Die Corona-Krise: Eine einzigartige Möglichkeit, um STI's langfristig zu dezimieren?

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Das behaupten zumindest die Experten von 56 Dean Street, dem größten Zentrum für sexuelle Gesundheit in Großbritannien. Durch den Rückgang an Gelegenheitssex sei die Corona-Krise eine noch nie dagewesene Chance, um Neuinfektionen von HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) rechtzeitig zu erkennen. Sie empfehlen jedem Menschen, sich STI- und HIV-Selbsttests zu bestellen, bevor der Lockdown in ihrem Heimatland endet.

Gegenüber der Newsplattform GayStarNews sprach Dr. Alan McOwan von dem britischen Gesundheitszentrum darüber, dass die Coronavirus-Pandemie eine einmalige Chance sein könnte, neue HIV-Übertragungen zu verhindern. 56 Dean Street diagnostiziert rund ein Viertel der sexuell übertragenen Infektionen bei schwulen Männern aus Großbritannien. Daher können sie Tendenzen in der sexuellen Gesundheit erkennen – Monate bevor offizielle Ergebnisse veröffentlicht werden. Laut dem Experten zeigen sich erste Auswirkungen der Corona-Krise in folgenden Zahlen: 

Die Anzahl der Menschen, die in dem Zentrum wegen Gonorrhoe behandelt werden, ist um 86% von 350 auf etwa 50 pro Woche gesunken. Die Zahl der PEP-Verschreibungen nach risikobehaftetem Sex ging von 50 auf etwa fünf bis zehn pro Woche zurück. Außerdem machen viele Menschen derzeit einen „PrEP-Urlaub“ – statt 100 Personen pro Tag sind es nun nur noch etwa drei, die zur PrEP-Kontrolle zu 56 Dean Street kommen.

Man könnte nun argumentieren, dass die Zahlen deshalb gesunken sind, weil weniger Menschen sich zur Vorsorge oder Behandlung in das Gesundheitszentrum begeben. Aber der Experte hält es für unwahrscheinlich, dass zum Beispiel die Zahl der Gonorrhoe-Erkrankten auf diesen Umstand zurückzuführen sei. Er beschreibt die Symptome der Krankheit zum Beispiel beim Toilettengang als so gravierend, dass die Menschen ihretwegen auch trotz Ausgangsbeschränkungen zum Arzt gehen würden. 

Auch bei der Einnahme der PEP (Postexpositionsprophylaxe) würden, so McOwan, die Menschen nicht zögern, wenn sie sich einem Risiko ausgesetzt hätten. Er glaubt, dass die drastisch gesunkenen Zahlen darauf zurückzuführen seien, dass weit weniger Menschen derzeit Gelegenheitssex ausüben. Die Argumentation würde auch die geringe PrEP-Nachfrage erklären: Viele würden auf die Einnahme der Präexpositionsprophylaxe verzichten, da für sie derzeit kein Infektionsrisiko bestünde. 


Wie kann man die Corona-Situation zum Vorteil nutzen? 

Foto: testhelden.info

Das Team von 56 Dean Street ist überzeugt davon, dass sich in den letzten sechs Wochen nur sehr wenige schwule Männer mit HIV infiziert haben. Da es nach der Ansteckung bis zu vier Wochen dauert, bis das Virus in einem Test nachgewiesen werden kann, würden Tests, die man nun durchführt, praktisch alle Neuinfektionen erfassen. 

McOwan spricht von der Corona-Krise als einer einzigartigen Gelegenheit, HIV zu eliminieren. Viele Ärzte würden nun dazu raten, dass jeder sich vor dem Ende des Lockdowns und vor der Rückkehr in die Normalität einen HIV- und STI-Heimtest bestellt. Es sei der perfekte Zeitpunkt, so der Gesundheitsexperte. 

Dies würde besonders durch einen Faktor elementar: Menschen, die sich selbst erst vor kurzer Zeit infiziert haben, weisen sehr hohe Konzentrationen des Virus in ihrem Körper auf. Die Hälfte aller HIV-Infizierten in Großbritannien hat sich daher bei jemandem angesteckt, der sich selbst erst vor kurzem infiziert hat. Die Zahl dieser Menschen sinke nun derzeit – durch Selbsttests könne man die Übertragungswege noch weiter reduzieren. 

Der Arzt bittet alle Menschen um Mithilfe:

„Vor zwei oder drei Jahren diagnostizierten wir monatlich 60 bis 70 Menschen, die HIV-positiv waren. Ich habe meine Karriere begonnen, als buchstäblich alle gestorben sind. Jetzt ist es zum Greifen nah, dass wir verhindern können, dass sich alle anstecken. Wir möchten also nicht nur, dass Sie sich testen, sondern wir möchten, dass Sie uns helfen, jeden schwulen Mann zum Testen zu bewegen. Auf diese Weise können wir einen dramatischen, langfristigen Effekt erzielen. So eine Chance bekommen wir nie wieder.“


Wo bekommt man so einen Test her? 

Für den regelmäßigen STI-Check kannst du neben dem Besuch von Gesundheits- und Beratungszentren oder dem/der Mediziner*in deines Vertrauens auch Selbsttests durchführen, die du einschickst, damit das Ergebnis im Labor ermittelt wird. Bei HIV gibt es seit 2018 einen Heimtest, bei dem du das Ergebnis selbst auswerten kannst. Positive Ergebnisse sollten immer durch einen Labortest verifiziert werden. Das in Deutschland bisher kostengünstigste Angebot für einen regelmäßigen und vor allem kompletten STI-Check-up zuhause ist S.A.M. Wer nur einen HIV-Heimtest machen will, erhält diesen in jeder Apotheke online und stationär. 

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