Interview • Tsepo Bollwinkel: „Schuld ist ein bescheuertes Konzept!“

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Die Vorstellung von Queerness als ein westliches Phänomen ist weitverbreitet, doch könnte sie nicht weiter von der Realität entfernt sein. Tsepo Bollwinkel ist Experte (AG Black & Queer – Trainer für u. a. Critical Whitenessund klärt uns im „Salongespräch: BIPoC Movements und Rassismus – auch in der queeren Szene Thema“ über die Zusammenhänge von Rassismus und Queerness auf.

Foto: Rebecca Jäger

Was ist eine konstruktive Definition von Rassismus?

Jetzt hast du mich etwas Schwieriges gefragt. (lacht) Rassismus ist eine Diskriminierungsform, aber auch ein soziales System, in dem wir uns alle seit Jahrhunderten bewegen. Dementsprechend ist Rassismus nicht abhängig davon, ob jemand absichtlich irgendetwas tut oder nicht tut. Rassismus ist weniger das Handeln von Einzelnen als ein System, auf das man überall in unserer Gesellschaft trifft. Das Bild von einem Neonazi mit Baseballschläger, der mir auf den Schädel schlägt, ist verkürzt. Rassistische Strukturen können so nicht wahrgenommen werden. Ich würde Rassismus lieber so definieren, dass Rassismus eine Rechtfertigungsideologie ist, um gesellschaftliche Zustände zu legitimieren. Die Behauptung, die diese Ideologie aufstellt, ist dreiteilig. Erstens seien Menschen unterschiedlich viel wert. D.h. sie seien unterschiedlich befähigt oder schlau etc. Zweitens: Diese Unterschiede seien genetisch bedingt und somit unveränderlich. Drittens: Die Wertigkeit von einer Person könne man an äußeren Merkmalen wie Haut oder Haaren erkennen. Diese äußeren Merkmale können aber auch Dinge wie die Religionszugehörigkeit, Nationalität oder schlicht und ergreifend der Name sein. Die Zuweisung von verschiedenen Wertigkeiten ist durch Rassismus zu einer sozialen Realität in diesem Land und überall auf der Welt geworden. Menschen verbringen, je nachdem, wo sie in so einer hierarchischen Idee von Wertigkeit angesiedelt werden, ein sehr unterschiedliches Leben.

Auf der Internetseite der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, beschreibt die AG Black und Queer, dass ihr unter anderem Queerness erweitern möchtet. Was genau ist mit Queerness erweitern gemeint?

Nächste komplexe Frage. (lacht) Queerness wird gern an dem Buchstabensalat LGBTIQ* festgemacht. Einerseits ist das nicht verkehrt. Anderseits befinden wir uns aber die ganze Zeit in Ideen und Konstruktionen von Identitäten, die sich im globalen Norden abspielen und somit spezifisch weiß sind. Das heißt nicht, dass nur weiße Menschen in dieser Form queer sind, aber dass die Identitätskonstruktion aus dem globalen Norden kommen. Der ISD und besonders mir ist es wichtig, diesen Blick zu erweitern. Es gibt noch viel mehr Arten von Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten als die, die in dem westlichen Buchstabensalat bedacht werden. Wir übersehen sonst Millionen und Abermillionen von Menschen. Ja, es gibt mehr als zwei Geschlechter auf der ganzen Welt. Es gibt andere Ideen von Zusammenleben als Monogamie. Es gibt mehr als entweder gegengeschlechtliche oder gleichgeschlechtliche Liebe. Meine persönliche Behauptung ist immer, dass es 7,6 Milliarden Menschen gibt und genauso viele Sexualitäten und Geschlechter. Die Erweiterung des Begriffs queer bedeutet auch, einen Blick darauf zu werfen, wie Sexualität und Geschlechtlichkeit über sich hinaus mit anderen sozialen Phänomenen zusammenhängen. In der Kolonialgeschichte ist beispielsweise viel Herrschaft über das Ausleben von Sexualität und Geschlecht verhandelt worden. Was ist die richtige Körperlichkeit? Was ist die richtige Sexualität? Was ist die richtige Form, eine Familie zu gründen? In diesem Lebensbereich ist sehr viel Macht ausgeübt, aber auch viel Widerstand geübt worden. Solche Zusammenhänge in den Blick zu nehmen und Sexualität und Geschlechtlichkeit nicht nur mit einem westlich-engen Blick zu betrachten, ist der ISD wichtig. Wir würden sogar sagen: Das finden wir spannend und sexy.

