Coming-out: Riccardo Simonetti spricht über sexuelle Belästigung

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Für mehr Sichtbarkeit: Der Entertainer, Moderator und Influencer erzählte auf Instagram davon, dass er vor einigen Jahren von einem Taxifahrer sexuell belästigt wurde. Er drückte auch seine Hoffnung aus, dass seine Follower ähnliche Vorfälle zur Polizei bringen und es nicht wie er zu verdrängen versuchen. Es sollte endlich normal werden, über so etwas reden zu können, meint Simonetti.

Foto: M. Rädel

Obwohl die #MeToo-Debatte in den letzten Jahren viel Öffentlichkeit für Opfer sexueller Gewalt herstellte und der Problematik dazu verhalf, endlich als eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit wahrgenommen zu werden, sind sexuelle, häusliche und körperliche Gewalt, besonders gegen Männer, immer noch mit Stigmata behaftete Tabuthemen. Riccardo Simonnetti traute sich trotzdem, über seine Erfahrungen zu sprechen. 

In einem rund 8-minütigen Instagramvideo erzählt der 27-jährige Entertainer davon, dass er vor einigen Jahren von einem Taxifahrer in Berlin sexuell belästigt wurde. Er habe fünf Anläufe gebraucht, um dieses Video aufzunehmen, so der aufgewühlte Simonetti. Es sei schwerer als er erwartet habe. 

Simonetti wurde 2019 vom deutschsprachigen Forbes Magazin zu den 30 einflussreichsten Menschen unter 30 gewählt. Er arbeitet unter anderem als Model, Moderator, Schauspieler und Kolumnist. Seit 2017 hat er mit Ricardo's Dream Date eine eigene Sendung auf E!Entertainment, nahm an Formaten wie Promi Shopping Queen teil oder engagiert sich für JugendGegenAIDS und die DKMS. Und er ist Autor: 2018 veröffentlichte er seine Biografie „Mein Recht zu funkeln“ und im Jahr darauf das Kinderbuch „Raffi und sein pinkes Tutu“ in dem es um Toleranz geht – und darum, anders zu sein.


„Habe einfach meinen Mund nicht aufbekommen“

Der Influencer erzählt von der Situation: Der Taxifahrer sei sehr nett und aufmerksam gewesen und sie hätten sich während der Fahrt gut unterhalten. Nach einer Besorgungstour seien sie zurück zu Simonettis Fahrrad gefahren, das auf die Rückbank kam – woraufhin der heute 27-Jährige sich auf den Beifahrersitz setzte. Nach ein paar Minuten landete dann die Hand des Taxifahrers auf seinem Oberschenkel.

„Ich hatte eine kurze Hose an und fand das sehr irritierend, habe mir aber noch nicht so viel dabei gedacht, ich fand es einfach nur sehr ungewöhnlich – und habe dann aber gemerkt, dass sich diese Hand immer weiter nach oben bewegte und der Taxifahrer irgendwann mit seiner Hand in meine Hose gegriffen hat, durch meine Unterhose durch, und mir quasi voll in den Schritt gegriffen hat.“

Es sei ein sehr überforderndes Gefühl gewesen, so der Influencer. Er habe gar nicht richtig verstanden, warum das alles passiere – stattdessen sei er in seinem Kopf sofort alles durchgegangen. Hatte er Signale falsch gedeutet oder selbst falsche Signale ausgesendet? 

„Ich war wie gelähmt. Ich habe nichts rausgebracht, keinen einzigen Ton und das hat mich total überfordert, weil ich ein sehr selbstbewusster Mensch bin. Ich bin es gewohnt, mich zu wehren, ich bin es gewohnt, mich zu artikulieren, ich bin es gewohnt, über meine Gefühle und meine Bedürfnisse zu sprechen. Ich wurde schon sehr oft auf der Straße angefeindet und habe es immer geschafft, mich auszudrücken, aber in dieser Situation war ich so perplex und habe sofort versucht, einen Plan zu schmieden, aber habe einfach meinen Mund nicht aufbekommen.“

Er habe auch keinen Streit provozieren oder aus dem Taxi stürmen wollen, so Simonetti. Immerhin habe der Mann seine Adresse gehabt. Sie fuhren eine ganze Zeit lang so weiter, die Hand des Mannes war dabei immer in seiner Unterhose. Am Ziel angekommen habe der Taxifahrer ihn gefragt, ob er mit in seine Wohnung kommen könne und Simonetti schaffte es, ihn abzuwimmeln, indem er behauptete, er habe Besuch. Dann sei er in seine Wohnung geeilt und habe die Tür hinter sich abgesperrt.


Wie man verhindert, dass anderen Menschen dasselbe passiert

Zur Polizei ging er nicht – ein großer Fehler, weiß der 27-Jährige heute. Er sei selber entsetzt darüber, wie viele Entschuldigungen er für das unangebrachte Verhalten des Mannes gesucht habe. Und statt darüber zu reden oder es anzuzeigen, versuchte er es zu verdrängen. Er bereue das sehr und würde heute damit ganz anders umgehen, so Simonetti. Denn er weiß:

„Weil ich natürlich dadurch, dass ich das nicht gemeldet habe, gewährleistet habe, dass anderen Menschen genau dasselbe passiert, denn dieser Taxifahrer fährt vielleicht immer noch durch die Stadt.“

Andere Opfer des Mannes seien dabei vielleicht alkoholisiert, schliefen oder würden unter Drogen stehen und sich daher nicht mehr zur Wehr setzen können, so Simonetti. Er erzähle diese Geschichte, um Bewusstsein dafür zu schaffen: Das kann tatsächlich jedem passieren. Und es sollte normal werden, darüber zu reden und sich anderen anzuvertrauen! Simonetti appelliert an seine Follower:

„Macht nicht denselben Fehler wie ich, sondern bringt es zur Polizei, sprecht mit Menschen darüber. Wenn ihr euch nicht direkt traut, zur Polizei zu gehen, dann vertraut euch jemandem an – einem Elternteil oder Freunden oder ihr geht zu einer anonymen Beratungsstelle.“


Demonstration: Das Stigma ist immer noch riesig

Nicht alle begegneten seiner Offenheit und Verletzlichkeit mit Respekt. Simonetti teilte später eine Nachricht, die er nach seinem Video erhalten hatte. Darin wurde er von einem Instagram-Nutzer verhöhnt und beleidigt. Simonetti schrieb dazu:

„Der Preis, den man in dieser Gesellschaft dafür bezahlen muss, um man selber sein zu können und zu versuchen, ein authentischer Mensch zu sein, ist höher, als ihr vielleicht denkt.“

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