Nach Angriff beim CSD Münster: trans Mann Malte C. ist tot

Hass führt zu Gewalt. Gewalt führt zum Verlust von Menschenleben.

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Hass führt zu Gewalt. Gewalt kann tödlich enden. Beim #CSD in #Münster traf sie Malte: Er erlag laut Angaben der Polizei am Freitagmorgen seinen schweren Kopfverletzungen. Der 25-jährige trans Mann war Ordner und wollte lesbischen Frauen in Bedrängnis helfen.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung wandten sich Polizei und Staatsanwaltschaft Münster an die Öffentlichkeit: 

Der 25-jährige Mann, der am Samstagabend (27.8., 20:10 Uhr) am Rande der Christopher-Street-Day-Versammlung am Albersloher Weg bei einem brutalen Angriff schwer verletzt worden war, ist am frühen Freitagmorgen (2.9.) seinen Verletzungen erlegen.

Der Tathergang 

Ein Unbekannter hatte am Samstag während der CSD-Demonstration in Münster nach Angaben der Polizei und Zeugen mehrere Teilnehmerinnen massiv homophob und frauenverachtend beleidigt und bedroht. Der 25-Jährige Malte, der als Ordner beim CSD tätig war, versuchte zu schlichten. Die Schlichtungsbemühungen des jungen Mannes sollen Auslöser für die Attacke gewesen sein. 

Die Tätersuche

Der Tatverdächtige ist fußläufig mit einem Begleiter in Richtung Industriestraße geflüchtet. Zeugen beschrieben ihn als 1,70 bis 1,80 Meter großen 18 bis 20 Jahre alten Heranwachsenden mit schmächtiger Statur und einem Bart. Er sei mit einer Jeans mit breit ausgestellten Beinen, einem T-Shirt und einem Anglerhut bekleidet gewesen. Sein Begleiter soll gleichen Alters, ebenfalls männlich und mit einem weißen T-Shirt bekleidet gewesen sein.


Die Polizei fragt: Gibt es weitere Personen, die Hinweise zur Identifizierung des Täters, seines Begleiters, zum Tatverlauf oder zu den Tatumständen geben können? Hinweise nimmt die Polizei unter der Rufnummer 0251 275-0 entgegen.


Die Metaebene

Foto: Christian Knuth


Was ist außer Entsetzen als Reaktion auf eine solche Tat möglich? Seit über zehn Jahren erforscht Berlin mit der Initiative Berlin tritt ein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (ISV) das in einem bundesweit bis heute leider einmaligen und erfolgreichen Feldversuch.


➡️ zum Interview mit dem Chef der Berliner Linken, Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa in Berlin, Klaus Lederer über die ISV geht es hier HIER


Seit ebenfalls inzwischen über zehn Jahren steht ein Teil der ISV als Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie in den Koalitionsverträgen von inzwischen der vierten Bundesregierung. Arnulf Sensenbrenner, Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) NRW, wendet sich dahingehend in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit und die Politik:

In diesen Stunden sind unsere Gedanken bei Malte, seinen Angehörigen und Freund*innen. Wir hoffen, dass er sich von dem brutalen Angriff wieder vollständig erholen kann. Die Polizei Münster und der polizeiliche Staatsschutz müssen diese transfeindliche Gewalttat schnell aufklären und als das einordnen, was sie ist: eine politisch motivierte Straftat.

Wenn unsere Community noch nicht einmal beim Christopher-Street-Day sicher ist, zeigt das, wie sehr LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität unsere Freiheit einschränkt. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, nicht-binäre und queere Menschen haben ein Grundrecht darauf, frei und sicher leben zu können. Es ist die Aufgabe des Staates, diese Grundfreiheiten zu garantieren und zu schützten.

Sowohl im Bund als auch in Nordrhein-Westfalen brauchen wir ein engagiertes Zusammenwirken von Politik, Sicherheitsbehörden, Justiz und Zivilgesellschaft. Zwar fördert das Land NRW derzeit den Aufbau einer Meldestelle „Queerfeindlichkeit“, jedoch brauchen wir deutlich mehr Maßnahmen, die vor allem auch in der Fläche wirken. Dazu gehört nicht nur die Benennung von hauptamtlichen LSBTIQ*-Ansprechpersonen bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Die Behörden müssen bei der Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt auch verstärkt mit LSBTIQ*-Organisationen zusammenarbeiten, um Vertrauen zu schaffen, Opfern angemessen zu helfen und damit die Anzeigebereitschaft zu steigern. Es braucht zielgenaue Konzepte zur Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen.

Jeden Tag gibt es mindestens drei Gewalttaten gegen LSBTIQ* – über 1.000 Taten allein im Jahr 2021. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs der gemeldeten Taten. Tagtäglich werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter*innen ihren Hass auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, nicht-binäre und queere Menschen (LSBTIQ*) in Gewalt ausleben.

Kommission des BMI konstituiert sich 

Foto: Rosa Geschichte. Schwul-lesbisches Archiv Münster / Repro: Stadt Münster.

Immerhin kann Sensenbrenner aber Fortschritte der im Dezember bei der Innenministerkonferenz geforderten Kommission zur  Erarbeitung von Strategien und Maßnahmen gegen LGBTIQ*-Feindlichkeit (männer* berichtete) vermelden. 

Nachdem das BMI mehr als ein halbes Jahr zu dieser Kommission geschwiegen hat, soll im September die erste Auftaktsitzung des Arbeitskreises „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ stattfinden. Der LSVD-Bundesverband wird Teil dieses Arbeitskreises sein.

Für Malte C. kommt jede dieser Bemühungen zu spät. Unsere Gedanken sind bei seinem Freund*innen und seinen Angehörigen. 

*AFP/bro/ckm/LSVD-NRW/ck

Hintergrundinformationen 

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