Polnische Gerichte: „LGBT-freie Zonen“ verfassungswidrig

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In zwei Fällen erklärten polnische Gerichte die Beschlüsse zweier Gemeinden, auf Grundlage derer die Gemeinden „LGBT-freie Zonen“ eingerichtet hatten, für ungültig.

Am 14. Juli hob das Verwaltungsgericht Gliwice, Südpolen, einen Beschluss der Gemeinde Istebna „gegen die LGBT-Ideologie“ auf, da der Beschluss LGBTIQ*-Personen diskriminiere. Das Gericht folgte damit der Ansicht des polnischen Verfassungsrechtlers und Menschenrechtsaktivisten Adam Bodnar, der sich gegen den Beschluss stellte.

Am 15. Juli folgte auch das Verwaltungsgericht Warszawa dem Antrag von Adam Bodnar und erklärte einen Beschluss des Gemeinderats von Klwów mit dem Titel „Gemeinde Klwów frei von LGBT-Ideologie“ aufgrund seines diskriminierenden Charakters für unwirksam.

Die Urteile sind noch nicht endgültig. Nach Erhalt der schriftlichen Begründung des Gerichtsurteils kann innerhalb von 30 Tagen eine Kassationsbeschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht eingelegt werden.

Verfassungswidrige Diskriminierung

In beiden Fällen urteilte das Gericht, die Gemeinden hätten mit dem Beschluss ihre Befugnisse überschritten und gegen das Diskriminierungsverbot der Verfassung verstoßen. Die Gerichte stellten außerdem fest, dass es sich bei dem Begriff „LGBT-Ideologie“ um einen unscharfen und umstrittenen Begriff handele, der unter den gegenwärtigen  Bedingungen in Polen nur für Personen der LGBTIQ*-Community gelte, weshalb er Menschen mit nicht heterosexueller Orientierung und abweichender Geschlechtsidentität diskriminiere.

Für das Büro von Adam Bodnar liest sich das erste Urteil wie ein Präzedenzfall, „der die Lage der LGBT-Personen in Polen erheblich verändern kann“. Anna Błaszczak-Banasiak, Direktorin des Gleichbehandlungsteams im Büro von Adam Bodnar, erklärte:

„Die Kommune Istebna handelte ohne die notwendige gesetzliche Grundlage, aber was besonders wichtig ist, [das Gericht] machte auf die sozialen Folgen des Handelns dieser Art von Kommune für die LGBT-Gemeinschaft aufmerksam.“

Für Anna Błaszczak-Banasiak ist dieses Urteil nicht nur im Zusammenhang mit der Istebna-Resolution wichtig, sondern auch im Zusammenhang mit all den mehreren Dutzend Anti-LGBTIQ*-Resolutionen, die bisher in ganz Polen verabschiedet wurden.

Karolina Gierdal, jene Rechtsanwältin, die die Kampagne gegen Homophobie vor Gericht vertritt, sagte: „Es ist lange her, dass ich so glücklich war wie heute. Das Gericht hätte aufhören können zu sagen, dass die Resolution einfach unter Verletzung des Gesetzes angenommen wurde, außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Gemeinde und daher für nichtig erklärt werden sollte, aber es tat dies nicht, es sagte uns mehr, viel mehr. Er sagte uns einfach, dass es so etwas wie eine LGBT-Ideologie nicht gibt, es gibt einfach LGBT-Leute, die die Resolution aus der Gemeinschaft ausschließt.“

Bodnar, der das in der polnischen Verfassung festgeschriebene Amt des Bürgerrechtsbeauftragten bekleidet, agiert in seiner Funktion als Vermittler zwischen den Polen und ihren Gerichten und Behörden. Er gilt als das letzte unabhängige Organ der polnischen Justiz, was den Konservativen gehörig gegen den Strich geht. In regelmäßigen Abständen werden Schmutz- und Verleumdungskampagnen gegen Bodnar angezettelt.

Hintergrund: Kommunalverwaltungen wollen keine EU-Mittel verschenken

Nach monatelangen Zuspitzungen beginnt sich die Lage in Polen also minimal zu verbessern. Ob es daran liegt, dass die „LGBT-freie Zonen“ in Brüssel stärkere Beachtung finden und immer mehr EU-Länder sich weigern, ihre Steuergelder in ein homophobes Land zu überweisen?

EU-Ratspräsident Charles Michel hatte vorgeschlagen, die Verteilung des EU-Haushaltes künftig von der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Minderheiten abhängig zu machen. Seitdem rudern einige Kommunalpolitiker zurück. Für Beata Bielesz, Vizepräsidentin des Gemeinderates in Istebna, ist die ganze Situation plötzlich nur noch ein großes Missverständnis. Sie könne sich nicht vorstellen, „dass jemand jemanden unterdrückt hat, darum geht es nicht“, betonte sie im Interview mit einem Reporter des polnischen Senders RMF FM.

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