#schlauzuhiv • Zwei oder drei Wirkstoffe?

by

Wirklich nachhaltig ließ sich die Vermehrung des HI-Virus im Körper erst eindämmen, als man begann, dieses an mehre­ren Stellen in seinem Replikationszyklus anzugreifen. Über Jahrzehnte galt daher, die Therapie mit drei antiretroviralen Wirkstoffen aus mindestens zwei verschiedenen Wirkstoff­klassen zusammenzustellen. Dieses Vorgehen stützen auch Leitlinien zur Behandlung einer HIV-Infektion. Heute sind auch Regime mit weniger Substanzen im Einsatz. Dazu befragten wir Dr. Ansgar Rieke vom Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (www.gk.de). 

Foto: Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein

Die sogenannte Dreifachtherapie hat sich mit jahrzehntelanger Evidenz bewährt. Was ist der Grund, eine HIV-Infektion mit weniger als drei Substanzen zu therapieren?

Es ist ein Stück weit eine Generatio­nenfrage unter den HIV-Behandlern, wie wir auf die neuen Therapien gucken. Jahrzehntelange Erfahrung mit der Dreifachtherapie zeigt uns, dass wir mit ihr eine robuste Behandlungsoption mit wenigen Resistenzen haben. Die Patienten werden aber auch immer älter und das zunehmende Lebensalter bringt klassische Zusatzerkrankungen, fachlich Komorbiditäten genannt. Deren Behandlung und der Trend mit Hinblick auf die Belastung des Organismus und zur Verringerung von Langzeitnebenwir­kungen Wirkstoffmengen zu verringern, führte zu den Überlegungen, Therapien zu verschlanken. Das Ganze ist allerdings auch erst mit den modernen Integrasehemmern überhaupt denkbar geworden. Das sind hochpotente Substanzen, die sehr schnell und wirkungsvoll die Viruslast senken. So wirksam, dass man in Studien den Versuch wagte, sie nur noch mit einem weiteren Wirkstoff zu kombinieren und den dritten einzusparen. Diese Studien ergaben keine Unterlegenheit gegenüber der Dreierkombination. Zu ergänzen ist, dass auch moderne Dreifachtherapien heute bezüglich Komorbitäten gut kombinierbar sind, da sie ohne die sogenannten Boos­ter** auskommen.

Welche Vorteile der Zweifachthe­rapie haben sich im Vergleich zur Dreifachtherapie gezeigt und wo liegen ihre Limitationen?

Ein Vorteil sowohl der Zweifach- wie der Dreifachtherapie ist die Tatsache, dass beide als Ein-Tabletten-Regime eingesetzt werden und somit die Adhärenz steigern können. Für den Patienten ist es einfacher nur eine, statt zwei oder mehr Tabletten einzunehmen. Grenzen einer Zweifachthe­rapie gibt es insbesondere bei einer gleich­zeitigen viralen Hepatitis-B-Infektion. Die Wirkstoffe, die wir bisher haben, bieten hier keine ausreichende Wirksamkeit. Auch bei einer spät festgestellten HIV-Infektion, bei der die Helferzellenzahl des Immunsystems sehr gering ist, würde ich persönlich eher zu einer der sehr robusten und breit wirkenden Dreifach-Kombinationstherapien tendieren. Die diesbezüglich positiven Studien werden weiter kontrovers diskutiert. Ein letzter Punkt ist noch die gegenteilige Situation für den Beginn einer HIV-Therapie: der sehr frühe Beginn. Wenn wir vor dem Eintreffen der Ergebnisse einer Resistenztestung mit einer schnell wir­kenden Therapie beginnen, um möglichst zeitnah unter die Nachweisgrenze zu kommen, setzen wir aus meiner Sicht auch noch eher auf die eben genannte robuste Dreierkombi.

Für wen eignet sich eine Umstellung und für wen nicht?

Wen jemand sehr stabil und lange auf seine Therapie eingestellt ist und auf eine Substanz verzichten möchte, ist das ein Grund, die Therapie zu verschlanken. Weitere Gründe können zusätzliche Begleiterkrankungen wie eine Niereninsuf­fizienz oder eine Fettstoffwechselstörung oder andere Wechselwirkungen sein. Und selbstverständlich Unverträglichkeiten jeglicher Art. Das können aber umgekehrt genauso Gründe für eine Umstellung von einer Zweier- auf eine Dreierkombination sein. So etwas muss aber individuell zwischen Patient und betreuendem Behandler besprochen werden.

*Interview: Christian Knuth


** siehe Wirksam, verträglich, robust: Worauf kommt es bei einer HIV-Therapie heute an?

Back to topbutton