulenhass: Russland mit „Propagandaverbot für alle“

Russische Gesetzgeber haben in letzter Lesung einstimmig einen Gesetzentwurf verabschiedet, der alle Formen von LGBTIQ*-„Propaganda“ verbietet. Warum das in erster Linie selbst Propaganda ist.

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Präsident Wladimir Putin versucht sein Land als Gegenpol zu den westlichen liberalen Werten zu positionieren, um inmitten der zunehmenden Spannungen seine Stammwählerschaft hinter sich zu einen. Freiheitliche Errungenschaften für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten werden in den Staatsmedien seit Kriegsbeginn immer lauter diskreditiert. Wurden sie lange Zeit nur etwas spöttisch als ein vermeintlich moralischer Irrweg des Westens dargestellt, wird inzwischen ganz offen propagiert, CSDs und „Ehe für alle“ seien staatszersetzende Angriffe auf Mütterchen Russland:

„LGBT ist heute ein Element der hybriden Kriegsführung, und in dieser hybriden Kriegsführung müssen wir unsere Werte, unsere Gesellschaft und unsere Kinder schützen“,

sagte Alexander Khinstein, einer der Architekten des aktuellen Gesetzentwurfs.

Propagandagesetz für alle

Foto: S. Kopp / C. Hodell

In Moskau, St. Petersburg und vielen weiteren Regionen wurden zwischen 2011 und 2013 Gesetze gegen an Minderjährige gerichtete „Propaganda“ für LGBTIQ*-Beziehungen installiert. 2013 folgte dann die Ausweitung auf die russische Föderation, das in den Folgejahren Blaupause für ähnlich lautende Gesetze unter anderem in Polen und Ungarn wurde. Mit dem neuen Gesetzentwurf sollte diese Regelung auf Erwachsene ausgeweitet werden. Das von der Staatsduma nun verabschiedete Gesetz verbietet jegliche Erwähnung dessen, was die Behörden als „Schwulenpropaganda“ in Medien, Filmen, Büchern und Werbung bezeichnen. Außerdem wird „Propaganda für Pädophilie und Geschlechtsumwandlung“ untersagt.


Das männer* Dossier Agenda Europe zeigt auf, wie religiöser Fundamentalismus, Populismus und autokratische Bewegungen erfolgreich homophobe Ressentiments zum gegenseitigen Nutzen einsetzen. Weltweit vernetzt.


Die genauen Folgen des neuen Gesetzes sind noch unklar. Rechtsaktivisten warnen davor, dass es wahllos angewendet werden könnte, wie es schon beim Vorgängergesetz Usus war: Der letzte Moscow Pride fand 2012 statt, Aktivist*innen wurden bereits für das Tragen von Regenbogenfahnen verhaftet und verurteilt. Das Gesetz muss noch vom Oberhaus und von Putin gebilligt werden, bevor es in Kraft tritt, was als reine Formalie gilt. 

NGOs kündigen Widerstand an

„Wir haben vor, die Menschen vor diesem absurden Gesetz zu schützen“,

sagte Natalia Soloviova, Vorsitzende der Organisation Russian LGBT Network. Auch die Europäische Union brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck. „Diese Entwicklungen in der Gesetzgebung schüren die Homophobie und verschärfen die harte Unterdrückung jeglicher kritischen und alternativen Äußerungen im Kontext des illegalen, unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine“, hieß es in einer Erklärung.

Foto: Maxim ZMEYEV / AFP

Kseniya Mikhailova von der LGBTIQ*-Unterstützungsgruppe Vykhod („Coming Out“) sagte, dass Homosexuellenbars oder -clubs wahrscheinlich weiterhin betrieben werden dürften, auch wenn sie vielleicht nicht damit werben dürften, dass aber gleichgeschlechtliches Küssen in der Öffentlichkeit als Verstoß gewertet werden könnte. Die Video-Sharing-App TikTok wurde bereits mit einer Geldstrafe von 3 Millionen Rubel belegt, weil sie „Videos mit LGBT-Themen“ beworben hatte, während die russische Medienaufsichtsbehörde Verlage aufforderte, alle Bücher, die „LGBT-Propaganda“ enthalten, aus dem Verkauf zu nehmen. *AFP/oa/ck


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