„Das heißt, dass ich ein Geschlecht besitze, mit dem ich hier gar nicht rumlaufen kann, weil kein Mensch dieses in westlichen kulturellen Zusammenhängen versteht.“

(Lacht) Okay, das heißt es hat weniger mit einem schwarzen Kontext zu tun, als wirklich den Begriff Queerness zu erweitern.

Mit Schwarzsein hat es etwas zu tun, weil es sehr oft eine Schwarze Erfahrung ist. Ich bin Südafrikaner und wir haben in meinem Volk, einem der vielen Völker Südafrikas, historisch andere Geschlechtervorstellungen als im globalen Norden. Diese meinem Volk spezifischen Geschlechter stehen hier gar nicht zur Disposition. Das gilt für unendlich viele andere Menschen auch. Das heißt, dass ich ein Geschlecht besitze, mit dem ich hier gar nicht rumlaufen kann, weil kein Mensch dieses in westlichen kulturellen Zusammenhängen versteht. Das ist eine spezifisch Schwarze Erfahrung als queerer Mensch in Deutschland. Von daher hat das sehr viel mit Schwarzsein zu tun.

Hast du ein konkretes Beispiel für mich? Ich kenne die südafrikanische Kultur nicht sehr gut.

Ich nehme mich als Beispiel, weil ich da weiß, was ich sage. Meine eigene Herkunftskultur hat ein Geschlechterverständnis, was von fünf Geschlechtern ausgeht. Die Christianisierung hat diesen kulturellen Aspekt fast vollständig zerstört. Es sind nur Reste vorhanden. Die Bedeutung der Geschlechter sind nicht mit Wörtern aus europäischen Sprachen zu übersetzen. Man könnte zwar sagen, dass zwei Geschlechter ungefähr wie Mann und Frau sind und zwei trans*geschlechtlich wären. Aber das ist schon sehr ungenau und nicht stimmig. Das fünfte Geschlecht ist eins, welches geschlechtliche Gegensätze in einer Person transzendiert oder aufhebt. Wir, die wir uns noch in einem traditionellen Verständnis von Geschlechtlichkeiten identifizieren, werden immer weniger, weil der kulturelle Druck so groß ist und die Geschlechtervorstellung aus dem globalen Norden dominant ist.

„Die Stonewall-Aufstände wurden in der Geschichtsschreibung oft weißgewaschen.“

Wie sieht die Schwarze queere Bewegung weltweit aber besonders in Deutschland aus?

