Schwul, schwarz ... und schnell!

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Am 24. Juli hätten die Olympischen Spiele in Tokio begonnen – wenn das Coronavirus nicht dafür gesorgt hätte, dass die Spiele um ein Jahr verschoben werden. Bei der Eröffnungsfeier wäre Michael Gunning sicherlich ganz vorne mit dabei gewesen.

Der 1994 geborene Gunning ist offen schwul. Und nutzt seine doppelte Staatsbürgerschaft, um auf die Homophobie in Jamaika aufmerksam zu machen. 

Schon in der Schule habe er sich „ganz anders gefühlt“, gab Gunning kürzlich in einem Interview mit der Thomson Reuters Foundation bekannt. Doch sollten noch einige Jahre vergehen, bis ihm bewusst wurde, warum. In dieser Zeit sei das Schwimmen eine praktische Ablenkung von der Auseinandersetzung mit dem Schwulsein gewesen. „Da ich nicht bereit war, auf meine inneren Gefühle einzugehen, habe ich all diese Anstrengungen in das Schwimmen gesteckt und eine gute Juniorenkarriere gemacht.“

Der Ehrgeiz hat sich gelohnt: Mit 13 Jahren holte Gunning seinen ersten britischen Nationaltitel in der Disziplin 200-Meter-Schmetterling, mit 16 Jahren qualifizierte er sich mit der britischen Nationalmannschaft für die „Open Water“-Europameisterschaft. Seit 2017 ist Gunning, der die jamaikanische und die britische Staatsbürgerschaft besitzt, Teil der jamaikanischen Schwimmnationalmannschaft. Aktuell hält er den nationalen Rekord in 200-Meter-Schmetterling, 200-Meter-Freistil und 400-Meter-Freistil.

Gefährliches Jamaika

Jamaika liegt im Ranking des Spartacus Gay Travel Index 2020 auf Platz 161, im karibischen Raum ist es das gefährlichste Land für sexuelle Minderheiten. Homosexualität ist illegal und zudem gesellschaftlich stark geächtet, was häufig religiös begründet wird. 96 Prozent der Jamaikaner waren laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2004 gegen eine Lockerung der Strafgesetze in Bezug auf gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr. Gemeint ist schwuler Sex, da Frauen in den Gesetzestexten überhaupt keine Erwähnung finden. Dennoch gibt es auch vereinzelte Berichte von sexualisierter Gewalt gegen Lesben, unter anderem sogenannte „korrigierende Vergewaltigungen“, bei denen ein oder mehrere Männer lesbische Frauen vergewaltigen, um sie „zu heilen“.

Für einen erfolgreichen schwulen Schwimmer somit nicht das erste Land auf der Prioritätenliste. Aber Gunning sagt, er habe sich bewusst dafür entschieden, für Jamaika zu schwimmen. Die Entscheidung sei gefallen, nachdem sich ein islamistischer Selbstmordattentäter am 22. Mai 2017 nach einem Popkonzert der US-amerikanischen Sängerin Ariana Grande in der Manchester Arena in die Luft gesprengt und 22 Menschen mit in den Tod gerissen hatte. Der Terroranschlag habe sein Leben perspektivisch verändert, erklärt Gunning, und so habe er in diesem Jahr beschlossen, für Jamaika zu schwimmen, um mehr Menschen zu inspirieren und seine Geschichte zu teilen. Als ‚schwules Aushängeschild‘ habe er mehr Möglichkeiten, in Bezug auf LGBTIQ*-Rechte Verbesserungen in Jamaika zu erreichen.

„Die Welt dreht sich langsam, aber ich glaube, sie verändert sich, und ich bin sicher, dass Jamaika mit der Zeit LGBT-Leute akzeptieren und die Gesetzgebung sich ändern wird, aber es ist ein langsamer Prozess, und ich denke, je mehr Vorbilder wir haben, desto besser.“

Unterstützung und Lob aus der Community

Für seine Bemühungen um die Sichtbarmachung von LGBTIQ*s im Sport wurde Michael Gunning 2019 der Attitude Pride Award verliehen. Seit 2015 zeichnet das schwule Magazin attitude alljährlich Personen aus der queeren Community aus, die dazu beitragen, die Welt sicherer, freundlicher und akzeptabler zu machen. Anlässlich der Verleihung erzählte Gunning dem Magazin seine Geschichte. 

Lange Zeit dachte Gunning, er sei bisexuell. Erst im Rahmen der Reality-Dating-Show The Bi Life, an der er 2018 teilnahm, wurde ihm schließlich klar, dass er sich als schwul identifiziert. In der von der australischen Dragqueen Courtney Act moderierten bisexuellen Dating-Show The Bi Life wurden junge bisexuelle Menschen über zehn Folgen hinweg begleitet, wie sie sich beim Erkunden der Dating-Szene in Barcelona gegenseitig beraten und unterstützen.

Gunning engagiert sich auch in der BlackLivesMatter-Bewegung. Mit seiner Aufforderung, täglich für Gleichberechtigung, Inklusion und Vielfalt zu kämpfen, macht er gleichzeitig auch unmissverständlich klar, dass alle Leben zählen!

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