Die Besten holt der liebe Gott zuerst zu sich – Benedikt XVI. zum 95.

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Papst Benedikt XVI. könnte in strahlendem Ruf stehen: Er schuf theologische Schriften in großer Zahl und Tiefe, war einer der einflussreichsten Präfekten der Glaubenskongregation der Kirchengeschichte und der erste deutsche Papst seit einem halben Jahrtausend. Doch tatsächlich steht Benedikt, der am Samstag 95 Jahre alt wird, als Sinnbild für die Krise der katholischen Kirche: Er vertritt eine konservative Lehre, die heute viele abstößt.

Verstrickungen in die unendliche Missbrauchsgeschichte

Foto: Christof Stache / AFP


Gerade in den Wochen vor seinem Geburtstag – kein Papst vor ihm wurde älter – wurde wieder überdeutlich, wie polarisierend Benedikt ist. Das in München vorgestellte Gutachten zum sexuellen Missbrauch warf Benedikt schwere Fehler im Umgang mit einem pädophilen Priester in seiner Zeit als Münchner Erzbischof vor. Die Kritik wurde umso schärfer, weil der emeritierte Papst in einer Stellungnahme zu dem Gutachten falsche Angaben gemacht hatte. Was für viele wie eine bewusste Falschdarstellung zum Selbstschutz wirkte, erklärten Benedikt und seine Berater zu einem erklärbaren Fehler – um in Person seines Privatsekretärs Georg Gänswein dann nachzulegen, es laufe in Deutschland einmal mehr eine Kampagne gegen Benedikt. 

Der emeritierte Papst übergab die Bewertung seiner Person hingegen längst an andere Stelle. In seiner Stellungnahme zum Missbrauchsgutachten schrieb er, er werde „ja nun bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen“. Er habe beim Rückblick auf sein langes Leben „viel Grund zum Erschrecken und zur Angst“ – aber dennoch sei er guten Muts, dass der Herr nicht nur Richter, sondern zugleich Freund und Bruder sowie sein Anwalt sei. Dieses Bild Benedikts vom Glauben an ein jüngstes Gericht dürfte in seiner Konkretheit für viele Menschen kaum nachzuvollziehen sein. Es entspringt einem Katholizismus, wie er vor hundert Jahren weit verbreitet war und gerade in der bayerischen Heimat von Joseph Ratzinger gelebt wurde. 

Radikalisiert durch die Studentenbewegung

Foto: Alberto Pizzoli

Ratzinger kam am 16. April 1927 in Marktl am Inn nahe der Grenze zu Österreich zur Welt. Neben dem 2020 verstorbenen Bruder Georg hatte er noch seine 1991 verstorbene Schwester Maria. Die Kinder wuchsen in tiefer Frömmigkeit auf. Joseph Ratzinger wurde 1951 zum Priester geweiht und 1958 zum Theologieprofessor ernannt. Seine Beiträge zum Zweiten Vatikanischen Konzil stärkten Anfang der 1960er Jahre seinen Ruf als herausragender Intellektueller. Manchen galt er gar als modern – doch die von ihm als Bedrohung der Moral empfundene Studentenbewegung machte ihn zum Erzkonservativen. 1977 wurde Ratzinger Münchner Erzbischof. Doch schon nach wenigen Jahren holte ihn Johannes Paul II. als obersten Glaubenshüter in den Vatikan. Ratzinger war fast ein Vierteljahrhundert lang bis zu dessen Tod 2005 einflussreicher Berater von Johannes Paul II. und zementierte mit zahlreichen Schriften Haltungen

gegen die Gleichstellung Homosexueller, die Priesterweihe von Frauen oder Lockerungen beim Zölibat. 

Mit großer Härte betrieb er auch den Ausstieg der katholischen Kirche in Deutschland aus der Schwangerschaftskonfliktberatung. Dies war einer der Gründe dafür, dass Spitznamen wie „Panzerkardinal“ oder „Gottes Rottweiler“ in Deutschland entstanden. Aber in der Phase des Siechtums des an Parkinson erkrankten Johannes Paul II. wuchs in der Weltkirche das Ansehen Ratzingers. Kurz nach der von ihm einfühlsam geleiteten Trauerfeier für den polnischen Papst wählte das Konklave Ratzinger deshalb am 19. April 2005 zum ersten deutschen Papst seit fast 500 Jahren. Dabei wollte Ratzinger nie Kirchenoberhaupt werden.

„Ich habe mit tiefster Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an“,

berichtete er einmal deutschen Pilgern. Doch „das Fallbeil“ sei auf ihn niedergegangen. 

Papst wider Willen

Foto: Ina Fassbender / AFP

Passend zu dieser pessimistischen Haltung wirkt Benedikts Pontifikat von Problemen und Skandalen überlagert. Den Missbrauchsskandal bekam er nicht in den Griff, er hob zudem die Exkommunikation des zur Pius-Bruderschaft gehörenden Holocaust-Leugners Richard Williamson auf. 2012 erschütterte die sogenannte Vatileaks-Affäre um aus dem Vatikan geschmuggelte Geheimdokumente die Kirche. Ende Februar 2013 trat Benedikt in einem ungewöhnlichen Schritt aus Altersgründen vom Papstamt zurück. In dem vor einigen Jahren erschienenen Interviewband „Letzte Gespräche“ zog Ratzinger ein selbstkritisches Fazit seines Pontifikats, sagte aber dennoch angesichts seines Wirkens auch als Papst:

„Als Gescheiterten kann ich mich nicht sehen.“

Tja. *ck/AFP/ran/cfm

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