Wettbewerb, Dominanz und Konkurrenzverhalten: Toxische Männlichkeit und die Folgen für unsere Gesundheit

by

Dass ein typisch männliches Verhalten für die Umgebung oft schwer erträglich und für den Mann* selbst nicht gesund ist, ist lange bekannt. Jetzt hat das Phänomen unter dem Schlagwort „Toxische Männlichkeit“ neue Aufmerksamkeit erlangt. Sozialpädagoge Robert Weinelt aus dem Beraterteam der Münchner Aids-Hilfe klärt auf und gibt Tipps, wie sich das Verhalten vermeiden lässt.

Wie und wo erleben wir „toxische Männlichkeit“?

In praktisch allen gesellschaftlichen Bereichen. Es hat insbesondere mit Wettbewerb und Dominanz gerade unter den Männern* zu tun. Sie sind oft darauf gepolt, keine Gefühle oder Schmerz zu zeigen und ein gegenseitiges Konkurrenzverhalten an den Tag zu legen. Nicht zuletzt wird deren Gesundheitsverhalten dadurch beeinflusst.

Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn emotionale Nähe zwischen Männern* nicht zugelassen werden kann oder sich sozial toleriertes Verhalten wie Aggression äußern darf, erleben wir Formen einer toxischen Männlichkeit. Eher unbemerkt, weil als Norm definiert, erleben wir diese zudem in gesellschaftlichen Hierarchien.

„Typisch männlich“ kann ziemlich unsozial sein

Wie wirkt sich toxische Männlichkeit aus?

Dadurch fügt sich der Mann* zunächst gesundheitlichen Schaden zu: Männer* haben generell ein höheres Risikoverhalten, halten weniger von Psychohygiene, was zu einer höheren Suizidrate führt. Sie kümmern sich aber auch weniger um ihren Körper und nehmen Vorsorgeangebote weniger wahr als Frauen. Nicht zuletzt dadurch haben sie eine geringere Lebenserwartung, die sich im Schnitt fünf Jahre unter der von Frauen bewegt.

Foto: Bernd Müller

Ein weiterer Aspekt: Männlichkeit braucht eine Geschlechterordnung, die sich immer noch vor allem auf das Geschlechtersystem „Mann*/Frau*“ stützt. Alles, was nicht ins klassische Männlichkeitsbild passt, wird untergeordnet. Ein Mann* wird also, zugespitzt gesagt, nur als Mann* betrachtet, wenn er sich in das bestehende Rollenverständnis einordnen lässt. Die Folgen sind Ab- und Entwertung von anderen, die nicht in dieses Bild passen. Hier sprechen wir auch von der sogenannten hegemonialen Männlichkeit.

Betrifft dieses Verhalten auch schwule oder Trans*-Männer, die sich ja häufig nicht als Teil des heterosexuell hierarchischen Systems definieren?

Wir sind alle geprägt durch Sozialisationsprozesse, die uns gelehrt haben, wie ein Mann sein soll. Auch schwule oder Trans*-Männer sind nicht vor diesem Denken und somit vor toxischer Männlichkeit geschützt, nur weil sie queer sind. Wollen sie ihre Prägungen überwinden, müssen auch sie hart an sich arbeiten und sich fragen: Was bedeutet Männlichkeit für mich, für die Gesellschaft, wie und wo wirkt sie schädlich?

Unsere Gesellschaft erhebt die männliche Sexualität zur Norm.

Inwiefern schadet dieses Verhalten anderen?

Unsere Gesellschaft erhebt die männliche Sexualität zur Norm. Diese Vorstellung erschwert es Partner*innen, „Nein“ zu sagen. Männern* muss vermittelt werden, Einwilligung aktiv einzuholen und sich  für Bedürfnisse des anderen zu sensibilisieren. Das hätte eine intensive Auseinandersetzung mit Dominanzverhalten und Privilegien zur Folge.

Insgesamt wirkt sich gerade die männlich dominierte und definierte Geschlechterhierarchie negativ auf die Lebenssituation aller nicht männlich gelesenen Personen aus. An dieser Stelle verweise ich gern auf die sogenannte „Rape-Culture“, in der Übergriffe auch dadurch möglich werden, weil das Umfeld dazu schweigt, sie bagatellisiert oder gar akzeptiert.

Wenn es um Sexualität geht, ist gerade auch das Thema der Pornographie nicht zu unterschätzen.

Wie kann man das vermeiden?

Vor allem sollte der Mann den Blick auf sich selbst richten und das eigene Rollen- und Geschlechterbild reflektieren. Man könnte zudem Männer*freundschaften neu definieren und in ihnen Gefühle stärker zulassen. Auch die Vater-Sohn-Beziehung ist oft von Klischees geprägt: Väter können Schwierigkeiten haben, ihren Söhnen körperlich Zuwendung zu zeigen, sie etwa zu küssen. Dabei kann es hilfreich sein, Freiräume zu etablieren, in denen Männer* solche Gefühle zulassen können, ein Beispiel wären hier entsprechende Männer*gruppen, die aus der zweiten Welle der Frauenbewegung entstanden sind und vor allem in den 1980er Jahren weit verbreitet waren.

Wenn es um Sexualität geht, ist gerade auch das Thema der Pornographie nicht zu unterschätzen: Hier wird männliches Dominanzverhalten vorgelebt, es findet meist kaum bis keine verbale Kommunikation (auch nicht einholen von Einverständnis) statt. Ansätze wie Feministporn oder Queerporn existieren bereits und versuchen Alternativen anzubieten.

Warum lebt es sich besser, wenn man toxische Männlichkeit vermeidet?

Wir Männer* setzen uns selbst häufig unter Druck. Zum Beispiel meinen wir, sexuell allzeit bereit und leistungsfähig sein zu müssen. Im Endeffekt kann das Vermeiden toxischer Verhaltensweisen dazu führen, ein gesünderes, stressfreieres und sozialeres Leben zu führen, das auch die anderen Geschlechter und Identitäten stärker in den Blick nimmt und dafür sorgt, eine gerechtere, verständnisvollere und im Endeffekt friedlichere Gesellschaft zu entwickeln.


Münchner Aids-Hilfe e.V.

Lindwurmstraße 71

80337 München

Back to topbutton