CHEMSEX – Rausch mit Risiko

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Chemsex unter Einfluss von chemischen Substanzen (Chems) ist mittlerweile in vielen Ländern auf dem Vormarsch, auch bei uns.1 Die bewusstseinsverändernden Drogen, die oft auf privaten Sex-Partys oder in Darkrooms konsumiert werden, steigern die Lust und Euphorie und damit auch die Bereitschaft für ungeschützten Sex, für Sex mit mehr Personen als sonst und/oder härtere Sexpraktiken, die man ohne Drogen vielleicht nicht machen würde. Doch Chemsex birgt auch gewisse Risiken, über die man informiert sein sollte, um sie verringern zu können.

Foto: istockphoto.com/vladorlov

Wie Chems wirken

Häufig eingesetzte Chems/Chemsex-Drogen sind Metamphetamin (Chrystal Meth), Mephedron und GHB/GBL (Liquid Ecstasy).2 Sie heben die Stimmung, steigern die Lust auf Sex und das Selbstbewusstsein, haben aber auch negative Effekte, wenn sie häufig eingenommen werden oder die Dosierung zu hoch ist.3-6 Dazu gehören neben einer psychischen Abhängigkeit beispielsweise Depressionen, Wahrnehmungsstörungen, Angstzustände, Blutdruckabfall, epileptische Anfälle und Kreislaufversagen. Die Chems werden geraucht, gesnieft, als Tablette oder in Getränken eingenommen oder auch intravenös angewendet (Slamming). Oft ist der genaue Inhalt und die Konzentration der Substanzen nicht bekannt, so kann es leicht zu Überdosierungen und damit zu unvorhersehbaren Wirkungen und Nebenwirkungen kommen.

Achtung! Wechselwirkungen mit Medikamenten

Ein weiteres Risiko sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, weil die Chems im Körper mit vielen anderen Substanzen und/oder Medikamenten, darunter auch HIV-Medikamente interagieren. Vor allem Chems zusammen mit geboosterten antiretroviralen Kombinationstherapien bergen ein hohes Risiko, sich gegenseitig beim Abbau im Körper zu beeinflussen.7-9 Die Folgen: Einerseits kann es zu mehr und stärkeren Nebenwirkungen der Medikamente oder zu deren Wirkverlust kommen, was vor allem bei HIV-Medikamenten vermieden werden sollte. Andererseits können nahezu unkalkulierbare Wirkungen der Drogen auftreten, weil sie im Körper nicht mehr abgebaut werden und sich anreichern. Werden zusätzlich potenzsteigernde Mittel eingenommen, erhöht sich die Gefahr von Nebenwirkungen um ein Weiteres. Das Wissen über Wirkung und Risiken verschiedener Substanzen und deren Kombination mit Medikamenten kann schützen. Ein Arzt/eine Ärztin oder Apotheker des Vertrauens aber auch verschiedene Beratungsstellen können über gesundheitliche Risiken und Wechselwirkungen aufklären und wichtige Hinweise geben, wie sich denkbare Gefahren reduzieren lassen, beispielsweise durch vorsichtige, geringe Dosierung der Chems.

Realistische Ziele im Umgang mit Chems

Viele Nutzer von Chems und Besucher von Chemsex-Partys seien MSM, die nie auf die Idee kämen eine Drogenberatungsstelle aufzusuchen, da deren Hauptzielgruppe Konsumenten intravenöser Drogen mit einem Abhängigkeitsproblem seien, sagt der Psychotherapeut Dr. Robert Palmer, London/UK. In Großbritannien würden MSM eher Sexual Health Kliniken wie beispielsweise die „56 Dean Street“ im Londoner Stadtviertel Soho wegen einer Prophylaxe oder einer sexuell übertragbaren Infektion, aber eben auch wegen Beratungen zu Chems oder Ihres Drogenkonsums aufsuchen.

