Bonez MC „schießt“ Schwulem ins Bein

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Foto: Pascal Kerouche - OTRS ticket / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

Der Hamburger Rapper Johann Lorenz Moser ärgert seine queeren Fans mit homophoben Lyrics und verbalen Entgleisungen, die im Dancehall schon seit über zehn Jahren überholt und verpönt sind. 

Der 33-jährige unter dem Pseudonym Bonez MC bekannte Wortakrobat textete die Hookline des im monotonen „Heiße Kartoffel oder sonst was Großes im Mund“-Sprechgesang vorgetragenen „Shotz Fired“, das am vergangenen Freitag erschien, so:

Eine in dein Bein (Boom), Shotz fired

Du, sag deinem kleinen Bullen-Nuttensohn aus Bayern

Sag, du bist nicht schwul (Hah), bist du Meier?

Pack mal lieber wieder deine Hand an meine Eier (Schwuchtel)

Warum möchte MC Johann seine Eier gestreichelt bekommen?

Zur Inszenierung der eigenen heterosexuellen Männlichkeit ist im Dancehall-Genre früher fast ausschließlich auf aggressive, gewaltverherrlichende Texte mit homophoben und frauenfeindlichen Inhalten zurückgegriffen worden. Das sei historisch bedingt, meint Patrick Helber, Autor des Buches Dancehall und Homophobie / Postkoloniale Perspektiven auf die Geschichte und Kultur Jamaikas:

„Diskurse im Dancehall sind die Fortsetzung von Diskursen, die ihren Ursprung in der Kolonialisierung und in dem Erbe des Kolonialismus in der jamaikanischen Gesellschaft haben.“

Die Zivilgesellschaft wehrte sich schon einmal erfolgreich 

Die weltweite Kampagne „Stop Murder Music“, die sich gegen Homophobie in (jamaikanischen) Dancehall-Texten richtete, führte zu einem Umdenken in der Szene – mit der Folge, dass sich bekannte Dancehall-Künstler wie Beenie Man, Capleton und Sizzla im Jahr 2007 dazu verpflichteten, in ihren Texten nicht mehr gegen Homosexuelle zu hetzen. Nicht ganz unbeteiligt daran war die queere Szene in der Bundesrepublik, der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) und Volker Beck (Bündnis90/Grüne, die Auftrittsverbote und sogar Einreiseverbote für homophobe Künstler durchsetzten.

Chauvinistische Beleidigungen und Diskriminierungen sind seither viel seltener geworden, auch, weil die Fans nicht mehr gewillt sind, diese Art von Wortschatz zu tolerieren. In den USA hätte Bonez MC mutmaßlich mit einem gewaltigen Shitstorm in den sozialen Medien rechnen müssen.

Jamaika und die USA weiter als Deutschland?

Hierzulande urteilte das Rap-Magazin 16BARS zwar nach der Beschwerde eines schwulen Bonez-Fans auf Instagram: „Die Zeilen sind klar homophob“, und stellt sich auch die Frage,

„warum rappt man 2020 noch so klar schwulenfeindliche Zeilen. Braucht einer der erfolgreichsten deutschen Rapper ein ‚Schwuchtel‘ als Ad-Lip, um den Eier-Meier Reim rund zu machen?“

Dennoch gibt man sich mehr oder weniger mit der Feststellung zufrieden, dass „im deutschen populären urbanen Kosmos [...] Heterosexualität weiterhin quasi eine Monopolstellung“ hat. Und so kann Johann Lorenz Moser in „Shotz Fired“ fröhlich rappen: „Jap, ich bin so cool, oh weia“.

Shitstorm wegen Corona-Gruppen-Selfie führte zu Einsicht

Foto: Screenshot instagram bonez187erz

In seiner Funktion als berufsmäßiger Provokateur veröffentlichte Johann Lorenz Moser erst kürzlich auf Instagram ein Gruppenfoto mit acht Personen, auf dem er selbst der Kamera den Mittelfinger entgegenstreckt. Die Botschaft: Den Corona-Regeln den Stinkefinger zeigen. Bei den Fans führte die Aktion allerdings nicht zur erhofften Begeisterung. Viele äußerten Unverständnis, ein User kommentierte: „Digger absolut unnötig in der aktuellen Situation.“ Nur kurze Zeit später wurde das Foto wieder gelöscht.

Der Erfolg von provokativem Verhalten hängt immer auch von der mentalen Bereitschaft des Publikums ab. Und von der Rolle der Medien, insbesondere der einschlägigen. 

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