Queere Menschen gibt es überall, egal unter welchen Namen. Für den Begriff Queerness sind die berühmten Stonewall Riots ganz wichtig. Die Aufstände wurden in der Geschichtsschreibung oft weißgewaschen. Das waren Schwarze, queere Menschen und vor allen trans* Frauen, die sich damals zur Wehr gesetzt haben. Es ärgert mich unglaublich, wie wenig diese Realität anerkannt wird. Ich denke an den Stonewall Film, der vor ein paar Jahren erschienen ist und hauptsächlich weiße schwule Männer zeigte. Die waren aber nicht da. Die saßen sicher in ihren Kneipen, weil ihnen nie etwas passiert ist. Die hatten keine Polizeirazzia. Die Polizei steckten bei ihren Razzien Schwarze und Latinos für Prostitution in den Knast. Diesen Teil der Geschichte zu wissen ist wichtig. Die Stonewall Riots waren nicht der Beginn von Queerness, aber ab dann wurde es eine öffentliche emanzipatorische Bewegung. Für den deutschen Kontext finde ich es wichtig zu erinnern, dass die neuere Schwarze Bewegung durch queere Frauen in Gang gesetzt wurde. Sie feiert dieses Jahr ihr 35-jähriges Jubiläum. Diese queeren Frauen haben sich im Verein adefra zusammengeschlossen und ein gemeinsames Buch veröffentlicht: „Farbe bekennen“. In dem Buch wurden als erstes solche wichtigen Fragen aufgestellt wie: Wie ist es, eine Schwarze Person in Deutschland zu sein? Wie ist es, Schwarz zu sein und sich auch mit Deutschland zu identifizieren, also eine Schwarze deutsche Person zu sein? Traurigerweise werden diese queeren und weiblichen Wurzeln immer wieder ausgeblendet. Außerhalb von bestimmten Szenen ist Queerness in Schwarzen Communitys durchaus schwierig. In großen Städten ist das Thema unter jungen Leuten zwar ok. Anderswo und gerade da, wo sie landsmannschaftlich organisiert sind, ist das immer noch ein schwieriges Thema. Viele Menschen leben eine Doppelidentität zwischen Schwarz sein und gleichgeschlechtlich leben. Das Gefühl ist: Ich kann beides nicht in denselben Räumen tun, weil ich jeweils Ausschlüsse erfahre. Das ist ein großer Schmerz für Menschen und eine gottverdammte Schweinerei, dass das immer noch so ist. So langsam gibt es immer mehr sichere Orte, wo sich diese Menschen treffen und ihre Communitys und sich selbst feiern können. Es ist unglaublich wichtig, dass es in diesem Bereich ein Stück Heilung gibt. Es hat lange gedauert. Auch ich bin erst mit verdeckten Karten in dieser neueren Schwarzen deutschen Bewegung durch die Gegend gelaufen, weil es mir zu heiß und gefährlich war. Nun hat sich das aber geändert.

1528 hat die erste deutsche Handelsfamilie begonnen, mit versklavten Menschen zu handeln. Rassismus wurde als theoretische Rechtfertigung für Sklaverei, Kolonialismus und Genoziden genutzt. Inwiefern wirkt sich die Geschichte des Rassismus auf unsere heutige Lebensrealität aus?

Das Ärgerliche ist, dass wir immer noch in gesellschaftlichen Erzählungen leben, die sich der Rassismus ausgedacht hat. Ein Beispiel von Tausenden, die ich erzählen könnte: Wir bewegen uns immer noch in der Erzählung, die aus der Versklavung von Menschen kommt. Unter weißen Menschen gab es in der frühen Geschichte der USA Streit um die Behandlung von versklavten Menschen. Sie hatten nichts Grundsätzliches gegen Sklaverei, aber die schreckliche Behandlung war Einigen zu brutal. In diesem Streit spielte eine ausschlaggebende Rolle ein sogenanntes wissenschaftliches Werk: die Rassenlehre von Carl von Linné in seinem Buch über die Natur des Menschen. Linné wird heute noch als Vater der Anthropologie gelehrt und geehrt. Ich finde das pervers, denn in seinem Buch erfand Linné unser heutiges System von Rassen. Er ist für diesen Quark mit Rot und Gelb verantwortlich! Dabei hat Linné in seinem Leben nie etwas anderes als Bleichgesichter gesehen. Linné dachte sich diese Klassifizierung aus und belegte diese Gruppen mit verschiedenen Eigenschaften. Bei Schwarzen Menschen schrieb er den Satz hinein, dass sie keinen Schmerz empfinden würden. Mit diesem Satz wurde in den frühen USA für Sklaverei und inhumane Behandlung argumentiert: Wenn wir sie auspeitschen, weil sie nach unserer Meinung Mist gebaut haben, tut ihnen das nicht weh. Man könnte sagen, das sei schon lange her. Doch 2014 ist in Großbritannien ein neues Lehrbuch für künftige Krankenpfleger*innen erschienen. Dort wurde im Kapitel zur Schmerzmedizin nach verschiedenen Menschengruppen aufgefächert, die sich nach Linnés Klassifizierung richten. Da steht drin, dass bei asiatischen Menschen, wenn sie denen eine Spritze verabreichen müssen, sie es ohne Bedenken tun können. Die denken sowieso, dass alles Schicksal und Karma sei, und somit ist es völlig egal, ob es wehtut oder nicht. Bei Menschen indigener Herkünfte könnte man auch einfach losspritzen, da die sowieso eine Helden-Nummer draufhätten. Bei Schwarzen Menschen kann ich auch ohne zimperlich zu sein spritzen, denn obwohl die wie verrückt jammern, empfinden die keinen Schmerz. Bei weißen Menschen steht in dem Lehrbuch, dass ein Gespräch eingegangen werden muss und die Verabreichung der Spritze in Absprache geschehen soll. Denn das seien Menschen, die ihr Schmerzempfinden objektiv wiedergeben können! Dieses Kapitel ist aufgeflogen, weil im englischen Gesundheitssystem nur noch People of Color arbeiten. Als sie dieses Buch in die Hände gekriegt haben, waren die echt stinkig. In der Neuauflage ist das Kapitel nicht korrigiert, sondern einfach rausgenommen worden. Alle diese bescheuerten Erzählungen, die in dem frühen Rassismus erfunden wurden, sind bis heute lebendig. Als mein heute 18-jähriger Sohn seine erste Impfung bei einer älteren Kinderärztin bekam, wollte sie ihn erst mit einem Eis-Spray behandeln, damit die Stelle nicht so wehtut. Doch auf dem Weg zu unserm Kind blieb sie stehen und sagte: Ach, er braucht das ja nicht. Wir Eltern haben uns danach eine andere Kinderärztin gesucht. Die Ärztin hatte selbstverständlich angenommen, dass dieser kleine Schwarze Knirps kein Schmerz empfindet. Diese ganzen Erzählungen sind immer noch präsent in den Köpfen der Menschen. In der queeren Szene, besonders in der Schwulenszene, findet sich oft die Vorstellung von sexuell überaktiven, nicht-weißen Männern mit den großen Dödeln und so weiter. Diese Narrative sind lebendig und kochen wie ein historischer Schluckauf bei jeder Gelegenheit wieder hoch. Sie werden benutzt, um zu exotisieren, zu objektivieren, zu sexualisieren. Sie kochen immer wieder hoch, weil sie noch nicht gesehen und somit dekonstruiert werden konnten.

