WELT-AIDS-TAG FRANKFURT

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© FOTO: AIDS-HILFE FRANKFURT

Wie immer mit Spannung erwartet: die diesjährige Veranstaltung der AIDS-Hilfe Frankfurt zum Welt-Aids-Tag. Wir haben Reiner Dickopf (Foto), AIDS-Hilfe-Fachbereichsleiter Psychosoziales und Prävention, vorab zum diesjährigen Motto Weiterleben gefragt. bjö

REINER, WIE KAM ES ZUM MOTTO WEITERLEBEN?

In dieser 19. Gedenkveranstaltung kehren wir sozusagen zu den Anfängen zurück. In den ersten Jahren ging es ja in der Paulskirche vor allem darum, der Trauer, der Überwältigung durch den Tod so vieler Freunde, aber auch der Wut gegen die politischen Pläne zur Ausgrenzung Ausdruck zu verleihen. Über die Jahre hat sich der Charakter der zwei Stunden in der Paulskirche peu à peu verändert. Zunehmend ging es um die Auseinandersetzung mit medizinischen, juristischen, politischen Fragen, auch mit Fragen zur schwulen Identität und schwulem Leben, mit oft prominenten Rednern. Wir wollten diesen ursprünglichen Charakter, der ja ganz wesentlich nicht nur zur Paulskirchenveranstaltung, sondern zur AIDS-Hilfe gehört, das Trauern und Erinnern an unsere Toten wieder in den Blickpunkt rücken. Das soll in dem Titel Weiterleben anklingen.

KOMMT DAS NICHT ÜBERRASCHEND, DA DAS THEMA TOD, INSBESONDERE VON SEITEN DER AIDS-HILFE, SCHON SEIT LANGEM NICHT MEHR UNMITTELBAR MIT HIV IN EINEM ATEMZUG GENANNT WIRD?

Der Ausgangspunkt war ganz praktisch. In unserer Vorbereitungsgruppe kam zur Sprache, dass manche den Trauermarsch nach der Veranstaltung zum Aids-Memorial überholt fänden. Die Kritiker des Marsches fänden, dass unterwegs viel geplaudert werde und die Passanten immer verständnisloser schauten. Das hat eine Diskussion unter uns ausgelöst darüber, wie wir mit der Trauer und der Erinnerung an die Aids-Verstorbenen umgehen sollen. Denn erstens sterben ja weiter Menschen auch in Frankfurt an Aids; mehr als 50 Namen werden dieses Jahr am Aids-Memorial verlesen: das sind die an Aids Verstorbenen in Frankfurt allein in diesem Jahr. Und zweitens gehören alle, die über die Jahre gestorben sind, zur Community dazu. Wir wollten mit dem Thema deutlich machen, dass eine angemessene Trauerkultur sozusagen zur DNA der AIDS-Hilfe und aller Aids-Hinterbliebenen gehört. Ab und an muss man auch an die Basics wieder erinnern.

DIE VERANSTALTUNGEN DER AIDS-HILFE FRANKFURT SIND IN DEN VERGANGENEN JAHREN OFT MIT ÄUßERST GEMISCHTEM FEEDBACK AUFGENOMMEN WORDEN. LEGT DIE AIDS-HILFE ES DRAUF AN, UNBEQUEME THEMEN UND VOR ALLEM THESEN ZUR DISKUSSION ZU STELLEN?

Wenn das heißt, dass es uns um die bloße Provokation geht, kann ich nur sagen: Nein, darum geht es uns nicht. Wir versuchen in der Vorbereitung immer, die aktuelle Situation und die jüngsten Debatten im Zusammenhang mit HIV und AIDS zu scannen und zu sehen, was beschäftigt die, die damit zu tun haben. Aber wir wollen diese Debatten nicht bloß kopieren, sondern ihnen einen besonderen Akzent abzugewinnen, vielleicht eine andere Blickrichtung versuchen. Oder aber wir stoßen selbst auf Themen, von denen wir überzeugt sind, dass sie virulent sind und dass es wichtig ist, sie auf die Agenda zu setzen. Dass das nicht bei allen auf Zustimmung stößt, ist doch nur verständlich. Außerdem ist die Community zu bunt, als dass einhellige Zustimmung auch nur denkmöglich wäre. Sollte es mal eine Veranstaltung geben, nach der alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre, dann müsste ich daraus schließen, dass alle währenddessen eingeschlafen sind.

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