Singapur: Homosexualität weiterhin illegal

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Der Hohe Gerichtshof von Singapur entschied: Paragraph 377A aus der britischen Kolonialzeit beibt bestehen, Homosexualität ist damit weiterhin kriminell. Indiens oberstes Gericht hatte 2018 den gleichen Absatz als ungültig erklärt und Homosexuelle aus der Illegalität befreit.

Das schwulenfeindliche Kolonialgesetz wurde 1938 unter britischer Herrschaft eingeführt. Homosexuelle Handlungen sollen mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Seit langem wird der Paragraph von Queeraktivisten kritisiert, da er, obwohl sehr selten angewandt, so doch Generationen von Homosexuellen kriminalisiert. 2007 wurden Oral- und Analsex in Singapur legalisiert – schwule und bisexuelle Männer wurden von der Reform jedoch explizit ausgenommen.

Viele queere Menschen aus Singapur, aber auch aus ganz Asien, setzten ihre Hoffnungen in das wegweisende Urteil aus Indien – sie wurden enttäuscht. Das Hohe Gericht in Singapur wandte sich gegen Vernunft und Fortschritt. Es wies letzte Woche die Klagen dreier Aktivisten ab, denen zufolge die Kriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten gegen die verfassungsmäßigen Rechte auf persönliche Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Meinungsfreiheit verstoße.

Bereits im Oktober 2014 verliefen Versuche im Sande, das Berufungsgericht in Singapur dazu zu bringen, das schwulenfeindliche Gesetz zu streichen. Damals hieß es, die Queercommunity müsse auf eine Reform des besagten Paragraphen warten. 


Fortschritt? Chance vertan

Nach dem Urteil war die Enttäuschung groß. Téa Braun, Direktorin des Human Dignity Trust, erklärte anschließend:

„Diese Entscheidung wird für die Kläger und die breitere LGBT-Gemeinschaft in Singapur äußerst enttäuschend sein. Sie hegten große Hoffnungen, dass neue Beweise, die dem Gericht vorgelegt werden, deutlich machen würden, dass diese drakonischen Gesetze einer ordnungsgemäßen verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten können.“

Außerdem würde das Urteil in Asien sicherlich ein schädliches Echo finden – auf dem Kontinent, auf dem noch immer Millionen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität kriminalisiert würden, so Braun. Sexuelle Handlungen zwischen Männern sind in 22 asiatischen Ländern illegal; die zwischen Frauen in 17 Ländern. 

In Indien hat sich seit dem Urteil 2018 viel getan – im Februar 2020 kam die erste schwule Bollywood-RomCom in die Kinos (wir berichteten). Gegenüber der taz sprach die lesbische Unternehmerin Susan Dias aus Mumbai letztes Jahr darüber, dass Unternehmen die queere Subkultur für sich entdecken und Homosexualität kommerzialisieren würden. Und im Männer-Interview erzählte der indische Bollywood-Schauspieler Saattvic, wie sich die Stimmung in der Community seit dem Urteil generell verbessert habe (wir berichteten)

Doch der Kampf geht natürlich weiter. Indien verfügt weder über allumfassenden Diskriminierungsschutz bezüglich der sexuellen Orientierung und Identität, noch über eine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare. Zusätzlich herrscht besonders in ländlichen Gegenden weiterhin eine sehr negative Stimmung gegenüber Homosexualität. 

Dennoch: Der erste Schritt in Indien wurde getan. In Singapur muss die Community weiter warten. Ein wenig Hoffnung bleibt: Möglicherweise wird der Fall zurück an das Berufungsgericht gegeben, das 2014 die Entscheidung traf, die maßgeblich verantwortlich war für das neue Urteil des Hohen Gerichts. In Singapur ist der Oberste Gerichtshof in das Hohe Gericht und das Berufungsgericht unterteilt, letzteres hat jedoch mehr Handlungsfreiheit. 

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