Nachgefragt bei Benno Fürmann

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Herr Fürmann, Sie haben im Laufe Ihrer Karriere schon häufig im Ausland und in anderen Sprachen gedreht. Ist es trotzdem noch etwas Besonderes, wie nun in „Intrigo – Tod eines Autors“, die englischsprachige Hauptrolle in einem Film zu spielen?

Ja, natürlich, denn so sehr ich mich auch im Englischen wohlfühle, ist es eben nicht meine Muttersprache, und deswegen kann ich zum Beispiel weniger problemlos improvisieren. Das Deutsche sitzt im Bauch, das Englische im Hals – vielleicht könnte man so beschreiben, wie die Sprachen in mir verankert sind. Aber die Extra-Anstrengung, die das Drehen in einer Fremdsprache bedeutet, macht auch Sinn, denn sie bringt eine andere Energie oder Konzentration mit sich. Weil ich länger brauche, um den Text zu studieren, studiere ich ihn auch besonders gründlich. Am Ende habe ich die Worte so parat wie im Deutschen, aber es ist in jedem Fall ein bisschen mehr Arbeit.

Eine besonders spannende Arbeit?

Ja, ich mag das Englische sehr. Ich bin ja mit 19 Jahren auch nicht zufällig auf die Schauspielschule nach New York gegangen. Aber wenn ich auf Englisch spiele, höre ich mir anfänglich selbst mehr zu, da ist ein leichter Vorhang zwischen mir und der Sprache. Das Ziel ist immer, dieses Gefühl während der Arbeit hinter mir zu lassen. Aber es ist eben ein sehr intensiver Umgang mit dem Text, weil ich mich viel intensiver mit einzelnen Worten beschäftige. Das ist intellektuell schon stimulierend.

Was ist denn für Sie eigentlich wichtiger: was auf der Leinwand gesagt wird oder was nicht gesagt wird?

Für mich ist es viel wichtiger, was nicht gesagt wird. Schauspielerei hat etwas mit Hindernissen und Widerständen zu tun, und es geht darum, diese zu überwinden. In der Regel will jede Figur in einer Szene etwas Bestimmtes, aber das, was du willst, sprichst du nicht unmittelbar aus, sondern du findest Wege, dein Ziel zu verfolgen. Mal plump, mal perfide. Das ist es, was ich als Schauspieler nie aus den Augen verliere, selbst wenn das, was ich dabei sage, manchmal Plänkelei ist. Die Essenz ist also immer das Nicht-Gesagte.

Wo wir gerade beim Thema Sprache sind: Welches Verhältnis haben Sie zu Büchern und Autoren? Schreiben Sie selbst?

Ich habe geschrieben und tue es immer wieder – aber immer eher fragmentarisch, als dass es je ein großes Ganzes ergeben hätte. Wobei: Wer weiß, was die Zukunft noch bringt? Jedenfalls bin ich gerade deswegen voller Demut und Bewunderung für Autoren, die ich toll finde. Einfach weil ich es noch nicht geschafft habe, eine Dramaturgie oder einen großen Bogen, jedenfalls eine wirkliche Gesamtwelt zu zaubern, in die andere Menschen eintauchen können. Denn das ist es ja, was Literatur macht: Wir sehen durch die Augen eines anderen Menschen eine Erfahrungswelt, die wir nicht haben. Es ist ein riesiges Geschenk, durch ein Buch klüger oder menschlicher zu werden.

Sie lesen also privat viel?

Wesentlich mehr, als ich zum Beispiel Filme oder Serien gucke. Und es wird auch nicht weniger, dass ich so viel lese. Als Schauspieler habe ich natürlich größten Respekt vor Autoren und bin dankbar für jede Vorlage, aus der ich eine Energie, Stimulanz und Inspirationen ziehen kann, denn das ist ja nicht selbstverständlich. Je länger ich diesen Beruf mache, desto mehr habe ich gelesen. Aber irgendwie gibt es zum Glück immer wieder neue Lichtstunden, in denen ich ein Werk lese, das dann doch wieder etwas auf vollkommen neue Weise erzählt. Selbst wenn das Erzählte vielleicht nicht neu ist. Dafür bin ich total dankbar, denn das ist das Fundament meiner Arbeit.

