Moderna testet mRNA-Impfstoff gegen HIV

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Laut einer Veröffentlichung auf der Website der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) sind zwei experimentelle mRNa-Impfstoffe des Biotech-Unternehmens Moderna gegen HIV in die Phase-I-Testung eingetreten.

An der randomisierten Phase-I-Studie, die am 19. August in den USA begonnen hat, nehmen 56 nicht mit HIV-1 infizierte Erwachsene im Alter von 18 bis 50 Jahren teil. Getestet werden zwei verschiedene Impfstoffe – mRNA-1644 und mRNA-1644v2-Core. Die beiden Kandidaten wurden in Zusammenarbeit mit der International AIDS Vaccine Initiative (IAVI) entwickelt und beruhen auf der gleichen Basis wie die ersten zugelassenen mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19.  

Ihre Unbedenklichkeit für den Menschen wurde bereits im Vorfeld getestet. Nun sollen die Inzidenz von behandlungsbedingten Nebenwirkungen und die Immunogenität über einen Zeitraum von 10 Monaten untersucht werden. Bis zum Frühjahr 2023 soll die Studie abgeschlossen sein.

Ein zweiter, ebenfalls von Moderna und IAVI entwickelter HIV-Impfstoffansatz namens mRNA-1574 befindet sich derzeit in der vorklinischen Entwicklung, soll aber ebenfalls noch in diesem Jahr in die Phase-I-Testung gehen. 

Diverse Rückschläge in der HIV-Impfstoffentwicklung

Seit Jahrzehnten gibt es Versuche, einen HIV-Impfstoff zu entwickeln, erfolgreich war bislang keiner. Von den Impfstoffen, die mit einer Vielzahl von Ansätzen entwickelt wurden, erreichten zwar mehrere Kandidaten das Stadium der klinischen Tests, doch haben sich alle als nur mäßig wirksam erwiesen. Der bis dato wahrscheinlich wirksamste Impfstoffkandidat, eine Vakzine mit dem Namen RV-144, wurde in den 2000er Jahren in Thailand getestet. Er reduzierte die Gefahr einer Infektion aber lediglich um etwa 30 Prozent. 

Einen erheblichen Rückschlag erlitt die Impfstoffforschung 2007 mit dem Abbruch einer STEP-Studie mit dem Impfstoff V520 (auch bekannt als MRKAd5), an der 3000 männliche Freiwillige im Alter zwischen 18 und 45 Jahren aus Nord- und Südamerika, der Karibik und Australien teilnahmen. Der in der Studie getestete Impfstoff basierte auf einem viralen Vektor (abgeschwächte Adenoviren) und galt als großer Hoffnungsträger, war er doch einer der wenigen Impfstoffe, die es überhaupt bis in die Phase III der klinischen Studien geschafft hatten.

Im Verlauf der Studie stellte sich heraus, dass der Impfstoff das Risiko einer Ansteckung mit HIV nicht gesenkt, sondern sogar erhöht hatte. Die Wissenschaftler*innen waren gezwungen, die Phase-III-Studie abzubrechen. Wie die Deutsche Apotheker Zeitung 2008 berichtete, infizierten sich in der Impfstoffgruppe von 941 männlichen Studienteilnehmern 49 Personen mit HIV, während es in der Placebogruppe bei 922 Geimpften nur 33 Neuinfektionen gab. Das Ergebnis einer detaillierten Subgruppen-Analyse war noch weniger erfreulich: Bei den geimpften Probanden, die einen Ad5-Antikörpertiter von mehr als 200 Einheiten aufwiesen, traten 22 Neuinfektionen auf, in der Kontrollgruppe waren es lediglich neun.

Erst im vergangenen Jahr scheiterte ein weiterer groß angelegter Versuch mit Vektorimpfstoffen. Die Hoffnungen, die in den von der deutsch-französischen Pharmafirma Sanofi entwickelten Impfstoff VTN 702 – einem Nachfolger des in Thailand getesteten RV-144 – gesetzt wurden, waren groß: HVTN 702, auch „Uhambo“ genannt, sollte einen 50-prozentigen Schutz vor einer Infektion mit HIV bieten.

