INTERVIEW TRANSSEXUALIÄT AUF AUGENHÖHE

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Kurz vor der ersten Kuratoriumssitzung der neuen Bundesstiftung Magnus Hirschfeld sorgte ein medialer Schlagabtausch zwischen den schwulen Politikern und Kuratoren Volker Beck (Grüne) und Michael Kauch (FDP) für Aufsehen. Vernachlässigt die Stiftung das Thema Trans- und Intersexualität? blu sprach mit Stiftungsvorstand Jörg Litwinschuh.

WIR WAREN ÜBERRASCHT, ALS WIR DIE PRESSEMITTEILUNG VON VOLKER BECK ERHIELTEN, DER EINE SATZUNGSÄNDERUNG FORDERTE. WIE WURDE DER VORSTOSS AUF DER KURATORIUMSSITZUNG AUFGENOMMEN?

Der Antrag auf Satzungsänderung liegt dem Kuratorium bereits seit über einer Woche schriftlich vor. Einige Kuratoriumsmitglieder waren jedoch verwundert, dass dieser Antrag noch bevor überhaupt über die Aufnahme des Antrags auf die Tagesordnung entschieden werden konnte über eine Pressemitteilung verbreitet wurde... Ich selbst werde das nicht kommentieren.

GIBT ES DENN NUN EINEN STREIT UM DAS THEMA TRANSSEXUALITÄT IN DER STIFTUNG?

Es gibt keinen Streit in der Stiftung. Die Kuratoren Beck und Kauch haben sich hier unterschiedlich positioniert. Bitte frage die Herren Bundestagsabgeordneten selbst.

UND WIE SIEHST DU DAS THEMA SELBST? IMMERHIN WURDE JA NACH DER VORSTELLUNG DES SATZUNGSENTWURFS TROTZ DAMALIGER HINWEISE VOM VEREIN TRANSINTERQUEER UND ANDERER VERBÄNDE DENNOCH DARAUF VERZICHTET, DIE SATZUNG DIESBEZÜGLICH ZU ÄNDERN.

Man muss hier zwischen mir als Privatperson und meiner Rolle als Vorstand der Bundesstiftung unterscheiden. Ich bin selbst Mitglied bei TransInterQueer und war dies auch schon, bevor überhaupt klar war, dass ich in der Stiftung arbeiten werde. Viele wissen, wie sehr ich mich seit 2011 intensiv für das Thema Trans* und Inter* hinter den Kulissen eingesetzt habe und weiter einsetze. Ich wäre auch froh darüber gewesen, wenn das Thema Trans- und Intersexualität in der Stiftungssatzung eindeutiger geregelt worden wäre. Wenn man aber weiß, wie solche Stiftungssatzungen politisch entstehen und dass hier monate- und jahrelang über Formulierungen verhandelt wird, auch innerhalb der liberal-konservativen Regierung, die das Projekt ja realisiert hat, ist es eigentlich klar, dass es im Nachhinein kaum Änderungen geben wird. Denn nur wesentliche Änderungen wären nach so kurzer Zeit auch rechtlich unbedenklich. Die vorliegende Satzung ist ein Abbild der an der Gründung beteiligten Bundesregierung, der Bundestagsabgeordneten und der Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft.

Noch mal ganz persönlich: Hätte ich die Satzung als Bundesregierung geschrieben, hätte ich es exakter formuliert, denn Trans*, Inter* und Transgender gehören selbstverständlich auf Augenhöhe mit zur und in die Stiftung.

DU HAST AUF DER ERSTEN KURATORIUMSSITZUNG EIN BILDUNGS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM VORGESTELLT, IN DEM TRANS* UND INTER* DURCHGÄNGIG MITBEACHTET SIND...

... Ja. Das Forschungs- und Bildungs-Programm habe ich in den letzten Monaten unter Mitarbeit von vielen Fachleuten, die ich bundesweit besucht habe, entwickelt und man sieht daran, wie ernst ich es meine, dass z.B. auch Trans* und Inter*-Themen innerhalb der Stiftung gleich behandelt werden. Das Programm ist am 27.2. vom Kuratorium einstimmig beschlossen wurde, also auch mit den Stimmen aus dem konservativen Lager, dem manch einer eher Berührungsängste beim Thema Trans* zuschreibt.

DER FACHBEIRAT WURDE NUN ABER DOCH NOCH NICHT AUFGESTELLT. VERTRETER VON TRANSINTERQUER HATTEN GEWÜNSCHT, DASS SIE WENIGSTENS DORT BERÜCKSICHTIGT WERDEN.

Ich hatte vorgeschlagen, den in der Satzung auf sieben Personen festgesetzten Fachbeirat auf eine wesentliche höhere Zahl an Personen zu erweitern und unter diesen sorgsam ausgewählten Personen auch zwei Vertreter der Trans*- und Inter*- Interessensvertretung empfohlen. Das Kuratorium möchte noch einmal darüber nachdenken, ob in Bezug auf die Satzung und auf das Programm auch die Richtigen Expert_innen im Beirat sitzen würden. Die Wahl des Fachbeirats wurde daher auf die nächste Kuratoriumssitzung vertagt. Ich kann diese Entscheidung gut nachvollziehen. In der ersten Kuratoriumssitzung waren sehr viele Beschlüsse zu fassen, und ich möchte hervorheben, dass das ein sehr harmonisches, zielorientiertes und die Belange der ganzen LGBTTI-Community integrierendes Arbeitstreffen war. Das ist ein großer Erfolg für die noch junge Stiftung, der so ja auch nicht 100%ig vorhersehbar war.

Interview: Christian Knuth

Internet: DIE STIFTUNG IM NETZ

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