Schwuler Kandidat will Tunesien vom Joch der Sodomiegesetze befreien

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In Tunesien sorgt die Kandidatur des liberalen Anwalts und Politikers Mounir Baatour bei den Präsidentschaftswahlen vom 10. bis 24. November für Aufsehen. Baatour, der offen schwul ist, möchte zwar nicht über seine sexuelle Orientierung definiert werden, aber einen überfälligen Dialog über LGBTIQ*-Rechte in seiner Heimat anstoßen.  

Foto: facebook.com/bbelhedi

Ein wesentliches Anliegen von Mounir Baatours Kandidatur als Präsident ist die Abschaffung des tunesischen Strafgesetzparagraphen 230, der gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe stellt. Demnach kann „Sodomie“ mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden. Baatour selbst wurde 2013 unter Berufung auf das Gesetz zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er setzt sich seit Jahren gegen die Entrechtung von LGBTIQ* in seiner Heimat ein, unter anderem als Mitgründer und Hausanwalt der queeren Organisation Shams, die Ende 2017 durch die Eröffnung ihres eigenen Radiosenders Schlagzeilen machte (blu berichtete). Zudem ist Baatour Vorsitzender der kleinen Parti Libéral Tunisie, für die er im November bei den Präsidentschaftswahlen antritt. 

Seit der offiziellen Bekanntgabe von Baatours Kandidatur Ende Juni, sorgte der Vorstoß weltweit für Aufsehen. Bei Berichten wird immer auf Baatours Homosexualität verwiesen. Der 48-Jährigen will dennoch nicht auf seine sexuelle Orientierung festgelegt werden, sondern für eine umfassende Liberalisierungsbewegung in Tunesien stehen. So setzt er sich auch gegen die Unterdrückung der Minderheit der Berber ein, macht sich für die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für junge Menschen stark, fordert die Legalisierung von Cannabis.

Zur überfälligen Entkriminalisierung von homosexuellen Handlungen in seiner Heimat äußerte Baatour gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Ich denke, dass wir in Tunesien 60 Jahre nach der Unabhängigkeit den politischen Willen brauchen, Reformen zu verordnen, um der Bevölkerung deutlich zu machen, dass es abnormal ist, Homosexuelle ins Gefängnis zu stecken.“ Derartige Maßnahmen seien keine Frage der Akzeptanz der Gesamtbevölkerung, die in Tunesien gegenüber LGBTIQ* gering ist (2014 äußerten sich in einer Umfrage deutliche 61 Prozent gegen gleichgeschlechtliche Ehen, während nur 14 Prozent dafür stimmten). Die tunesischen Präsidentschaftswahlen finden vom 10. bis 24. November statt. Baatours Chancen auf einen Sieg sind gering. Die überfällige Debatte über LGBTIQ*-Rechte in der „Wiege des arabischen Frühlings“ ist durch seine Kandidatur aber schon jetzt in vollem Gange. 

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