Regenbogenflaggen auf den höchsten Bergen der Welt

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Dastan Kasmamytov stammt aus Kirgisistan und er ist schwul. Fast jeder in seinem Heimatland weiß das – denn Dastan war einer der ersten Menschen, die sich öffentlich geoutet haben. Sein Gesicht war überall in den Nachrichten und er erhielt Morddrohungen – bis seine Eltern ihm nahelegten, sein Studium als Software-Entwickler in der westlichen Welt fortzuführen. Heute lebt der 28-Jährige in Berlin.

Dastan hat eine Mission. Er will die sieben höchsten Gipfel der Welt erklimmen. Weil er schwul ist. Weil seine Landsleute sehen sollen, dass der erste Kirgise und sogar der erste Mensch aus Zentralasien, der dies jemals geschafft hat, ein queerer Mensch ist. Gemeinsam mit Freunden startet er 2018 die Pink Summits Kampagne. Sie erklettern gemeinsam die Seven Summits – damit sind die höchsten Berge der sieben Kontinente gemeint. Im Gepäck natürlich: Eine Regenbogenfahne, die sie vor sich tragen und auf dem Gipfel wehen lassen.

Foto: Pink Summits

Er und seine Begleiter konnten bereits den jeweils höchsten Gipfel Europas, Afrikas und Australiens bezwingen: Den Elbrus im Kaukasus, den Kibo im Kilimandscharo und den Mount Kosciusko in Australien. Sie wollen die Sichtbarkeit der Community erhöhen und sie wollen darauf aufmerksam machen, vor welch schwieriger Situation queere Menschen in Osteuropa und Zentralasien stehen.

Wir sprachen mit Dastan über die Kampagne, die Situation queerer Menschen in Kirgisistan und darüber, wovor er am meisten Angst hat – kleiner Hinweis: der Mount Everest ist es nicht.


Du lebst seit zwei Jahren in Berlin – was ist der größte Unterschied zum Leben in Kirgisistans Hauptstadt Bishkek, in der du geboren wurdest?

Kirgisistan ist ein patriarchalisches und konservatives Land. Es gibt ein riesiges Problem mit Menschenrechten im Allgemeinen, aber insbesondere mit den Rechten von Frauen und queeren Personen. Der größte Unterschied zum Leben in Berlin ist, dass es hier so okay ist, schwul zu sein. Natürlich gibt es auch in Berlin Fälle von Gewalt, aber im Vergleich zu Bishkek ist es eine völlig andere Welt – fast ein Paradies. Und falls man aufgrund seiner Sexualität angegriffen werden sollte, kann man zumindest zur Polizei gehen und Anzeige erstatten oder sich im Krankenhaus helfen lassen. In Kirgisistan kann man das nicht, aus Angst, dass dadurch alles noch schlimmer wird.

Die Pink Summits Kampagne soll queere Sichtbarkeit erhöhen. Wie kamt ihr auf diese Idee?

Foto: Pink Summits

Die Medien in meinem Heimatland berichten zwar über schwule Männer – aber nur schlechte Nachrichten. Ich möchte die Medienlandschaft verändern, ich möchte, dass die Medien erkennen, dass wir Schwule unserem Land und seiner Wirtschaft Gutes tun: Wir sind Ärzte, Sportler, Lehrer, Soldaten. Und ich wollte jüngere Menschen inspirieren: Dass wir trotz all des Hasses und der Gewalt, mit denen wir konfrontiert werden, viele coole Dinge tun und viel erreichen können.

Warum Berge? Hattest du bereits Erfahrung als Bergsteiger?

Die Idee kam mir und einem Freund, als ich im Rahmen einer anderen Aktion mit dem Fahrrad von Bishkek nach Berlin radelte – durch dreizehn Länder in zweieinhalb Monaten. Ich sammelte unterwegs Geschichten von queeren Menschen. Das Bewusstsein für die Situation der Community in Zentralasien zu schärfen, ist mir immer ein großes Anliegen gewesen. Und ich liebe Bergsteigen, habe bereits als Jugendlicher damit begonnen. Der Rest ergab sich dann quasi von allein.

