Von Polizisten verprügelt, weil er HIV+ ist: Ein queerer Flüchtling erzählt seine Geschichte

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Maksat (23) flüchtete aus Turkmenistan über Russland nach Europa, nachdem Polizisten ihn verprügelten und zwangen, ein Geständnis über seine Sexualität zu unterschreiben. Nun droht ihm eine Anklage wegen Sodomie und eine erfundene Anklage wegen bewusster Verbreitung von HIV. Maksat erzählt von der Situation der Community in dem asiatischen Land und seiner Angst, seine Familie niemals wieder zu sehen.

Mit RadioFreeEurope sprach der 23-Jährige über sein Leben und seine Flucht. Maksats Name wurde geändert, denn er möchte anonym bleiben, um seine Familie zu schützen. Auch das Land, in dem er nun lebt, möchte er nicht bekanntgeben. Dort fand er Anfang des Jahres Asyl, nachdem er aus seiner Heimat floh. In dem Land ist Homosexualität akzeptiert – doch wirklich frei ist Maksat noch immer nicht.

Maksat wuchs in Aschgabat auf, der Hauptstadt von Turkmenistan. Mit über einer Million Einwohner ist es die größte Stadt des postsowjetischen Staates, der am Kaspischen Meer liegt und an Afghanistan, Kasachstan, Usbekistan und den Iran grenzt. In Turkmenistan ist Homosexualität illegal: Artikel 135 des turkmenischen Strafgesetzbuches betrachtet eine gleichgeschlechtliche Beziehung unter Männern als einen Akt der Sodomie, der mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft wird.

In dem überwiegend muslimisch geprägten Land lebt die Queercommunity im Untergrund, denn Homosexualität ist nicht nur eine Straftat, sondern auch ein großes soziales Tabuthema. Wenn sich junge Männer vor ihrer Familie outen, werden sie oft gezwungen, eine eigene Familie zu gründen – damit sie nicht im Gefängnis landen oder sie und die Familie sozial geächtet werden.

Maksat erzählt, dass er in seiner Jugend seine Homosexualität vor allen verbergen musste, auch vor seiner Familie und seinen Freunden. Als er im Alter von 18 Jahren nach Russland zog, um Betriebswirtschaft zu studieren, fühlte er sich unabhängiger und freier. Das änderte sich radikal, als er im Herbst 2019 HIV+ getestet wurde. Damit endete sein legaler Aufenthalt in Russland – denn in Russland werden HIV+ Ausländer ausgewiesen.


Vollkommen allein

Foto: Sebastiaan Stam / CC0

Maksat kehrte vor der Abschiebung freiwillig zurück in seine Heimat, in der er sein Leben mit viel Mühe wieder vor seiner Familie verbergen musste. Er konnte sich niemandem anvertrauen und suchte schließlich in einem HIV-Zentrum in Aschgabat medizinische Unterstützung. Für eine mögliche Behandlung musste er sich als HIV+ registrieren lassen. Als er zwei Tage später zurückkehrte, warteten zwei Polizisten auf ihn.

Die Beamten wollten wissen, wieso er HIV+ sei. Aus Angst vor einer Haftstrafe, die das Eingeständnis homosexueller Handlungen mit sich bringen würde, log Maksat und behauptete, es nicht zu wissen. Sie ließen ihn gehen – doch in der Nacht holten sie ihn wieder zurück. Drei Polizeibeamte eskortierten ihn aus seiner Wohnung zur Polizeiwache. Es folgten eine weitere Befragung – und Prügel. Die Polizisten verlangten, dass er zugab, schwul zu sein. Wieder und wieder schlugen sie auf ihn ein. Maksat erzählt:

„Zuerst befragten sie mich. Dann fingen sie an, mich heftig zu schlagen. Sie sagten mir: 'Wir wissen, woher du HIV hast. Du bist schwul.' Ich habe ihnen gesagt, dass das nicht wahr ist. Aber sie schlugen mich weiter.“

Schließlich erpressten ihn die Polizisten. Sie legten ihm eine Aussage vor, in denen er das Schwulsein zugab und verlangten, dass er die Papiere unterzeichnete. Andernfalls würden sie seiner Familie erzählen, dass er schwul sei. Schließlich gab Maksat auf und unterschrieb. Mit der Unterschrift drohte ihm ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Sodomie-Gesetz. Die Befürchtungen des jungen Mannes gingen aber noch weiter: Eine zweite Anklage wegen bewusster Infizierung anderer mit HIV könnte folgen – aufgrund erfundener Beweise. Ein solches Vergehen könnte in Turkmenistan mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.


Silvester rettete ihn

Während der Neujahrsfeierlichkeiten sind die Büros in Turkmenistan mehrere Tage geschlossen. Die Beamten, die ihn gehen ließen, befahlen ihm, sich nach dem Jahreswechsel auf der Polizeiwache in seinem Viertel zu melden. Maksat hatte nur wenige Tage Zeit, aber er nutzte die Chance, die Silvester ihm ermöglichte, und floh aus Turkmenistan. Dort ließ er alles zurück: Seine Heimat, seine Wurzeln, seine Familie und seine Freunde.

Maksats Flucht führte ihn zuerst nach Russland, wo ein Freund ihn mit Queeraktivisten in Verbindung setzte, die ihm schließlich halfen, Asyl in Europa zu erhalten – kurz bevor die russischen Behörden ihn wegen seines HIV-Status zurück nach Turkmenistan abschieben konnten. Inzwischen lebt Maksat in einem Land, in dem Homosexualität akzeptiert wird. Doch er kann weder seinen Aufenthaltsort bekanntgeben, noch seine Sexualität wirklich offen zeigen. Der Grund ist seine Familie: Wenn seine Sexualität in Turkmenistan bekannt wird, wird dies Schande über seine Eltern bringen.

Die Vorfälle belasten ihn noch immer. Zusammen mit der Einsamkeit und der Angst: Maksat wird in Turkmenistan als Flüchtiger gesucht, jederzeit könnten Polizisten seine Eltern nach seinem Aufenthaltsort befragen – und alles ans Licht bringen. Außerdem sind die Anklagepunkte, die ihm zur Last gelegt werden, so gravierend, dass er vielleicht nie wieder in seine Heimat wird einreisen können, weil er sonst direkt im Gefängnis landet. Er fürchtet daher, seine Familie nie wiedersehen zu können.

Nun lebt Maksat zwar in einem freien, europäischen Land – doch er selber ist noch immer gefangen. 

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