Scharfer Gegenwind für transmisogynes Lesbenfrühlingstreffen (LFT)

by

Nachdem sich die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vom umstrittenen Lesbenfrühlingstreffen (LFT) distanzierte, zog auch Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard ihre Schirmfrauschaft zurück, wie aus männer* vorliegenden Unterlagen hervorgeht. Der LesbenRing und der Bundesverband Trans (BVT) nahmen ebenso Abstand und kritisierten die biologistischen und teilweise menschenfeindlichen Programmpunkte scharf. Wir dokumentieren die Stellungnahmen.

zu unserer Hintergrundrecherche Reaktionäre Krise: TERFs kapern lesbische Community“ geht es HIER

Auf Anfrage des Nachrichtenportals queer.de teilte Jörg Litwinschuh-Barthel, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld schon am selben Wochenende mit, dass er in einem Schreiben an den Verein Lesbenfrühling einen Brief geschrieben habe, in dem er das Programm in Teilen trans*feindlich und nicht vereinbar mit den Zwecken und Werten unserer Stiftung“ bezeichnet. Queer.de zitiert Litwinschuh-Barthel mit den Worten: 

Foto: BMH/Sabine Hauf

Ob die Kritik beim Lesbenfrühling e. V. richtig platziert ist bleibt fraglich, denn der Verein ist weder mit der Organisation, noch mit der programmatischen Aufstellung des Festivals befasst. Dies hat auch die Bundesstiftung in ihrer nachfolgenden Stellungnahme konkretisiert:

Mit Sorge und Unverständnis haben wir feststellen müssen, dass das LFT 2021 trans* Lesben ausschließt und das Programm explizit trans*feindiche Programmpunkte beinhaltet: So wird in mehreren Workshop-Beschreibungen das Narrativ aufgerufen, trans* Frauen seien „Männer, die sich als Frauen verkleiden, um in Frauenschutzräume einzudringen“. Dieses Narrativ macht die Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen, die viele trans* Frauen, insbesondere trans* Frauen of Color, erleben, unsichtbar. Des Weiteren wird in einer Workshop-Beschreibung der Begriff „Genderideologie“ verwendet. Dieser Begriff wird vornehmlich in antifeministischen, rechten und populistischen Bewegungen genutzt, um Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit zu diffamieren und Falschbehauptungen zu verbreiten.

Das Organisationsteam des LFT 2021 hat im Januar 2020 einen Antrag auf Förderung des Programmhefts gestellt, der von der Stiftung nach Begutachtung im Dezember 2020 bewilligt wurde. Die Organisatorinnen formulierten in ihrem Antrag ausdrücklich das Ziel, „radikal-feministische und queer-feministische Strömungen miteinander ins Gespräch [zu] bringen“. Dies wurde bei der Begutachtung unserer Stiftung als wichtiger Beitrag zu fruchtbaren Auseinandersetzungen innerhalb der Communitys erachtet.

Zum Zeitpunkt der Bewilligung lag der BMH das Programm des LFT 2021 noch nicht vor. Die BMH hat sich für eine Förderung entschieden, da die im Antrag angedachten Dialoge zwischen verschiedenen lesbischen/feministischen Strömungen wichtig und notwendig sind. Ein Programm jedoch, das trans* Personen explizit ausschließt und in Teilen trans*feindlich ist, hätte die BMH nicht gefördert. Die BMH kritisiert diese Ausschlüsse scharf und distanziert sich ausdrücklich von den trans*feindlichen Inhalten des LFT 2021.

Die BMH greift grundsätzlich nicht in die Gestaltungsautorität von Projektträger_innen ein. Das LFT hat sein Programm selbst zu verantworten, und wir haben die Organisatorinnen des LFT 2021 um eine öffentliche Stellungnahme gebeten. Die BMH nimmt den vorliegenden Fall allerdings zum Anlass, Mechanismen zu entwickeln, die künftig sicherstellen, dass mit Fördergeldern der BMH keine diskriminierenden Inhalte gefördert werden.

Die BMH spricht sich nachdrücklich gegen Trans*feindlichkeit und gegen eine Spaltung von lesbischen und trans* Bewegungen aus. Viele Lesben sind trans*, viele trans* Personen sind lesbisch. Lesbische und trans* Bewegungen eint der Kampf für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Solidarische Bündnisse sind notwendig und sehr wichtig – in Zeiten erstarkender rechter Bewegungen umso mehr, um Sexismus, Heteronormativität und starren Geschlechterbildern entschieden entgegenzutreten.“