Manche betrieben Chemsex nur ab und zu und bräuchten Tipps, wie Sie das gesundheitliche Risiko minimieren können. Andere hätten nur an den Wochenenden Spaß beim Chemsex, merkten dann aber irgendwann, dass der Drogengebrauch sie unter der Woche bei der Arbeit einschränke, sie plötzlich mit Depressionen zu kämpfen hätten oder auch seither keinen Spaß mehr an Sex ohne Drogen hätten. Für Palmer ist eine persönliche „Schadensvermeidung“ mit realistischen Zielen der Weg, den Männern zu helfen, ihren Drogenkonsum zu kontrollieren, einzuschränken oder Pausen einzulegen – eine strikte Abstinenz sei für viele dagegen kein realistisches Ziel.

Beispiele für Beratungsmöglichkeiten

Chemsex ist mittlerweile ein wichtiges Thema – auch in der Fachwelt – so dass es auch in Deutschland immer mehr Möglichkeiten gibt, außerhalb von Drogenberatungsstellen über Chemsex zu sprechen oder sich zu informieren.

Mit dem „WIR – Walk in Ruhr“ gibt es erstmals in Deutschland ein Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin, in dem es umfassende medizinische, soziale, emotionale und psychische Angebote zu Sexueller Gesundheit von einem großen Team aus Interdisziplinärer Immunologischer Ambulanz – Zentrum Sexuelle Gesundheit und Medizin des Katholischen Klinikums Bochum, der Aidshilfe Bochum, dem Gesundheitsamt Bochum, pro familia, Madonna und der Rosa Strippe unter einem Dach gibt.

Das Berliner Projekt „Let’s talk about sex and drugs hat ein in London erfolgreiches Konzept nach Berlin importiert – ein offenes Forum, das den Aufklärungsbedarf zu Sex und Drogen bedient. Der HIV-Schwerpunktbehandler Dr. Martin Viehweger und die Drag Queen Pansy Parker veranstalten mehrmals im Jahr dieses Forum, bei dem in offener Atmosphäre mit einem sogenannten „open microphone“ Menschen mit einem hohen Risiko für eine HIV-Infektion über HIV und STIs, Chemsex und andere Sexpraktiken und Präexpositionsprophylaxe (PrEP) sprechen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat auf ihren Internetseiten www.iwwit.de und

www.hiv-drogen.de hilfreiche allgemeine Gesundheitstipps und Tipps zu Safer Sex und Drogen, Safer Use von Drogen, Informationen zu den einzelnen Drogen und zu Wechselwirkungen zwischen Drogen und HIV-Medikamenten zusammengestellt. Auch unter www.heinfiete.de/SexundDrogen bekommen interessierte Männer gute Informationen.

Um das Risiko beim Gebrauch von Chems zu verringern, sollte z. B. darauf geachtet werden, möglichst geringe Dosen einzunehmen, ausreichend Wasser zu trinken und auf den Partys genügend Kondome, Gleitgel und falls nötig auch eigene sterile Nadeln, Spritzen und Röhrchen dabei zu haben. Außerdem sollte immer eine Vertrauensperson informiert sein und in der Nähe sein, um im Notfall reagieren und helfen zu können.

*Andrea Warpakowski, Itzstedt

Referenzen:

  1. ECDC. Technical Report EMIS 2010: The European Men-Who-Have-Sex-With-Men Internet Survey,2010
  2. Daskalopoulou M, et al. Lancet HIV 2014;1:e22–31
  3. Bracchi M et al. AIDS 2015;29(13):1585-1592
  4. Cruickshank CC, Dyer KR. Addiction 2009; 104(7):1085-1099
  5. Wood D & Dargan P. Prog Neuro-Psychpharmacol Biol Psy 2012;39:227-233
  6. Busardò FP, Jones AW. Curr Neuropharmacol 2015; 13(1):47-70
  7. www.hiv-druginteractions.org/checker
  8. Aarnoutse RE et al. Clin Pharmacol Ther 2005;78:664-674
  9. Wienkers LC et al. Nat Rev Drug Discov 2005;4:825-833
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