„In der queeren Szene, besonders in der Schwulenszene, findet sich oft die Vorstellung von sexuell überaktiven, nicht-weißen Männern mit den großen Dödeln und so weiter.“

An der Mittelmehr-Krise sieht man auch strukturellen Rassismus. In diesen Jahren sind bis zum 18. Juni 2020 bereits 339 Menschen im Mittelmeer ertrunken und letztes Jahr waren es 1885 Menschen. Diese Zahlen sind massiv und zeigen für mich, dass es ein Rassismusproblem gibt. Welche Rolle spielen diese Zahlen im öffentlichen Diskurs über strukturellen Rassismus?

Interessanterweise keine. Da wird nämlich getrennt. Der Diskurs über die ermordeten Menschen im Mittelmeer läuft unter Migrationsdiskurs und wird nicht mit Rassismus in Zusammenhang gebracht. Für mich sieht das eindeutig anders aus. Es gibt keine Abwehrschlacht gegenüber weißen französischen oder britischen Menschen, die ins Land einreisen und arbeiten wollen. Es gibt auch keine Abwehrschlacht, wenn eine weiße südafrikanische Person in Deutschland leben und arbeiten will, aber sehr wohl, wenn es eine Schwarze ist. Kleine Geschichte von mir, die sich in der deutschen Botschaft in Pretoria, Südafrika abspielte: Ich habe einen Zwillingsbruder, der in Südafrika lebt und eine südafrikanische Staatsbürgerschaft besitzt. Um mich besuchen zu können, wollte er mit mir an seiner Seite ein Visum beantragen. Der wurde auf Übelste abgefertigt. Das Verwandtschaftsverhältnis zu meinem Zwillingsbruder (!) wurde nicht geglaubt. Der nächste Mensch in der Schlange war ein weißer Südafrikaner. In fünf Minuten hatte er das Visum. Das ist der kleine Unterschied, der Unterschied der Rassifizierung. Er macht sich fest an dem Äußeren eines Menschen, an nichts anderem. Das heißt, es gibt einen Zusammenhang damit, wer in dieses Land oder wer in die EU kann. Dieser Zusammenhang ist der, dass Leute mit dunkler Hautfarbe nicht reinkommen sollen, und das ist ein strukturelles rassistisches Problem. Dass es nicht so benannt wird, regt mich wahnsinnig auf. Menschen sterben nicht nur in Hanau an den furchtbaren Anschlag. Menschen werden nicht nur jeden Tag beleidigt, getreten und verarscht, sondern sterben auch an den Grenzen dieses Kontinents, der sich der Menschenrechte rühmt und der Moralzuchtmeister für den Rest der Welt sein möchte. Die verrecken aufs Elendeste und der Rest, also die, die nicht ersaufen, sondern zurückgeschickt werden, vegetieren in libyschen Lagern als Sklav*innen oder verdursten in der Wüste. Die Zahlen sind gigantisch und alle diese Körper, die dort verrecken oder ins Elend gebracht werden, die weiblichen Körper, die vergewaltigt werden, haben eine dunkle Hautfarbe. Die Toten in und um das Mittelmeer und Rassismus haben etwas miteinander zu tun. Der Diskurs wird aber getrennt, denn wenn wir das auch als Rassismus benennen, wird klar, wie unmoralisch das ist. Dann könnte sich die Festung Europa nicht mehr selbst in den Spiegel gucken.

