Vorsorge in Eigenregie?

by

Schon lange vor Corona konnte bei schwulen Männern ein neuer Trend beim Infektionsschutz beobachtet werden. Vor oder nach sexuellen Risikokontakten greifen viele zu Antibiotika, um Syphilis und Co. vorbeugend zu behandeln. Doch wie wirksam ist diese Methode überhaupt?

Mit wachsender Akzeptanz der PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) gegen HIV nehmen immer mehr Männer nun auch Medikamente zum Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) ein. Dies tun sie entweder vor einem absehbaren sexuellen Risikokontakt in Form der STI-PrEP. Oder nach einem solchen Kontakt als STI-PEP (Post-Expositions-Prophylaxe).

Also vor oder nach einem Sexdate, ohne zu wissen, ob tatsächlich eine Infektion entstehen wird. Meistens findet die Behandlung in Eigenregie und nicht unter ärztlicher Aufsicht statt. Die benötigten Medikamente sind oft Überbleibsel früherer Behandlungen oder sie wurden im Internet gekauft.

Dieser vorsorgliche Einsatz von Antibiotika gegen STI hat die Neugier von Medizinern und Forschern geweckt und wird kontrovers diskutiert.

Derzeit wird von der STI-PrEP abgeraten

Mittlerweile wurden eine Reihe klinischer Studien zur Wirksamkeit dieser Art von Behandlung gestartet. Es werden drei Erkrankungen untersucht, bei denen die Infektionen in den letzten Jahren in der westlichen Welt angestiegen sind: Syphilis, Gonorrhoe (Tripper) und Chlamydieninfektionen. Erforscht wird vor allem die Einnahme des Antibiotikums Doxycyclin, auch Doxy genannt. Dies wirkt gegen Syphilis- und Chlamydien-Infektionen, gegen Gonorrhoe jedoch ist eine Wirkung nach derzeitiger Kenntnis kaum gegeben. Bislang gibt es auch keine offizielle Empfehlung, die STI-PrEP oder STI-PEP einzusetzen. Führende Forscher auf diesem Feld raten aus Mangel an Daten im Moment sogar davon ab.

Antibiotika sind nicht ohne

Antibiotische Arznei ist knapp. Es sind nicht genügend Präparate in der Forschungspipeline und durch die weltweit zunehmende Resistenzentwicklung werden sie knapper. Die Weltgesundheitsorganisation ruft daher dazu auf, Antibiotika sparsam einzusetzen. Eine häufige Antibiotikaeinnahme schädigt zudem die Gesundheit. Und Restbestände, die in Abwässern landen, sind eine Belastung für die Ökosysteme unseres Planeten.

Zwar hat sich die PrEP gegen HIV als wirkungsvoll erwiesen. Das heißt aber lange noch nicht, dass die STI-PrEP oder STI-PEP auch funktionieren.

Antibiotika töten im Körper ungewollte Bakterien und Mikroorganismen ab. Sie greifen aber auch Zellen an, die etwa für einen gesunden Stoffwechsel sorgen. Es bringt niemanden etwas, jahrelang keine Geschlechtskrankheiten zu haben, wenn danach die Verdauung nicht mehr funktioniert. 

Gerade schwulen Männern sollte dieser Punkt bewusst werden, denn wenn die Darmflora einmal zerstört ist, regeneriert sie sich so schnell nicht wieder. Zudem besteht immer die Gefahr einer Resistenzbildung, die dazu führen kann, dass das Antibiotikum irgendwann gar nicht mehr wirkt.

Wie bei der PrEP gegen HIV gilt also hier auch, dass eine Behandlung immer mit einem Facharzt abgesprochen werden sollte.

Wie erhalte ich die PrEP gegen HIV?

In Deutschland übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten für HIV-PrEP-Medikamente und auch für die nötigen Begleituntersuchungen. Wer privat versichert ist, sollte bei seiner Krankenkasse nachfragen, in welchem Umfang eine Erstattung möglich ist. Nach einem Erstgespräch und den nötigen Untersuchungen können Ärzt*innen dann ein Kassenrezept für zunächst einen Monat PrEP ausstellen. Nach einer weiteren Kontrolle sind Verordnungen über drei Monate mit Kontrollen im entsprechenden Rhythmus möglich.

Quelle: HIV Report, STI-Prophylaxe DAH 1/2020

Back to topbutton