Gibt es einen Berg auf eurer Liste, vor dem du dich fürchtest?

Wir sparen uns den Everest bis zum Schluss auf, es wird wohl 2024 so weit sein. Ich habe noch nie etwas vergleichbares getan, also durchaus Respekt davor. Jeder Berg braucht seine eigene spezifische Ausrüstung und Vorbereitung. Für den Everest werden wir im Vorfeld ein besonders strenges Programm absolvieren und ein oder sogar zwei Jahre trainieren müssen. Aber mehr Angst als vor dem Everest haben wir vor der Homophobie in manchen Staaten, zum Beispiel Russland. Als wir die Grenze von Georgien nach Russland überquerten, wurde ich vom russischen Geheimdienst verhört. Es war der härteste Grenzübergang meines Lebens und dauerte fast 6 Stunden. Der Elbrus liegt im Kaukasus, also ganz in der Nähe von Tschetschenien und anderen sehr konservativen Teilen Russlands, wo Schwule missbraucht, gefoltert und getötet werden. Es war eine gefährliche Reise.

Foto: Pink Summits

Wie finanziert ihr euer Vorhaben?

Bis jetzt wurde es vollständig selbst finanziert. Die nächsten Gipfel werden von den Reisekosten her teurer sein als die bisherigen, deshalb versuchen wir, Sponsoren zu finden und Geld zu beschaffen. Außerdem plane ich, Touren für queere Menschen durch Zentralasien anzubieten, wobei der Schwerpunkt auf Wandern und Bergsteigen liegen soll. Auf diese Weise werden wir nicht nur verschiedene Kulturen zusammenbringen, sondern auch Geld für die Kampagne sammeln.

Welcher Gipfel ist der nächste?

Foto: Pink Summits

Dieses Jahr planen wir zwei Bergbesteigungen: Im Dezember ist der Aconcagua an der Reihe, der höchste Berg Südamerikas. Aber im Juni wollen wir auf den Montblanc, den höchsten Gipfel Westeuropas. Und im August werden wir eine zentralasiatische Expedition durchführen. Alle Menschen sind herzlich willkommen, sich uns anzuschließen! Man muss kein erfahrener Bergsteiger sein, sondern lediglich das Wandern lieben. Wir machen ein kurzes Training vorab, also lernt man auch einiges. Aber das Coolste daran ist einfach, wie viel Spaß man hat, wenn man mit einer Gruppe queerer Menschen und einer wehenden Regenbogenfahne den Berg erklimmt.

Welche positiven Erfahrungen und Rückmeldungen habt ihr bislang bekommen?

Kürzlich war ich in Zentralasien, in Kirgisistan und Kasachstan, wo ich vor LGBTIQ-Organisationen Reden und Präsentationen hielt. Es war wahnsinnig emotional zu sehen, dass es uns gelungen ist, viele jüngere Menschen zu inspirieren. Aber ich habe auch eine Menge hasserfüllte Mails auf Russisch, Kirgisisch und Polnisch erhalten, die vor allem so etwas sagten wie „Die Schwuchtel sollte in diesen Bergen sterben oder sich umbringen“. Als ich in Bischkek in einer Bar öffentlich eine Rede hielt, warteten draußen Leute mit Messern auf mich. Es ist immer noch sehr gefährlich, queerer Aktivist zu sein. 

Was erhoffst du dir von der Pink Summits Kampagne?

Ich hoffe, dass ich durch die Kampagne die Sichtbarkeit für queere Menschen nicht nur in Kirgisistan, sondern in der ganzen Region Zentralasiens und Osteuropas erhöhen kann. Und ich hoffe, dass ich am Ende in der Lage sein werde, die Herzen und Köpfe vieler Menschen zu verändern und vor allem jüngere Mitglieder der Community, aber im Grunde jeden, zu inspirieren, coole Dinge zu tun, um unsere Welt zum Besseren zu verändern.

Foto: Pink Summits

Wenn ihr bei Dastan und der Pink Summits Kampagne auf dem Laufenden bleiben wollt, findet ihr hier Webseite, Facebook und Instagram.  

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