Großbritannien kürzt Hilfen für UNAIDS um mehr als 80 Prozent

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Großbritannien hat die diesjährige Hilfe für UNAIDS, die UN-Agentur, die AIDS und HIV bekämpft, um 12,5 Millionen Pfund – und damit mehr als 80 Prozent – gekürzt. Schuld soll Corona sein. Aktivist*innen bezeichneten den Schritt als „beschämend“ und „kurzsichtig“. Deutschland schlug derweil einen anderen Weg ein.

Die Finanzierungshilfe von Großbritannien ist damit von 15 Millionen Pfund im Jahr 2020 auf 2,5 Millionen Pfund gefallen, wie UNAIDS in einer Stellungnahme bekanntgab. UNAIDS bezeichnete die Kürzungen als signifikant und machte deutlich, dass sie spürbare und reale Folgen nach sich ziehen würden – besonders Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von lebensrettenden HIV-Präventions- und Behandlungsdiensten auf der ganzen Welt. Als Leidtragende nannte die Organisation junge und heranwachsende Mädchen und Frauen sowie Minderheiten, allen voran die Queercommunity.

„Sie beeinträchtigt die Unterstützung zur Wahrung der Menschenrechte einiger der am stärksten marginalisierten Menschen, einschließlich lesbischer, schwuler, bisexueller, transgender, queerer und intersexueller Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Es reduziert die globale Gesundheitssicherheit.“


Britische Regierung spart an der Auslandshilfe

Die Kürzung ist die jüngste in einer Reihe von Sparmaßnahmen der britischen Regierung, die dies mit der finanziellen Belastung durch die COVID-19-Pandemie zu rechtfertigen versucht. Im November gab Premierminister Boris Johnson bekannt, das britische Ausgabenziel für die Auslandshilfe von 0,7 Prozent des Nationaleinkommens auf 0,5 Prozent zu reduzieren. Großbritannien bleibt damit zwar einer der größten Geber von Auslandshilfe weltweit, aber:

Die Senkung bedeutet eine Reduzierung des Budgets für Auslandshilfe um mehr als 4 Milliarden Pfund und stieß auf heftigen Widerstand von Abgeordneten und Hilfsorganisationen. Die Regierung sagte, die „seismischen Auswirkungen“ der Pandemie hätten sie gezwungen, „harte, aber notwendige“ Entscheidungen zu treffen.

Foto: Jannes Van den wouwer / unsplash / CC0

UNAIDS bezog sich in seinem Statement auch auf die Gründe, die Großbritannien zu den Kürzungen bewogen haben:

„UNAIDS erkennt die herausfordernde Situation vieler Regierungen an, bedauert jedoch zutiefst diese Entscheidung unseres langjährigen Partners und Fürsprechers. Wir bewerten den vollen Umfang und die Auswirkungen der Kürzung und arbeiten aktiv an der Formulierung von Abhilfestrategien.“


„Kurzsichtig“ und „beschämend“: Aktivist*innen verurteilen den Schritt

Saoirse Fitzpatrick, Advocacy Manager bei STOPAIDS, einem Netzwerk von rund 70 Organisationen, bezeichnete die Kürzungen als „beschämend“ und sagte:

„Diese Kürzungen werden die am stärksten marginalisierten Gemeinschaften auf der ganzen Welt am härtesten treffen. Sie drohen, die jahrzehntelangen Fortschritte in der HIV-Bekämpfung, die UK Aid ermöglicht hat, zunichte zu machen.“

Christine Stegling, Geschäftsführerin der Wohltätigkeitsorganisation Frontline AIDS, nannte die Entscheidung der britischen Regierung „kurzsichtig“ – sie warnte, dass nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten die reale Gefahr bestünde, dass hart erkämpfte Fortschritte im Kampf gegen HIV und AIDS ins Gegenteil verkehrt würden.

„Diese Kürzungen durch die britische Regierung werden dieses Risiko aktiv erhöhen und die Voraussetzungen für einen Anstieg der HIV-Raten und AIDS-Todesfälle in vielen Ländern schaffen.“


Spahn geht anderen Weg

Dass es auch anders geht, zeigte Deutschland im vergangenen Jahr: Es erhöhte seine jährliche Finanzierungshilfe für UNAIDS in Höhe von fünf Millionen Euro um eine Einmalzahlung von 20 Millionen Euro – und zwar nicht trotz, sondern wegen COVID-19. Gesundheitsminister Jens Spahn gab die Entscheidung im Juni während eines Treffens mit Winnie Byanyima, der Exekutivdirektorin von UNAIDS, in Genf während der 46. Sitzung des UNAIDS Programmkoordinierungsrates bekannt. Er sagte dazu:

„Wir würdigen die Arbeit von UNAIDS im Kampf gegen COVID-19, die sich darauf konzentriert, die Gemeinschaften einzubinden, sicherzustellen, dass gefährdete und wichtige Bevölkerungsgruppen mit grundlegenden Gesundheitsdiensten, einschließlich HIV-Diensten, erreicht werden, die Grundrechte zu schützen und die sozioökonomischen Auswirkungen der Epidemie abzuschwächen.”

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

UNAIDS begrüßte dieses Zeichen der Unterstützung. Es sei eine ermutigende Anerkennung der Arbeit, die sie gemeinsam mit Ländern und Partnern im Kampf gegen HIV während der COVID-19-Pandemie geleistet hätten, so Winnie Byanyima. Außerdem würden dadurch die Lehren und Erfahrungen anerkannt, die in den vergangenen Jahrzehnten bei der HIV-Bekämpfung gewonnen wurden und die nun im Kampf gegen COVID-19 genutzt würden. Byanyima rief andere auf, dem Beispiel Deutschlands zu folgen und weiterhin in die globale HIV-Bekämpfung zu investieren.

In einem Statement vom Juni 2020 sprach UNAIDS außerdem von einer Welt, die mit „den kollidierenden Pandemien HIV und COVID-19“ konfrontiert sei und berief sich auf Modellrechnungen, denen zufolge eine sechsmonatige Unterbrechung der HIV-Dienste aufgrund von COVID-19 die Zahl der AIDS-bedingten Todesfälle in Afrika südlich der Sahara verdoppeln und die Uhr in der Region auf das Jahr 2008 zurückstellen könnte. Die Organisation warnte außerdem vor einer möglichen Erhöhung der HIV-Neuinfektionen bei Kindern um bis zu 162 Prozent.

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