An der 104 Millionen US-Dollar teuren Studie beteiligten sich unter anderem das NIAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases), der britische Medical Research Council sowie die Bill & Melinda Gates Foundation. Die Studie startete 2016 in Südafrika, 5.400 Frauen und Männern zwischen 18 und 35 Jahren wurde Uhambo verabreicht, bevor der Südafrikanische Medizinische Forschungsrat (South African Medical Research Council, SAMRC) im Februar 2020 bekanntgab, dass die Studie abgebrochen wird, weil der Impfstoff zwar sicher, aber wirkungslos ist. In einem Bericht der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) hieß es:

„Diese Entscheidung wurde getroffen, weil ein unabhängiges Daten- und Sicherheits-Überwachungsteam in einem Zwischenbericht herausfand, dass der Impfstoff kein HIV verhindert.“

Foto: Flickr User NIAID / CC BY 2.0

Ein wesentlicher Grund, warum es so schwer ist, einen Impfstoff zu entwickeln, liegt darin, dass HIV ein Virus ist, das sehr variabel ist und häufig mutiert. Es repliziert sich ständig und zudem auch fehlerhaft. Das führt dazu, dass ständig neue Varianten entstehen, sogar in ein und derselben Person. Obwohl die Mehrzahl der dabei entstehenden Mutationen fehlerhaft und nicht infektiös ist, können die verbliebenen Viren mit veränderten Epitopen, das sind Molekülabschnitte eines Antigens, gegen die im Zuge einer Immunantwort Antikörper oder T-Zell-Rezeptoren gebildet werden, die Immunantwort eines Infizierten unterlaufen. Außerdem unterscheidet sich das HI-Virus aus einer Region stark von einem HI-Virus einer anderen Region. Wir kennen das vom Coronavirus, doch SARS-CoV-2 mutiert sehr viel seltener als HIV. Das erschwert die Entwicklung eines Impfstoffs, der vor allen Varianten des HI-Virus schützt.

Bringen mRNA-Impfstoffe den Durchbruch?

Keiner der bisherigen HIV-Impfstoffkandidaten wurde mit der mRNA-Technologie entwickelt. Bei herkömmlichen Impfstoffen wird dem Körper oft ein geschwächtes oder inaktives Virus zugeführt. Im Gegensatz dazu werden bei der mRNA-Technologie genetische Baupläne verwendet, die Proteine bilden, mit denen das Immunsystem auf die Bekämpfung des Virus vorbereitet wird. mRNA-Impfstoffe können dem Immunsystem beibringen, ein Virus zu erkennen – somit sind sie wirksamer gegen mehrere Stämme oder Varianten. Bei HIV, das im Verlauf der letzten Jahrzehnte in viele verschiedene Varianten mutiert ist, kann das gegenüber herkömmlichen Methoden von Vorteil sein.

Da sich die mRNA-Impfstoffe bei COVID-19 als sicher und wirksam erwiesen haben, hoffen die Wissenschaftler*innen, auch bei HIV einen Durchbruch erzielen zu können. „Die mRNA-Plattform macht es einfach, Impfstoffe gegen Varianten zu entwickeln, da nur eine Aktualisierung der kodierenden Sequenzen in der mRNA erforderlich ist, die für die Variante kodieren“, erklärt Rajesh Gandhi, Experte für Infektionskrankheiten am Massachusetts General Hospital und Vorsitzender der HIV Medicine Association, gegenüber Verywell Health. Gandhi ist hoffnungsfroh, dass 

„die mRNA-Technologie unsere Fähigkeit revolutionieren wird, Impfstoffe gegen andere Krankheitserreger wie HIV und Influenza zu entwickeln“.

Andrew Pekosz, Professor für Molekulare Mikrobiologie und Immunologie an der Johns Hopkins Universität und der Bloomberg School of Public Health, ist eher skeptisch. Viele Daten würden darauf hindeuten, dass für die Immunisierung von Menschen gegen HIV nicht nur Antikörper erforderlich sind, sondern auch spezifische T-Zellen, die dabei helfen, die Immunantwort des Körpers zu koordinieren. Dass mRNA „eine gute Technologie [ist], um HIV zu bekämpfen“, ist sich auch Pekosz sicher.

„Aber weil die Immunität, die Sie zum Schutz vor HIV benötigen, sich ein wenig von der unterscheidet, die Sie vor Grippe und COVID-19 benötigen, ist es sehr wichtig, groß angelegte Studien durchzuführen, um zu überprüfen, wie effektiv sie wirklich sein können.“

Darüber, dass HIV nur mit einer Impfung dauerhaft bekämpft werden kann, sind sich hingegen alle Expert*innen einig. Es bleibt also zu hoffen, dass mit den mRNa-Impfstoffen endlich der Durchbruch gelingt. Bis es so weit ist, werden aber noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen.

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