Zwischendurch kommt es aber sicherlich vor, dass man es als Schauspieler mit Drehbüchern zu tun hat, die vielleicht nicht unbedingt eine Lichtstunde sind, oder?

Klar, wir alle machen Kompromisse. Ich kenne zumindest keine Person, die das nicht macht. Wir müssen alle unsere Miete bezahlen, und das könnte ich nicht, wenn ich immer auf literarische Meisterwerke warte. Aber ich kann versuchen, mir zumindest halbwegs treu zu bleiben und nicht jeden Scheiß mitzumachen. Das ist der Anspruch, den ich an mich selber habe. Zwischendurch möchte ich allerdings auch in der Lage sein, meiner Tochter ein paar frische Weintrauben zu kaufen. (lacht)

Macht es die Erfahrung über die Jahre leichter abzuwägen, welche Angebote man annimmt und welche nicht?

Leider nicht, obwohl ich so gerne Ja sagen würde. Man sagt ja immer: Hör auf dein Bauchgefühl. Aber was ist denn, wenn du gar nichts hörst? Es ist ja, bei aller Liebe zur Spiritualität, nicht so, dass wir immer eindeutige Ansagen von innen bekommen. Selbst wenn man wie ich ab und zu meditiert und ganz gut in Kontakt mit sich selbst ist. Letztendlich ist es mir wichtig, nicht in einen Schlendrian zu verfallen, denn Routine ist ein Killer – für die Kunst, aber auch im Leben allgemein. Was ich nie sein wollte, war jemand, der einfach nur arbeitet, weil es halt so läuft, ohne dass ich da wirklich irgendwelche Impulse finde oder eine Leidenschaft verspüre.

Sie stehen seit mittlerweile 28 Jahren vor der Kamera. Gab es in dieser Zeit mal Phasen, in denen Sie die Lust am Job verloren haben?

Ich kenne ehrlich gesagt niemanden, dem seine Arbeit über einen langen Zeitraum wirklich jeden Tag Spaß macht. Auch bei mir hängt das immer von der Tagesform ab. Natürlich gibt es Tage, an denen mein Beruf mich unglaublich anstrengt. Es macht halt nicht immer Spaß zu spielen, man hätte gerade seine Mutter verloren oder sich gerade wahnsinnig über ein Geburtstagsgeschenk gefreut.

Sie sorgen mit Ihrer Rollenauswahl auf jeden Fall für viel Abwechslung, da stehen dann Filme wie „Anatomie“ und „Der Krieger und die Kaiserin“ neben den Arbeiten mit Christian Petzold oder kleinen Produktionen wie „Nachthelle“ von Florian Gottschick, der im Kino leider wenig Aufmerksamkeit bekam ...

Allerdings habe ich gerade während der Dreharbeiten zu „Intrigo – Tod eines Autors“ dann doch wieder mitbekommen, dass den auch Leute gesehen haben. Da saß in Antwerpen am Nachbartisch ein homosexuelles Paar, das immer herüberguckte und so vertraulich lächelte. Irgendwann fragten sie mich, ob ich ein deutscher Schauspieler sei, und sagten, dass „Nachthelle“ ein großartiger Film sei. Auf Netflix hat der Film noch mal ein ganz neues Publikum erreicht, auch im Ausland. Das freut mich.

Noch eine Frage zur Serie „Babylon Berlin“, die ja ab Ende September auch endlich in der ARD zu sehen ist. Haben Sie da vor allem mitgespielt, um mal wieder mit Tom Tykwer zu arbeiten?

Tom ist ein guter Freund von mir, den sehe ich sowieso regelmäßig. Gerade haben wir uns noch privat beim Italiener oder Griechen gesehen, und dann steht er plötzlich wieder vor mir und erklärt mir, wie er sich eine Szene vorstellt. Wir müssen dann beide von sehr privat auf Weimarer Republik umschalten.

*Interview: Patrick Heidmann

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