„Die Aufgabe ist es aufzuhören, Schaden anzurichten.“

Das muss ich erst mal schlucken. Denn obwohl ich mich mit dem Thema kontinuierlich auseinandersetze, ist es sehr entsetzend, dass noch mal so auseinandergenommen zu hören. Ich habe die Erfahrung, dass da sehr schnell diese Schuldfrage aufkommt. Denkst du, dass es sinnvoll ist, wenn sich weiße Menschen für Rassismus schuldig fühlen? Kann das was verändern?

Ach Quatsch, Schuld verändert gar nichts. Schuld ist ein bescheuertes Konzept. Es geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Ich habe keinen Bock auf Leute, die aufgrund von irgendeinem schlechten Gewissen seit drei Wochen wild herumrennen und sich Antirassist*innen nennen. Ich ehre die, die angesichts des Grauens, das jetzt wieder in den USA passiert ist, etwas bemerken. Ich hoffe aber, dass sie weitermachen und sich daran erinnern, dass sie eine Verantwortung haben. Es geht um Gerechtigkeit und nicht darum, milde Gaben zu verstreuen oder das eigene Ego aufzurüsten. Ich bin kein besonders guter Mensch, wenn ich gerecht sein will, sondern ich bin ein anständiger Mensch. Von daher hilft das dusselige schlechte Gewissen nicht. Weiße Menschen haben strukturell mehr Vorteile als andere. Deshalb haben sie ein ordentliches Maß an Verantwortung, an das ich sie gerne und auch beruflich erinnere. Ich möchte nicht, dass sie aus irgendeinem schlechten Gewissen sich gegen Rassismus engagieren, sondern weil sie sich tierisch über Ungerechtigkeit aufregen.

Vielen Dank für das Gespräch. Liegt dir sonst noch etwas auf den Herzen?

Es gibt gerade in den Diskussionen von Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, Rassismus zu verstehen, in den englischsprachigen Kontexten ein neues Wording. Weil ich es sehr  schön finde, will ich es in den deutschsprachigen Kontext bringen. Da heißt es nämlich: Die Aufgabe ist es aufzuhören, Schaden anzurichten. Jetzt, heute, in dieser Sekunde damit aufhören, Schaden anzurichten. Wenn du nicht weißt, was Schaden ist, kannst du Leute, die von diesem Schaden seit Generationen betroffen sind, fragen, was sie als Schaden empfinden. Der zweite Teil ist: Wenn du das geschafft hast, kannst du anfangen, den angerichteten Schaden wiedergutmachen. Da ist einiges zu tun. Es ist so viel Schaden angerichtet worden und Wiedergutmachung nötig. In Deutschland kriegen alle gleiche Panik und sehen Dollars vor sich. Eine Wiedergutmachung ist aber etwas anderes. Den Schaden wiedergutmachen ist eine Aufgabe, die wir als Einzelne und als Gesellschaft haben.

*Interview: Martin Lorenz / Transkript: Victoria Forkel

Mehr Infos: https://tsepo-bollwinkel-empowerment.de/

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