Gender-Gaga im Bundestag angekommen. Endlich!

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Der Bundestag weigerte sich bisher Genderstern und Co. in Anträgen zu akzeptieren – nun hat die Bundestagsverwaltung ihre Position überdacht. Doch was bedeuten Genderstern, Unterstrich und Doppelpunkt eigentlich? 

Bisher lief es so: Die Mitarbeiter*innen der Bundestagsverwaltung strichen jede Form des Genderns aus Anträgen, Begründungen von Gesetzesentwürfen und Co. heraus. Binnen-I, Genderstern, Querstrich oder Unterstrich waren nicht erlaubt. Punkt. Bis gestern!

Britta Haßelmann, Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, bestätigte auf Anfrage des Checkpoint, dass die Bundestagsverwaltung und die Grüne Fraktion sich darauf einigen konnten, verschiedene Variationen von geschlechtergerechter Sprache zuzulassen. Dies bestätigte die Pressestelle des Bundestags auch dem Journalisten Jean-Pierre Ziegler

Doch was ist eigentlich mit Gendern gemeint?

Gendern bedeutet Wörter, die Menschen beschreiben, grammatikalisch so anzupassen, dass alle Geschlechter, die gemeint sind, im Sprachbild erkennbar sind. Traditionell wird im Deutschen die männliche Form benutzt, wenn von allen Menschen gesprochen wird. Diese grammatische Form wird als generisches Maskulinum bezeichnet. Feministin*nen begannen schon im letzten Jahrhundert darauf hinzuweisen, dass in der Theorie zwar alle Geschlechter gemeint sind, jedoch nicht alle gleichwertig in Sprache und darüber hinaus vertreten sind. Ein Beispiel: Jede*r kennt den Ausspruch aus witzigen Smalltalks:

Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt! 

Hand aufs Herz. Welches Geschlecht hat die Person, die im geistigen Auge erscheint?

Kurz gesagt: Unsere Sprache beeinflusst unser Denken und unser Denken beeinflusst unser Handeln. Darum diskutieren wir über das Gendern. 

Wie gegendert wird, kann sehr unterschiedlich aussehen: 

Jede Form des Gendern hat eigene Ziele, obwohl diese oft überlappen:

Eine kleine Geschichte des Genderns:

Foto: privat

Was spricht gegen den Doppelpunkt?

Die Unterbrechung des Leseflusses ist gewollt, weshalb Varianten des Gendern von vielen nicht-binären Personen gemieden werden, die im Text eher untergehen. Wie zum Beispiel der Doppelpunkt. Er ist – anders als zum Beispiel Unterstrich und Genderstern – nicht von und mit nicht-binären Menschen entwickelt worden. Manche nutzen den Doppelpunkt, damit blinde Menschen bei Screenreadern den Glottislaut hören können. Doch wie ein*e Aktivist*in auf Twitter erklärt, funktioniert der Doppelpunkt für viele Screenreader nicht:

Weiterer Minuspunkt: Menschen, die von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche oder teilweisen Sehbehinderung betroffen sind, können den Doppelpunkt im Wort schlecht erkennen. 

Meinung: Sprache muss sich verändern

Beim Gendern sollte der Fokus auf nicht-binären Menschen und deren Wohlbefinden liegen, nicht auf der Bequemlichkeit von binären Menschen. Die ständige Forderung nach einer Vereinheitlichung des Genderns ist genauso kontraproduktiv, weil die Irritation des Sprachbildes das Ziel ist. Es ist gewollt, dass mensch immer ein bisschen stolpert, damit die erstickende Zweigeschlechtlichkeit im Alltag gestört wird. Verschiedene Varianten des Genderns sichern, dass die Vielfalt von nicht-binären Geschlechtern nicht zu einem dritten Geschlecht zementiert wird. Variation im Gendern erhält geschlechtliche Freiheit und fördert Verspieltheit in der Sprache. Die Veränderbarkeit der deutschen Sprache ist eine ihrer schönsten und wichtigsten Eigenschaften. 

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