Deutschland • Über ein Drittel mehr homo- und transfeindliche Hasskriminalität

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Bundesinnenminister Horst Seehofer stellte am 4. Mai die Fallzahlen zur politisch-motivierten Kriminalität 2020 vor – das Ausmaß ist erschreckend.

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Die politisch-motivierte Kriminalität in Deutschland befindet sich aktuell auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001: Politisch motivierte Straftaten sind im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf insgesamt 44.692 Delikte gestiegen. Politisch motivierte Gewalttaten haben mit 3.365 Delikten sogar um 18,8 Prozent zugenommen. Das zeige „eine klare Verrohungstendenz in Deutschland“, so Seehofer.

Homophobe und transfeindliche Hasskriminalität 

Unter den „Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2019 und 2020“, wozu die Themenfelder „sexuelle Orientierung“ und „Geschlecht/sexuelle Identität“ gehören, war in nahezu allen Themenfeldern ein Anstieg zu beobachten. 

Die politisch motivierte Kriminalität gegen die sexuelle Orientierung von Menschen ist mit 578 Delikten etwa auf demselben Stand wie im Vorjahr, jedoch stechen zwei Angaben heraus: Linkspolitisch motivierte Straftaten gegen die sexuelle Orientierung sind im Jahr 2020 von 1 auf 12, religiös motivierte Straftaten von 4 auf 17 Fälle angestiegen. 

Bei den Gewalttaten gegen die sexuelle Orientierung war 2020 ein Rückgang um rund 24 Prozent auf 114 Delikte festzustellen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Gewalttaten aus dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ stark zurückgegangen sind – das Gesamtstraftatenaufkommen hat sich im Vorjahresvergleich nahezu halbiert.

Unter Hasskriminalität wurden im letzten Jahr auch erstmals Straftaten gegen Geschlecht und sexuelle Identität, also transphob motivierte Straf- und Gewalttaten erfasst. Daher sind hier keine vergleichbaren Vorjahreszahlen verfügbar. Im vergangenen Jahr wurden 204 Straftaten, davon 40 Gewalttaten gemeldet. Rund die Hälfte davon sind dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zuzuordnen.

Insgesamt 782 Straftaten von Hasskriminalität wurden 2020 gegen queere Menschen registriert, darunter 154 Gewalttaten.

Das entspricht einem Anstieg von 36 Prozent.

Der islamistische Terroranschlag auf ein schwules Paar in Dresden im November 2020 scheint in der Statistik noch nicht auf. Auch der Mord an einem schwulen Mann durch zwei rechtsextreme Männer im thüringischen Altenburg ist in der Statistik nicht registriert. Expert*innen gehen von einer Dunkelziffer von bis zu 90 Prozent aus.

LGBTIQ*-feindliche Hasskriminalität gehört auf innenpolitische Agenda

Jeden Tag werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil sich Gewalttäter*innen allein durch den Anblick einer  Drag Queen, einer trans* Person oder eines lesbischen oder schwulen Paares dazu motiviert fühlen, brutal zuzuschlagen. 

Weil es darüber hinaus ein „zentrales Muster von Homophobie und Transfeindlichkeit“ sei, „Diskriminierungen und Bedrohungen von LSBTI unsichtbar zu machen und zu bagatellisieren“, forderte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) , zuvorderst müsse sich „die Haltung in Politik, Behörden und auch Medien ändern“.

Während Seehofer das linke Spektrum der Gewalttäter*innen in den Fokus rückte – „der gewaltbereite Linksextremismus ist nach wie vor eine ernst zu nehmende Bedrohung für unsere freiheitliche Demokratie“ –, kündigte der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch an, die Maßnahmen und Kapazitäten insbesondere in den Bereichen „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ und „Hasskriminalität“ ausbauen zu wollen.

Ein entsprechendes Programm hat der LSVD bereits vorgelegt. Das im Oktober 2020 veröffentlichte Positionspapier „Frei und sicher leben - Homophobe und transfeindliche Hasskriminalität entschieden bekämpfen“ enthält Kernforderungen zur Erfassung, Prävention und Bekämpfung homophober und transfeindlicher Hasskriminalität und konkrete Vorschläge für Maßnahmenprogramme und Gesetzgebung.

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