Schwule Helden: Corny Littmann und Volker Beck

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Am 30. Juni 2020 jährte sich die Aktion des Hamburger Theatermachers Corny Littmann gegen Polizeiwillkür das 40. Mal. Der Bundestag entschied am 30. Juni 2017, die Ehe für gleichgeschlechtlich Liebende zu öffnen. Wohl Volker Becks schönster Tag dort. 

Jungfernstieg Riots nach 10. CSD in Hamburg

Foto: C. Littmann privat

Das zehnte Mal zogen Ende Juni 1980 schwule und lesbische Aktivist*innen durch den Schanzenpark in Hamburg und fingen an, sich gegen die dauerhafte Überwachung dieser frühen CSDs zur Wehr zu setzen. Am 28. Juni 1980 kam es zu einer Auseinandersetzung mit in einem VW-Bus versteckten und filmenden Polizisten. Der Vorfall schaffte es in die Tagespresse. Die Aktivistengruppe um den heutigen Chef des Hamburger Schmidt Theaters und Ex-Präsidenten des FC. St. Pauli Corny Littmann nutzte die öffentliche Aufmerksamkeit, um am 30. Juni 1980 in der U- und S-Bahnhaltestelle Jungfernstieg im Zentrum der Hansestadt einen der vielen Einwegspiegel zu zerschlagen, hinter denen Polizisten akribisch vermerkten, wer, wann und wie lange, was auf öffentlichen Herrentoiletten trieb. Die Aufzeichnungen wurden als sogenannte Rosa Listen bundesweit bekannt und konnten für die erfassten schwulen und bisexuellen Männer immer noch das Karriereende bedeuten – der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches war zwar entschärft worden, dennoch war zum Beispiel in der Justiz, bei der Polizei, als Lehrer oder bei der Bundeswehr ein Eintrag als Sittenstrolch oder warmer Bruder alles andere als ein Empfehlungsschreiben.

Die Spiegel-Affäre ist besonders für die Hamburger SPD ein unrühmlicher Schandfleck, denn sie leugnete davor lange vehement, dass es die Bespitzelung überhaupt gab, relativierte.  Erst nach dem 30. Juni 1980 gab der spätere 1. Bürgermeister Henning Voscherau in der Bürgerschaft zu, dass man die Aufzeichnungen wohl als Listen bezeichnen können. Viele der Toilettenspiegel wurden übrigens installiert, als Helmut Schmidt Hamburger Innensenator war. Auch als Bundeskanzler von 1974 bis 1982 wurde er kein Freund der Liberalisierung von warmen Brüdern.  

Bundestags Riots nach historischer Abstimmung 

Foto: C. Knuth

Am 30. Juni 2017 handelten sich Volker Beck und die Fraktion von Bündnis90/Grüne eine Rüge der Bundestagsverwaltung ein. Was war geschehen? Nach einem tagelangen politischen Schlagabtausch im Vorfeld der für den Herbst vorgesehenen Bundestagswahlen, hatten sich alle Oppositionsparteien und zuletzt auch die SPD festgelegt, mit der haushoch die Umfragen anführenden Merkel-CDU nur dann zu koalieren, wenn endlich die bürgerliche Ehe auch für gleichgeschlechtlich Liebende geöffnet werde.

Angela Merkel nutze – wie so oft in ihrer Karriere – den Zufall, diesmal eine Zuschauerfrage in einem Bürgergespräch der Zeitschrift Brigitte am 26. Juni, um den für sie immer gefährlicher werdenden gordischen Knoten pragmatisch zu lösen: Ulli Pridat (damals noch Köppe) fragte unvorbereitet, wann er denn damit rechnen könne, seinen Partner zu ehelichen. Die Antwort der Bundeskanzlerin hatte einen ähnlichen Effekt, wie Günter Schabowskis „Das tritt meiner Meinung nach ... unverzüglich in Kraft“ am 9. November 1989. 

Merkel erklärte in ihrer Antwort, dass die Öffnung der Ehe eine Gewissensentscheidung sei und machte so den Weg für eine nur vier Tage später vom Koalitionspartner SPD beantragte Abstimmung über die Änderung des Eheparagrafen im bürgerlichen Gesetzbuch frei. Sie hob den Fraktionszwang für die Unionsparteien am 30. Juni 2017 auf. Um ungefähr neun Uhr war es soweit. Nach einer letzten Debatte stimmten die Parlamentarier mit einer deutlichen Mehrheit von 393 Ja-Stimmen gegen 226 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen für die Änderung des Ehebegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch (männer* berichtete). Frau Merkel stimmte nach eigenen Angaben mit Nein. 

Volkers letzter Kampf – diesmal gegen die eigene Partei

Foto: Facebook / Charlotte Obermeier

Foto: Bernd Gaiser / Facebook


Und was war nun mit der Rüge für die Grünen und Volker Beck? Im Freudentaumel bei Verkündung des Abstimmungsergebnisses, zündeten Abgeordnete der Fraktion eine Glitzerkonfettibombe – das Foto des vor Erleichterung und Freude strahlende Volker Becks im Glitzerregen wird für ewig mit diesem Moment der modernen queeren Emanzipationsbewegung verbunden bleiben. Dieser Konfetti-Love-Storm wurde vom Bundestag gerügt.

Für Volker Beck war es aber eben nicht nur die Erfüllung seines politischen Lebenswerkes, es war auch sein letzter Tag als Bundestagsabgeordneter nach 23 Jahren zähen Ringens um die Schrittweise Gleichstellung von LGBTIQ* in der Bundesrepublik. Und es war der Moment, in dem eine letzte Kraftanstrengung von ihm abfiel, denn die Grünen hatten ihn nach einem –später von der Staatsanwaltschaft eingestellten Drogendeliktes – fallen gelassen und wollten auf dem Wahlprogrammparteitag eben keine Festlegung auf eine Ehe für alle als Koalitionsbedingung. Beck setzte sich ein letztes Mal durch und legte so erst die Grundlage für den Dominoeffekt bei den anderen Parteien, der letztlich die Gewissensentscheidung zur Gewissensentscheidung von Merkel herausforderte. 

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