Kuba: Bringt das Familiengesetz endlich die Ehe für alle?

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Ein am 15. September in Havanna veröffentlichter Entwurf eines neuen Familiengesetzbuchs für Kuba beinhaltet die Ehe für alle sowie ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Ob der Entwurf Gesetz wird, soll das Volk entscheiden. 

Nachdem die Einführung der Ehe für alle Ehe im Jahr 2019 am Protest von Opposition und evangelikaler Gruppen scheiterte, soll nun das neue Familiengesetzbuch die lang ersehnte Gleichstellung homosexueller Paare bringen. Zuvor muss der Entwurf allerdings noch vom Parlament genehmigt werden, was wahrscheinlich im Dezember der Fall sein dürfte. Außerdem bedarf es der Zustimmung des Volkes in einem Referendum.

Seit Ende der 1970er-Jahren ist Homosexualität in Kuba nicht mehr illegal, seit 1993 dürfen LGBTIQ*s im Militär dienen, Geschlechtsangleichungen für trans* Personen sind seit 2008 möglich, Antidiskriminierungsgesetze für Angestellte gibt es seit 2013. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder Ehen, für die sich Raúl Castros Tochter Mariela stets eingesetzt hatte, blieben jedoch tabu.

Als Miguel Díaz-Canel im Jahr 2018 zum ersten kubanischen Präsidenten der postrevolutionären Ära gewählt wurde, der nicht der Castro-Familie angehört, setzte die Bevölkerung große Hoffnungen in ihn. Auch der Großteil der LGBTIQ*-Community verband mit Díaz-Canel Liberalisierung. So wird der 69-jährige Ramon Silverio, Betreiber des queeren Kulturzentrums El Mejunje („Die Mischung“) von Reuters mit den Worten zitiert: „Die Nähe zum Volk war sein Markenzeichen. [...] Er hat El Mejunje schon zu einer Zeit unterstützt, als Homophobie in der Partei noch üblich war.“ (wir berichteten)

Foto: Adalberto Roque / AFP

Tatsächlich sollte die Ehe für alle bereits in die neue Verfassung von 2019 aufgenommen werden. Geplant war, in Artikel 68 der neuen Verfassung die Ehe von einem „Bund zwischen Mann und Frau“ in einen „freiwillig geschlossenen Bund zwischen zwei Personen“ umzudefinieren (wir berichteten). Nach zahlreichen Protesten seitens der Opposition und evangelikaler Gruppen nahm die Regierung jedoch im letzten Moment davon Abstand (wir berichteten), was international als Abkehr der Regierung von der Unterstützung der Ehe für alle wahrgenommen wurde.

Neuer Vorstoß über Familiengesetzbuch

Jahrelang schien der Weg verbaut, doch nun Kuba kommt wieder voran: Eingebettet in „ein modernes Familiengesetzbuch [...], das allen verfassungsrechtlichen und fortgeschrittenen Vorschriften zum Familienkonzept in Kuba entspricht“, soll der Ehe für alle auf anderem Wege Tür und Tor geöffnet werden.

„Wir werden nicht die Frage der Gleichstellung der Ehe zur Debatte stellen oder in ein Referendum einbringen, sondern die Frage der Familie zum Thema machen“,

kündigte Miguel Díaz-Canel im Mai 2021 an, als er die Kommission aus 30 Expert*innen vorstellte, die den Entwurf ausarbeiten sollte. Der ist jetzt fertig und wurde am 15. September in Havanna vorgestellt. Er umfasst mehr als 480 Artikel und ist auf der Webseite des Justizministeriums für alle einsehbar. 

Um möglichen Protest bereits im Keim zu ersticken, betonten Justizminister Óscar Silveira Martínez und Yamila González Ferrer, Vizepräsidentin der Nationalen Juristenvereinigung Kubas, ausdrücklich, dass der Entwurf des neuen Familiengesetzbuchs mit der Verfassung vereinbar sei und mehr umfasse als lediglich die Genehmigung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

„Es schützt alle Ausdrucksformen der familiären Vielfalt und das Recht jeder Person, eine Familie im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Pluralität, Inklusion und Menschenwürde zu gründen“,

wird González Ferrer von Trabajadores zitiert. Außerdem würden mit dem Entwurf Liebe, Zuneigung, Solidarität und Verantwortung an die Spitze der Familienwerte gestellt, familienrechtliche Institutionen erneuert und die Gleichstellung der Geschlechter gefördert. 

Community kritisiert Referendum

Die kubanische LGBTIQ*-Community, bei der die Streichung der Gleichstellung der Ehe aus der Verfassung große Enttäuschung hinterlassen hatte, kritisiert nun, dass das Familiengesetzbuch einem Referendum unterzogen werden soll. Bei anderen Gesetzen und Vorschriften mit sozialer Bedeutung sei das nicht der Fall gewesen. Unter den 70 Rechtsnormen, die mit der neuen Verfassung 2019 aktualisiert wurden, ist das neue Familiengesetzbuch das einzige, über das per Volksentscheid abgestimmt wird. 

Präsident Miguel Díaz-Canel beruhigte die Community, indem er wiederholte, die Debatte und das Referendum über das neue Familiengesetzbuch bedeuten nicht, dass die Homo-Ehe einer Volksbefragung unterzogen werden soll, sondern „die Frage der Familie“. Dieses Vorgehen erscheint wie eine kluge Strategie, die auf den hohen Stellenwert abhebt, den die Familie auf Kuba genießt: Den grundsätzlichen Respekt für die Familie nun für die Gleichstellung aller seiner Mitglieder und den Schutz der Schwächsten einzusetzen.

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