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld


Foto: Behörde für Gesundheit Bremen

Neben der fördernden Bundesstiftung, hat sich gestern (27. April 2021) nun auch die ebenfalls fördernde Hansestadt Bremen in Gestalt der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Claudia Bernhard (DIE LINKE), deutlich distanziert und ihre Schirmfrauschaft für das LFT zurückgezogen. In der Redaktion vorliegenden Unterlagen heißt es demnach an die Veranstalterinnen des Festivals gerichtet:

Dass mit der Veröffentlichung des diesjährigen Programms deutlich geworden ist, dass trans*kritische bis trans*feindliche Positionen einen Platz bekommen und Trans*Personen selbst ausgeschlossen werden, ist für Senatorin Claudia Bernhard nicht vertretbar. Claudia Bernhard steht für einen offenen Diskurs ein, der auch kontrovers über Themen diskutieren lässt, aber nicht explizit Personen ausschließt und trans*feindliche Positionen vertritt. Die Entscheidung der Senatorin bezieht sich explizit auf Beiträge des diesjährigen Programms.“

Das Grußwort der Senatorin im Programmheft soll auf Bitten der Behörde entfernt werden, das geplante mündliche Grußwort wird mit dem Rückzug der Schirmfrauschaft“ ebenfalls nicht stattfinden. 


Vor diesem öffentlichkeitswirksamen Rückzug hatte sich auch eine der ältesten und größten lesbischen Selbstvertretungen, der LesbenRing e. V. öffentlich vom LFT distanziert: 

LesbenRing distanziert sich wegen trans*feindlichen Programms

Der LesbenRing wird im kommenden Jahr 40 Jahre alt, das LesbenFrühlingsTreffen findet seit 47 Jahren statt – beide verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, bei aller Eigenständigkeit in Positionen und Überzeugungen. Der LesbenRing hat gern das Grußwort für das diesjährige Treffen geschrieben, ebenso war es eine Freude, einen eigenen Workshop anbieten zu können.

Mit Entsetzen erkennen Vorstand und Beirat nach Veröffentlichung des LFT-Gesamtprogramms die Notwendigkeit, sich als LesbenRing - erstmalig in unserer gemeinsamen Geschichte - von den Inhalten des Programms zu distanzieren. Die im Programm aufgeführten menschenrechtsverachtenden, rassistischen und trans*feindlichen Positionen sind für den LesbenRing untragbar.

Der LesbenRing steht für das große Spektrum lesbischer* Lebens- und Liebesweisen. Dazu zählen bi- und pansexuelle cis*- und trans*Frauen sowie inter*geschlechtliche, non-binäre und queere Menschen, die sich als lesbisch* verstehen oder dieser Community zugehörig fühlen. Daher ist es nicht vertretbar, offen trans*feindlichen Referentinnen beim diesjährigen LesbenFrühlingsTreffen eine Bühne zu bieten.  

Uns hier zu distanzieren macht uns sehr traurig, für uns ist dieser Schritt in diesem Jahr aber unausweichlich. Wir wollen keine Spaltung der lesbischen* und feministischen Community. Wir stehen solidarisch, respektvoll und konstruktiv für Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und Akzeptanz aller Lesben* ein.“ 

LesbenRing e.V.


Die Vertretungen der vom LFT ausgeschlossenen trans* Frauen waren mit die ersten, die naturgemäß deutlich ihrer Verärgerung Luft machten, so schrieb die Bundesverband Trans:  

Das Lesbenfrühlingstreffen 2021 gibt unter dem Motto „Rising to the roots“ verschiedenen trans*feindlichen Referentinnen eine Bühne. Das diesjährige Orga-Team schlägt damit Kritik an der Veranstaltung aus vergangenen Jahren nicht nur in den Wind. Ganz im Gegenteil werden auf dem nächsten Treffen statt einer Auseinandersetzung mit Kritik trans*feindliche Positionen, die bis in rechte Kreise verbreitet sind, wiederholt und gestärkt.

An diesem Punkt der Debatte rund um das Lesbenfrühlingstreffen stellen wir daher noch einmal klar:

  • Egal ob trans*, inter* oder nicht-binäre Lesben: welche Person sich als lesbisch identifiziert, ist eine Frage der Selbstdefinition und diese gilt es zu respektieren.
  • Trans* Frauen sind Frauen: die Annahme, trans* Frauen würden „in Frauenräume eindringen“, spricht trans* Frauen die eigene Identität ab und ignoriert die massive Diskriminierungserfahrung, die viele trans* Frauen tagtäglich machen.
  • Transgeschlechtlichkeit und Nicht-Binarität sind real: Begriffe wie „Ideologie“ oder „Hype“ haben keinen Platz, wenn wir über geschlechtliche Vielfalt sprechen.

