PrEP, Bareback-Sex und das Ding mit dem Vertrauen

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Die PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) hat vielen von uns ein neues Sexleben geschenkt. Doch nicht jeder kann so einfach Jahrzehnte der Angst und des Misstrauens einfach ungeschehen machen. Männer, die nach wie vor ein Kondom benutzen wollen – auch um sich etwa vor anderen Geschlechtskrankheiten schützen zu wollen – werden mittlerweile belächelt und ausgegrenzt.

Dabei hat sich das Grundproblem nicht unbedingt geändert: Woher willst du wissen, ob der Kerl die Tabletten wirklich und auch korrekt eingenommen hat? Die PrEP im Kontext von sexueller Gesundheit bleibt aber enorm wichtig. Das findet auch Dr. Frank Reißmann von den Medios-Apotheken

Hallo Herr Dr. Reißmann. Rückblickend, wie gut wurde in ihren Augen die PrEP angenommen?

Sie wurde von Anfang an sehr gut angenommen, auch wenn es zunächst nur die Möglichkeit der verblisterten PrEP gab und nicht jeder den finanziellen Rückhalt für den Erwerb hatte.

Der Checkpoint BLN schaffte es dann, dass Berlinpass-Inhaber die PrEP kostenlos bekommen konnten und die Schwulenberatung die Kosten übernahm. Glücklicherweise gibt es seit September 2019 die PrEP als Kassenleistung mit allen dazugehörenden Untersuchungen.

Wie viel Beratung müssen Sie als Apotheker noch geben, wenn jemand mit einem Rezept zu Ihnen kommt?

Die Beratung, gerade zu Beginn der PrEP, richtet sich im Zeitumfang ungefähr nach der Zeit, die ich auch benötige, um einen Patienten über eine neue ART aufzuklären.

Wir haben heute den Vorteil, dass die meisten Patienten schon sehr gut von ihrem Arzt über die Einnahme der PrEP und alles, was dazu gehört, aufgeklärt sind. Aber doppelt hält bekanntlich besser. Für mich ist wichtig, dass alle Punkte zum Schutz vor HIV durch die PrEP verstanden wurden.

Der Initiative Fast Track City, die HIV beenden will, hat sich auch das Land Berlin angeschlossen. Wie können wir alle dieses Vorhaben unterstützen?

Die Fast-Track-City Initiative to End Aids ist in vielen Großstädten wie auch Paris und London  aktiv und hat sich das 90-90-90-0 Ziel gesetzt: 90 Prozent wissen über ihre Erkrankung, 90 Prozent haben Zugang zu einer antiretroviralen Therapie, 90 Prozent sind nach einem halben Jahr der Einnahme der ART unter der Nachweisgrenze und damit nicht mehr infektiös. Und es gibt 0 Prozent Diskriminierung und Stigmatisierung.

Berlin ist im Juli 2016 beigetreten und das Ziel ist es, die Aids-Epidemien in Städten bis 2030 zu beenden. Für das Gelingen muss natürlich die Möglichkeit der Testung auf HIV für alle gegeben sein. Der HIV-Selbsttest, den man in jeder Apotheke erwerben kann, ist hier eine gute Möglichkeit, sich selbst zu testen und nach einem positiven Ergebnis einen HIV-Schwerpunktarzt aufzusuchen.

Nach wie vor ist Aufklärung über HIV, beginnend in der Schule, sehr wichtig, um das Bewusstsein über eine Erkrankung zu schärfen. Hier muss noch sehr viel mehr erreicht werden.

Es gibt Unterschiede bei der PrEP für Männer und der für Frauen. Bitte erläutern Sie kurz die wesentlichen Merkmale.

Anders als im Darm ist die Situation in den Geweben des weiblichen Genitales. Während bei Männern der Schutz am zweiten Tag nach der Einnahme beginnt, tritt er bei Frauen erst am 7. Tag ein.

Der Grund ist, dass sich der ausreichend hohe und damit schützende Wirkstoffspiegel in der Vagina der Frau sehr viel langsamer aufbaut. Falls die Frau vorhat, die PrEP abzusetzen, sollte sie noch mindestens sieben Tage (beim Mann zwei Tage) nach dem letzten Sex täglich eine Tablette einnehmen.

Wann genau also ist die PrEP ein sicherer Schutz gegen HIV?

Die PrEP ist ein sicherer Schutz, wenn erst dann mit dem Sex begonnen wird, wenn ein ausreichend hoher Wirkstoffspiegel im Darm bzw. der Vagina erreicht ist. Das wird wie erwähnt bei Frau und Mann unterschiedlich schnell erreicht. Auch die Art der Einnahme spielt eine Rolle: Die Einnahme mit Nahrung sorgt dafür, dass höhere Wirkstoffspiegel erreicht werden.

Welche Gründe kann es geben, dass die PrEP für jemanden nicht geeignet ist?

Das kann dann der Fall sein, wenn der HIV-Test positiv ist, die Niere nicht ausreichend gut arbeitet oder eine Erkrankung wie Hepatitis B vorliegt. Hier entscheidet dann der Arzt nach einem ausführlichen Vorgespräch bzw. den Voruntersuchungen.

Es kann also zu Nebenwirkungen kommen?

Häufige Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel bessern sich meist nach zwei bis vier Wochen. Die Nierenleistung wird regelmäßig auf Störungen durch die PrEP untersucht.

Vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützt die PrEP aber nicht?

Bei der PrEP handelt es sich ja um zwei Substanzen: TDF und FTC. Beide Substanzen haben schon seit vielen Jahren in der HIV-Therapie ihren festen Platz und unterbrechen wirksam einen zentralen Schritt im Vermehrungsweg des Virus.

Als PrEP eingenommen, verhindern diese beiden Substanzen die Ansteckung mit HIV. Vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (STIs), wie z.B. Syphilis, Gonorrhoe oder Chlamydieninfektion, schützt sie jedoch nicht.

Foto: mbruxelle / stock.adobe.com

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