Meinung: GenderGaga in vollen Zügen!

Geschlechterrollen aufzubrechen ist in Deutschland so ein bisschen wie eine Fahrt mit den Hochgeschwindigkeitszügen seines Eisenbahnkonzerns: Wann und wo ankommen ist ein, ab und an, ergebnisoffener Feldversuch unter Realbedingungen mit Chance auf maximale Frustrationserfahrung.

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Statt weiterer lahmer Bahn-Methaphern aber zunächst zur – echt krassen – Nachricht:

Fotos: DB / railbow

Deutsche Bahn schafft Geschlechter ab

Foto: Screenshot linkedin

Das gaben das queere Mitarbeiter*innen-Netzwerk railbow und der Konzernchef bekannt – und zwar mit sofortiger Wirkung. Niemand der Herren der Schöpfung muss aber Angst haben, demnächst im Zug neben den Fahrkarten auch ihr Geschlechtsteil ab ... Genau. Wir schweifen ab. Es geht zwar um die Abschaffung von Geschlecht, aber nur, was die dazugehörige Bekleidungsvorschrift angeht.

Auf LinkedIn gab der Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Bahn AG, Dr. Richard Lutz bekannt:

„Come as you are: Mitarbeitende der Deutschen Bahn können seit gestern unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer geschlechtlichen Identität ihre Unternehmensbekleidung selbst wählen. {...} DB-Mitarbeitende können damit also genau die Kleidung tragen, in der sie sich am wohlsten fühlen. Das freut mich persönlich sehr, denn eine vielfältige und bunte DB liegt mir als Schirmherr von #Railbow, unserem #LGBTIQ* Mitarbeitenden-Netzwerk, besonders am Herzen.“

Foto: Deutsche Bahn AG / Pierre Adenis

Norbert Nirschl, Sprecher von railbow freut das zurecht:

„Wir als railbow sind stolz auf unsere Arbeitgeberin, die allen Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, sich frei zu entwickeln." 

Auch der Zeitpunkt der Bekanntmachung passt, denn die vierte DB Diversity Woche steht  an, wie Nirschl weiter ausführt:

„Eine tolle Aktionswoche, die von allen Mitarbeitendennetzwerken, u.a. Frauen bei der Bahn, DB Cultures, diversITy und railbow in Zusammenarbeit mit dem konzernweiten Diversity Management durchgeführt wird."

Und zudem engagiere sich die Deutsche Bahn ganzjährig für Vielfalt und Chancengleichheit unter dem Dach der Initiative Einziganders. Soweit die Nachricht.

Das Wetter: Stürmisch mit orkanartigen Böen 

Wie in Überschrift und Einleitung dieses Kommentars angedeutet, ist nicht damit zu rechnen, dass sich alle über diesen historischen Schritt in 187 Jahren Eisenbahngeschichte freuen werden. In der männer* Redaktion laufen Wetten, wie schnell in den Kommentarspalten Posts von Wagner bis Weidel versuchen, die ganze Sache als lächerlich, unwichtig oder gleich ganz zeitungeistig „woken Unsinn" zu diskreditieren. Selbstverständlich werden sich einige in CAPS LOCK über volle Züge, Verspätungen und Gender-Zwang erregen. Darum hier die ultimative Einwandvorwegnahme: 

Niemand zwingt irgendwen zu irgendwas. Das Gegenteil ist der Fall: Zwang wird abgeschafft. Es werden keine Verbote zur Knechtung des Heteronormalmenschens erlassen, es werden Verbote gestrichen. Punkt. 

Sich diesem Sturm auszusetzen ist – leider – verdammt mutig für ein Unternehmen mit einer so großen Öffentlichkeitswirkung. Und es ist großartig. Nicht nur für die Mitarbeitenden, die von ihrem Arbeitgeber aus einer falschen und zu engen Uniformität befreit werden. Auch, vielleicht noch viel wirkmächtiger, werden Gewohnheiten in Frage gestellt. Denn es werden Lebenswirklichkeiten aufeinandertreffen, die sonst vielleicht nie aufeinandertreffen. Völlig unerwartet in banalsten Alltagssituationen.

GenderGaga in vollen Zügen. Das ist kein dystopischer Albtraum. Das ist gelebter Respekt zwischen Kund*in und Dienstleistern. Das ist Anstand, gute Kinderstube, Haltung. Und das ist vor allem eines: ein netter Zug!

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