Angesichts der anhaltenden Angriffe auf (die Rechte von) trans* Personen kritisieren wir deutlich, dass trans*feindlichen Positionen abermals auf dem diesjährigen Lesbenfrühlingstreffen eine Plattform gegeben wird. Wir fordern, dass sich Veranstaltungen wie das Lesbenfrühlingstreffen endlich solidarisch mit den Anliegen aller LSBTIQA+ Personen zeigen. Wir fordern, dass sich derartige Veranstaltungen für den Abbau von Trans*feindlichkeit einsetzen und diese nicht weiter befeuern!“

Bundesverband Trans (BVT)

Anlässlich des Tag der lesbischen* Sichtbarkeit am 26. April ließ die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) mitteilen:

Foto: Screenshot Facebook

Mit großem Entsetzen nehmen wir zur Kenntnis, dass beim größten jährlichen Treffen lesbischer* und frauenliebender Frauen in diesem Jahr Trans* Feindlichkeit eine zentrale Rolle spielt. Auf der Internetseite von Lesbenfrühling ist zu lesen, dass die Organisation des diesjährigen Treffens von der Facebookgruppe „Graugänse“ übernommen wurde. In der Beschreibung der geschlossenen Gruppe ist die Eigenbeschreibung zu lesen: „Die Gruppe ist für Lesben – Frauen liebende Frauen, Frauen, die lesbisch leben, Late Bloomers, Ur- und Bewegungslesben, Lesben mit und ohne Kinder, Lesben mit Handicaps, Lesben aller Ethnien, Lesben unterschiedlichster Hintergründe … Darin eingeschlossen sind intersexuelle und detrans-Lesben“. Diese Einladungspolitik wurde für das LFT 2021 übernommen.

Foto: Logo LFT2021

Explizit nicht erwähnt und damit ausgeschlossen sind Frauen, die einen trans* Hintergrund haben.

Die im Programm angekündigten Panels und Vorträge zeigen sehr deutlich, dass beim diesjährigen LFT Trans* feindliche Positionen von übergeordneter Bedeutung sind. Menschen aufgrund ihres Geschlechts auszuschließen und ihnen dies abzusprechen ist purer Sexismus, dem das LFT ja eigentlich entgegenstehen möchte. Natürlich sprechen wir dem größten Treffen der lesbischen* Community im deutschsprachigen Raum nicht das Recht ab, kontrovers über Themen zu diskutieren. Wir sind aber sehr darüber besorgt, dass dies zu einer reinen akklamatorischen Propaganda ausartet. Es wäre selbst für die „Graugänse“ ein Leichtes gewesen, auch divergierenden Positionen Gehör zu verschaffen.

Die Auseinandersetzung über Trans* und Geschlecht hat im LFT, und früher beim Lesben Pfingsttreffen, eine lange Tradition. Immer wieder haben trans*Lesben teilgenommen und dafür gekämpft, ein berechtigter Teil der Community zu sein. Die älteren unserer Mitglieder erinnern sich daran, wie hitzig die Debatte um die Frage zur Teilnahme von trans* Frauen 1980 in Hamburg war und wie groß die Erleichterung war, als ein Jahr später in München beschlossen wurde das Treffen für trans* Frauen zu öffnen. Die kürzlich verstorbene Waltraud Schiffels saß 1993 beim LFT als eine der ersten trans* Frauen auf dem Podium, Sabine Maria Augstein war 1981 in München mit dabei.

Heute ist der Tag der lesbischen* Sichtbarkeit. Viele Lesben* sind von Mehrfachdiskriminierungen betroffen, und haben die lesbische* Community mitgeprägt und aufgebaut. Der Tag sollte Anlass sein, auf die Bedarfe und Lebenssituationen von Lesben* aufmerksam zu machen und die Vielfalt zu feiern. Nur durch ein intersektional geprägtes Verständnis von lesbischer* Sichtbarkeit kann auch eine Teilhabe für alle Lesben* weiterhin möglich bleiben. Der sich (virtuell) in Bremen unverhüllt zeigende Geist birgt die Gefahr, die berechtigten Anliegen von Lesben* durch Verlassen des Bodens der freiheitlich-demokratischen Grundordnung selbst zu delegitimieren. Gerade in Bremen, wo erst kürzlich ein Pastor wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, müsste die Sensibilität in der lesbischen* Community vorhanden sein, an Volksverhetzung grenzende Missachtung der Würde und Achtung einer Bevölkerungsgruppe zu unterlassen.

Es bleibt zu hoffen, dass der in diesem Jahr eingeschlagene Kurs nächstes Jahr in Leipzig / Halle nicht fortgesetzt wird, denn Solidarität, Verbundenheit und Mitgefühl waren und sind das Fundament unserer Community.“

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti)

Der deutsche Dachverband der Dyke* Märsche, den lesbischen Ablegern der CSDs, teilte über die sozialen Medien mit:

Back to topbutton